Ottmar Breidling, Vorsitzender Richter der Strafschutzkammer am Düsseldorfer Oberlandesgericht, ist am Dienstag (23.02.2010) die Erleichterung über das baldige Ende des Prozesses um die Sauerland-Gruppe deutlich anzuhören. "Nun kommen wir zum letzten Schritt, bevor wir zu einer Entscheidung kommen. Dem letzten Wort der Angeklagten", sagt Breidling und lässt die Angeklagten sprechen. Streng nach der Sitzordnung auf der hinter Glas abgeschirmten Anklagebank.
Es ist die letzte Möglichkeit für die Angeklagten, das Gericht zu überzeugen, eine milde Strafe gegen sie zu verhängen. Frei kommen sie nicht, denn sie haben gestanden, Terroranschläge auf US-Einrichtungen im Auftrag der Islamischen Dschihad-Union (IJU) geplant zu haben. Die Pläne waren aufgeflogen und die Männer waren im September 2007 im Sauerland festgenommen worden. Wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags, Verabredung zum Mord - und für den Angeklagten Daniel S. wegen Mordes - hatte die Staatsanwaltschaft Haftstrafen zwischen fünfeinhalb und 13 Jahren für die vier Angeklagten gefordert.
Fritz G.: "Ich bin geschockt"
Die Schlussworte der vier Angeklagten könnten unterschiedlicher kaum sein: Fritz G. muss sich erst fassen. Doch es ist nicht die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe von zwölfeinhalb Jahren, die ihn so aus dem Konzept bringt. Ihn hat offensichtlich die Festnahme dreier weiterer mutmaßlicher Unterstützer der Gruppe am Montag (22.02.2010), darunter auch seine Ehefrau, verwirrt. Fritz G. stammelt bei den ersten Sätzen und holte dabei immer wieder tief Luft. "Ich bin immer noch geschockt und überrascht von den aktuellen Ereignissen", sagte der 30-jährige Mann. Er beteuert, was seine Verteidiger bei ihrem Plädoyer (09.02.2010) bereits gesagt hatten: "Ich werde mich nicht mehr im Entferntesten an terroristischen Akten beteiligen oder einer solchen Gruppe anschließen. Das steht fest und ist absolut ehrlich."
Daniel S. entschuldigt sich beim Polizisten
Überraschend kurz fällt das Wort von Adem Y. aus. Für ihn hatte die Staatsanwaltschaft elfeinhalb Jahre Haft gefordert. Doch der grimmig blickende 31-jährige Mann mit dem gepflegtem Vollbart sitzt lediglich kerzengerade auf seinem Platz, erhebt leicht das Kinn und spricht in das Mikrofon: "Ich hab nix."
Vorbereitet ist hingegen Daniel S. Für ihn hat die Staatsanwaltschaft 13 Jahre Haft und damit die höchste Strafe beantragt. Denn er hatte bei seiner Festnahme auf einen Polizisten geschossen. Daniel S. hat sich seine letzten Worte für das Gericht vorher notiert. Konzentriert liest der 24-Jährige von einem Blatt ab: "Meine Damen und Herren, ich habe mich damals falsch entschieden und falsch gehandelt. Mein Weg war falsch, ich hatte wenig Wissen darüber, was damals gerechtfertigt gewesen wäre. Zum Glück sind die Anschläge gescheitert und ich wurde festgenommen." Bereits zuvor hatte Daniel S. gestanden, auf einen Polizisten bei seiner Festnahme geschossen zu haben, um fliehen zu können. "Es ist beschämend, aber es stimmt. Ich habe geschossen, um abhauen zu können. Ich bedauere das sehr. Zweifel und Vernunft hatten in diesen Sekunden keinen Platz. Ich möchte mich hiermit bei dem Polizisten entschuldigen." An das Gericht appelliert der 24-Jährige schließlich: "Bitte geben Sie mir die Gelegenheit, im Gefängnis meinen Schulabschluss machen zu können. Durch den Abbruch der Schule 2003 bin ich aus der Bahn geworfen worden."
Attila S.: "Es tut mir leid"
Eine lange Pause macht danach Attila S. Für ihn hatte die Staatsanwaltschaft fünfeinhalb, die Verteidigung unter vier Jahre Haft gefordert. Schließlich hebt der 24-Jährige, der als einziger keinen Vollbart als Zeichen seiner Religiosität trägt, die Stimme: "Ich habe dem Islam geschadet. Es war ein Fehler, bei den Anschlagsvorbereitungen mitzuwirken. Es tut mir leid."
Urteil für den 4. März erwartet
Nach nur zehn Minuten ist damit die Verhandlung an diesem Tag vorbei. Sofort steht Adem Y. auf. Er muss jedoch noch warten. Die anderen suchen durch die Trennscheibe ihre Verteidiger, um mit ihnen zu sprechen. Sie wirken verunsichert. Daniel S. hebt hilfesuchend die Hände. Die neben ihnen sitzenden Wachen drängen sie einige Minuten später schließlich sanft hinaus. Fritz G. winkt noch einmal einem Zuschauer zu und macht eine schreibende Handbewegung. Er lächelt müde. Das nächste Mal wird er den Saal am 4. März betreten, wenn hier das Urteil gesprochen wird.