Es sei nicht eindeutig feststellbar, welche Erkrankungen von Envio-Mitarbeitern tatsächlich auf die PCB-Belastung zurückzuführen seien, sagte der Sachverständige Albert Rettenmeier bei seiner Befragung vor dem Landgericht Dortmund. Es sei unbestritten, dass PCB giftig sei. Rettenmeier nannte vor allem Leberschädigungen und Hautkrankheiten wie Chlorakne als nachgewiesene PCB-Folgen. Aber "es gibt keine Dosis-Wirkung-Beziehung", erklärte Rettenmeier. Es könne aber nicht gesagt werden, dass bestimme PCB-Werte im Blut bestimmte Krankheiten nach sich zögen. Auch eine Krebs auslösende Wirkung auf den Menschen könne nicht mit Sicherheit belegt werden.
Krankenakten ausgewertet
Der Essener Sachverständige war von der Staatsanwaltschaft mit einem Gutachten beauftragt worden. Er sollte sich zur Frage äußern, ob die Krankheiten und sonstigen Befindlichkeitsstörungen, unter denen 51 Envio-Arbeiter leiden, auf die stark erhöhten PCB-Werte in ihrem Blut zurückzuführen sind. Rettenmeier hat dazu die Krankenakten von 33 Betroffenen ausgewertet.
Neue Untersuchung der Envio-Mitarbeiter
Es sei ihm nicht möglich gewesen, sich aus den ihm vorliegenden Unterlagen ein genaues Bild über die mit PCB belasteten Envio-Mitarbeiter zu machen, sagte er. Wichtig könnten etwa mögliche Vorerkrankungen sowie der Lebensstil der einzelnen Betroffenen sein. Das Gericht gab deshalb Rettenmeier den Auftrag, die Envio Mitarbeiter persönlich zu untersuchen und Lücken in ihrer Krankheitsgeschichte, auch vor der Beschäftigung bei Envio, aufzuarbeiten. Die Vertreter der Envio-Arbeiter kündigten an, ein Gegengutachten einzuholen.
Anwalt: Keine Körperverletzung
Die Verteidiger nahmen die Ausführungen mit sichtlicher Zufriedenheit zur Kenntnis. Der Vorwurf der Körperverletzung sei damit ja wohl vom Tisch. Schon zum Auftakt des Verhandlungstages hatte der angeklagte frühere Envio-Geschäftsführer in einer Erklärung die Vorwürfe gegen ihn zurückgewiesen.
Beim Prozessauftakt am 9. Mai hatte der Verteidiger des Hauptangeklagten betont, die auffälligen Blutwerte der Mitarbeiter seien nicht auf Fehler im Betriebsablauf bei Envio zurückzuführen. "Sie lassen sich vielmehr plausibel mit ungesunden Lebensstilfaktoren dieser Mitarbeiter erklären."
Handeln aus Profitgier?
Die Anklage ist davon überzeugt, dass der früheren Envio-Geschäftsführer Dirk N. und drei weitere Ex-Manager des Unternehmens aus reiner Profitgier die Envio-Mitarbeiter dem hochgiftigen Kühl- und Isoliermittel PCB ausgesetzt haben. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen die Vier im April 2011 wegen Körperverletzung und verschiedener Umweltverstöße Anklage erhoben.