Festnahmen in Medebach-Oberschledorn
Autobomben sollten Hunderte töten
Stand: 05.09.2007, 22:02 Uhr
Die drei im Sauerland festgenommenen Männer wollten offenbar mit Autobomben eine Serie von Attentaten verüben. Im Visier hatten sie den Flughafen Frankfurt und US-Einrichtungen. Die Behörden ermitteln nun gegen fünf weitere Verdächtige.
Bei einem der größten Polizei-Einsätze der Nachkriegsgeschichte nahmen die Ermittler zwei zum Islam konvertierte Deutsche und einen Türken fest, teilte die Bundesanwaltschaft am Mittwoch (05.09.2007) mit. Die Männer im Alter zwischen 21 und 28 Jahren planten den Ermittlungen zufolge massive Anschläge auf US-Einrichtungen. Gegen sie wurde Haftbefehl erlassen. Der Zugriff erfolgte im idyllischen Sauerlandort Medebach-Oberschledorn. Zwei der noch nicht festgenommenen Männer stammen nach Angaben des saarländischen Innenministeriums aus dem Raum Neunkirchen im Saarland. Gegen sie liege momentan noch kein Haftbefehl vor. Gegen die insgesamt acht Beschuldigten werde wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt.
"Bislang schwerwiegendste" Anschlagspläne
Generalbundesanwältin Monika Harms sprach in Karlsruhe von einer der bisher schwerwiegendsten Terrorplanungen in Deutschland. Wie aus dem US-Außenministerium verlautete, waren die Hauptanschlagsziele der Frankfurter Flughafen und die amerikanische Luftwaffenbasis Ramstein bei Kaiserslautern. Im Visier der Verdächtigen sollen auch von US-Bürgern besuchte Einrichtungen wie Diskos und Gaststätten gewesen sein. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) waren gleichzeitige Anschläge mit Autobomben an mehreren Orten mit vielen Toten und Verletzten geplant.
Bundesanwältin Monika Harms erklärte, die drei Gefassten gehörten der Islamischen Dschihad Union an. Sie hätten sich 730 Kilogramm Wasserstoffperoxid beschafft, das nach einer entsprechenden Aufbereitung die Sprengkraft von 550 Kilo TNT gehabt hätte. Der Sprengstoff sei auch bei den Londoner U-Bahn-Anschlägen im Juli 2005 verwendet worden.
Im Ferienhaus getroffen
Die Verdächtigen sind nach Darstellung der Bundesanwältin ins Visier der Ermittler geraten, als sie im Dezember 2006 versuchten, eine Kaserne in Hanau auszuspähen. Seitdem seien sie beobachtet worden. Zwischen Februar und August 2007 habe einer der Verdächtigen im Raum Stuttgart zwölf Fässer und die Chemikalien besorgt, die in einer Garage im Schwarzwald im Raum Freudenstadt untergebracht wurden. Mitte Juli gelang es der Polizei, den Inhalt der Fässer unbemerkt gegen eine stark verdünnte Lösung auszutauschen.
Anfang September wollten die Männer mit der Bombenherstellung beginnen, so Harms. Dazu hätten sie sich in einem Ferienhaus im sauerländischen Medebach-Oberschledorn getroffen, das einer der Verdächtigen Mitte August angemietet hatte. Die Fässer mit den Chemikalien, Zünder und elektronische Bauteile hätten sie mitgebracht. Seit Mitte vergangener Woche standen sie unter der Beobachtung der Polizei, die sich mit einem getarnten Observationsfahrzeug auf einer Wiese postiert hatte.
Angst nach der Verkehrskontrolle
Wie Jörg Ziercke vom Bundeskriminalamt erklärte, gerieten die Männer am Tag vor der Festnahme in eine Verkehrskontrolle, weil sie mit aufgeblendeten Scheinwerfern fuhren. Das habe sie sehr verunsichert. Sie hätten die Bombenherstellung zwar fortgesetzt, aber dann daran gedacht, das Ferienhaus aufzugeben.
Als sie am Dienstag um 14.30 Uhr das Haus in Medebach-Oberschledorn verlassen wollten, hätten die Kräfte der GSG 9 es gestürmt und zwei der Männer festgenommen. Ein dritter habe durch ein rückwärtiges Fenster fliehen können, sei dann aber gestellt worden. Offensichtlich konnte er sich die Dienstwaffe aus dem Holster des Beamten greifen. Anschließend fiel ein Schuss, der den Beamten an der Hand verletzte.
Nach den Festnahmen wurden insgesamt 41 Objekte in mehreren Bundesländern durchsucht. Ziercke sprach von einem Polizeieinsatz, der in dieser Dimension in der BKA-Geschichte noch nicht stattgefunden habe. Allein von seiner Behörde seien fast 300 Beamte über sechs Monate im Einsatz gewesen.
Wolf: "Kein Grund zur Panik"
Bundesanwältin Harms sagte auf der Pressekonferenz, die Männer seien Mitglieder einer deutschen Zelle der Dschihad Union und im vergangenen Jahr in einem ihrer Lager ausgebildet worden. Sie kommen aus Baden-Württemberg, dem Saarland und Hessen. Auch NRW-Innenminister Ingo Wolf äußerte sich: "Deutschland ist Teil des weltweiten Gefahrenraumes. Es gibt allerdings keinen Grund zur Panik", so Wolf.
Zentralrat der Muslime distanziert sich
Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mayzek, hat sich in einer Stellungnahme von den Verdächtigen distanziert: "Mit dem friedliebenden Islam und den Muslimen in Deutschland hat das nichts zu tun." Er lobte die Sicherheitsbehörden und forderte die Muslime auf, die Gemeinden dafür zu sensibilisieren, "dass es Bürger- und Muslimpflicht ist, Extremismus zu melden". Er erwartet aber auch von der Gesellschaft, "dass sie uns vor Pauschalverdächtigungen schützen und uns nicht in die Nähe des Terrorismus stellen".