Die erste Warnung kommt um 9.45 Uhr: WDR 2 unterbricht sein Programm mit einer Durchsage für die Bewohner des westlichen Ruhrgebiets. In den Städten Bottrop, Duisburg, Essen, Krefeld, Moers, Mülheim und Oberhausen sowie in Teilen des Kreises Wesel sind über drei Stunden lang mehr als 0,8 Milligramm Schwefeldioxid pro Kubikmeter Luft gemessen worden. Dieser Wert des giftigen Gases übersteigt die in einer Verordnung von 1974 festgelegte Grenze. Deshalb hat NRW-Arbeits- und Gesundheitsminister Friedhelm Farthmann (SPD) "Smog-Alarm der Stufe Eins" ausgelöst - die niedrigste von insgesamt drei möglichen Alarmstufen. Das Wort Smog setzt sich aus zwei englischen Begriffen zusammen: "smoke" (Rauch) und "fog" (Nebel). Die Bevölkerung wird über Radio aufgefordert, alles zu unterlassen, was die Luft weiter verunreinigen könnte. Menschen mit Herz- und Atemproblemen sollen sich nicht lange im Freien aufhalten.
Schlechte Luft unter der Käseglocke
Auslöser für den stechenden Geruch und die schlechte Sicht im Ruhrgebiet ist die sogenannte Inversions-Wetterlage: In rund 300 Meter Höhe hat sich eine Warmluftschicht über die kältere Luft am Boden geschoben. Dadurch werden die Abgase, die sonst in höhere Luftregionen entweichen können, wie unter einer Käseglocke am Boden gehalten. Nach zehn Stunden entspannt sich die Lage: Ein leichter Wind hat die Luftschichten in Bewegung gebracht. Gegen 19.30 Uhr wird der Smog-Alarm aufgehoben. An diesem Tag bleibt es bei Stufe Eins und freiwilligen Vorsichtsmaßnahmen. Doch das ist nur der Auftakt.
1985 wird Alarm-Stufe Zwei ausgelöst
Fast genau sechs Jahre später ist die Schadstoffbelastung im Ruhrgebiet um ein Vielfaches höher. Am Abend des 18. Januar 1985 löst das NRW-Gesundheitsministerium Smog-Alarm der Stufe drei aus. In großen Teilen der Städte Duisburg, Dortmund, Mülheim, Essen und Bottrop gilt für mehrere Stunden ein Fahrverbot für Autos. Die Betriebe dürfen nur schwefelarme Brennstoffe benutzen. Im gesamten Revier sind fast alle Schulen geschlossen. Die Smog-Gefahr erstreckt sich bis Düsseldorf, Leverkusen, Köln und Aachen. Dort gibt es aber keinen Alarm, weil diese Regionen vom Warndienst nicht erfasst werden.
Im Dezember 1985 zieht das NRW-Umweltministerium Konsequenzen und dehnt den Geltungsbereich der Smog-Verordnung auf den Raum Düsseldorf und den Raum Köln aus. In den folgenden Jahren werden Kohlekraftwerke mit Entschwefelungsanlagen ausgerüstet.
Spitzenwerte bei Schadstoff-Belastung gesunken
Mittlerweile hat sich die Art der Luftverschmutzung geändert. "In den letzten Jahrzehnten konnte der Schadstoffausstoß bei uns deutlich vermindert werden", sagt Prof. Andreas Wahner, Atmosphären- und Klimaforscher am Forschungszentrum Jülich. "Die örtlichen Maximalkonzentrationen von Ozon im Sommer und Schwefeldioxid im Winter sind deshalb deutlich gesunken." Da in Europa nicht mehr so hohe Spitzenwerte erreicht würden, gebe es in Deutschland auch keine Smog-Alarme mehr.
"Gleichzeitig hat in den letzten Jahrzehnten die sogenannte Hintergrundkonzentration ständig zugenommen. Das ist die Verschmutzung, die mit den Luftmassen von Nordamerika und Asien nach Europa getragen wird", erklärt Wahner. Besonders Ozon, das eine Verweildauer von rund drei Wochen in der Atmosphäre habe, werde so nach Deutschland transportiert. "Schwefeldioxid hingegen verlässt die Atmosphäre bereits nach gut einer Woche und kommt bei uns nur in geringen Mengen an", so Wahner.
Dauerbelastung durch Klimagas Ozon
Der Import von Ozon führt unter anderem auch in Deutschland zu gestiegenen Durchschnittswerten. Das hat negative Folgen für die Ernteerträge und die Gesundheit: "Wenn Sie drei Tage lang sehr hohe Ozonkonzentrationen einatmen, schädigt das Ihre Gesundheit weit weniger, als wenn Sie jahrelang Tag und Nacht leicht erhöhten Werten ausgesetzt sind", sagt Wahner. In Europa sterben nach seinen Angaben pro Jahr rund 21.400 Menschen vorzeitig durch Ozon.
Luftverschmutzung ist Klimafrage
"Neben Ozon belastet heute vor allem Feinstaub die Luft in Europa", sagt Wahner. "Auch der Feinstaub mit den darin enthaltenen Rußpartikeln aus Autoabgasen schädigt die Gesundheit durch seine Dauerbelastung." Der örtlich entstehende Feinstaub lasse sich lokal vermindern, etwa durch Umweltzonen. Die Werte des weltweit mobilen Klimagases Ozon hingegen könnten nur durch internationale Absprachen gesenkt werden - auch um den Treibhauseffekt zu verkleinern, so Wahner. "Heute geht es nicht nur um die Luftverschmutzung, sondern auch um die Klimafrage."