Suche nach Vermissten dauert an
Wie ein Kartenhaus zusammengefallen
Stand: 04.03.2009, 07:26 Uhr
Nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs am Dienstagnachmittag (03.03.2009) werden immer noch Personen vermisst. Arbeiter haben in der Nacht einen Zugang zum Keller des eingestürzten Historischen Stadtarchivs freigemacht.
Ursprünglich waren nach dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs in Köln neun Personen vermisst worden. Am Mittwochmorgen (04.03.2009) suchten die Rettungskräfte mit ihren Spürhunden noch nach "zwei bis fünf Personen", so ein Sprecher der Feuerwehr gegenüber WDR.de. Die Zahlen schwanken je nach Zeugenaussage. Mindestens einmal haben die Spürhunde bei ihrer Suche bereits angeschlagen. "Eine schnelle Rettung ist nicht möglich", erklärte jedoch Stefan Neuhoff, Direktor der Kölner Feuerwehr.
Zugang zum Keller freigeräumt
Arbeiter haben unterdessen einen Zugang zum Keller des eingestürzten Historischen Stadtarchivs freigemacht. Hinter dem komplett zusammengestürzten Gebäude seien mehrere Garagen abgerissen worden, sagte ein Feuerwehrsprecher am frühen Mittwochmorgen. Dadurch sei der Weg frei in einen der Keller des Archivs, aus dem nun Dokumente geborgen werden könnten. Es sei zudem unwahrscheinlich, dass sich in dem Schutt Hohlräume befänden. "Die letzte Gewissheit gibt es erst, wenn der letzte Schutt weg ist", so Feuerwehr-Direktor Neuhoff weiter.
Einsturz wegen U-Bahn-Bau?
Doch das kann dauern. Denn mit Aufräumarbeiten kann erst am Mittwoch (04.03.2009) begonnen werden, wenn ein neben dem Archiv befindlicher rund 28 Meter tiefer Schacht stabilisiert ist. Der Schacht war im Rahmen der Bauarbeiten zur neuen Kölner Nord-Süd-Bahn gegraben worden. In dieser Baugrube sei wohl eine Öffnung entstanden, in der Erde nachgerutscht sei, dadurch sei dem Historischen Archiv möglicherweise der Boden entzogen worden, so Neuhoff zur möglichen Unglücksursache. Es könne sein, dass die Absackung mit Aushubarbeiten in der Grube zu tun haben, erklärte auch Rolf Papst, Projektleiter der Kölner Verkehrsbetriebe für die U-Bahn-Erweiterung.
Zusammengefallen "wie ein Kartenhaus"
Das Historische Stadtarchiv in der Kölner Innenstadt war gegen 14 Uhr komplett in sich zusammengefallen. "Das Haus ist auf einer Länge von 50 bis 70 Meter eingestürzt", erklärte Polizeisprecher Wolfgang Baldes WDR.de. Augenzeugen berichten, das Stadtarchiv sei wie ein Kartenhaus in sich zusammen gefallen. Dabei hat es nicht nur die angrenzenden Gebäude beschädigt, sondern auch mehrere Autos unter sich begraben. Der Bereich rund um die Unglücksstelle sowie einige Hauptverkehrsstraßen im Kölner Süden wurden weiträumig gesperrt.
Die 21 Mitarbeiter und Nutzer des Stadtarchivs konnten das Gebäude noch rechtzeitig verlassen, weil sie offenbar kurz vor dem Einsturz von Bauarbeitern gewarnt worden waren. Eine Person musste daraufhin mit einem Schock ins Krankenhaus eingeliefert werden, die anderen 20 Personen wurden nicht verletzt.
Archiv-Mitarbeiter erhebt schwere Vorwürfe
Der langjährige Abteilungsleiter des Stadtarchivs, Eberhard Illner, erhob unterdessen schwere Vorwürfe. Der Einsturz sei eine absehbare Katastrophe gewesen, erklärte er. Er selbst habe im Sommer vergangenen Jahres Senkungsrisse im Keller des Gebäudes festgestellt und dies auch an die Archivleitung weitergegeben. Nach Angaben der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) soll es deswegen auch nur eine Woche vor dem Einsturz eine Begehung des Gebäudes gegeben haben. "Es passiert häufiger, dass es zeitversetzte Effekte gibt. Das ist vergleichbar mit einem eingerissenen Nagel. Je mehr der Nagel belastet wird, desto weiter reißt er ein, bis er schließlich überlastet ist und abreißt", erklärt Prof. Hans Obrecht, der an der TU Dortmund Baumechanik und Statik lehrt, WDR.de.
Die 2007 und 2008 untersuchten Setzrisse seien jedoch "nicht Ursache dieses Unglücks", erklärte hingegen Kölns Stadtdirektor Guido Kahlen am Dienstagabend im WDR Fernsehen.
"Schiefer Turm von Köln" ganz in der Nähe
Ganz in der Nähe war im Jahr 2004 der Kirchturm von Sankt Johann Baptist wegen Bauarbeiten zur neuen Kölner U-Bahn in Schieflage geraten. Der Turm war etwa 16 Zentimeter im sandigen Untergrund eingesackt, als eine Schildvortriebmaschine unter der Kirche einen Tunnel bohrte.