Weitere U-Bahn-Haltestellen betroffen
Mehr gefälschte Protokolle aufgetaucht
Stand: 18.02.2010, 19:53 Uhr
Beim Bau der Kölner U-Bahn sind wahrscheinlich weitere Protokolle gefälscht worden. Bisher waren Unregelmäßigkeiten bei drei U-Bahn-Baustellen bekannt, inzwischen werden auch Unterlagen für zwei weitere neue Haltestellen angezweifelt.
Dies teilte der für Technik zuständige Vorstand der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB), Walter Reinarz, am Donnerstag (18.02.2010) mit. Die Messprotokolle der beiden Baustellen seien absolut identisch und somit nicht plausibel. Es handelt sich um die bereits weitgehend fertig gestellten Baustellen Kartäuserhof und Chlodwigplatz. Dort sind die Tunnelröhren bereits errichtet, so dass den Schlitzwänden aus der ersten Bauphase keine Bedeutung mehr für die Sicherheit zukommt. Reinarz bezeichnete die neuen Erkenntnisse als "neue Qualität einer möglichen Messmanipulation." KVB-Vorstand Jürgen Fenske sagte in Bezug auf die Missstände an den U-Bahn-Baustellen, er könne derzeit nicht sagen, "in welcher Qualität" die interne Bauüberwachung der KVB gearbeitet habe. Nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs im März 2009 war die interne Aufsicht durch externe Gutachter ersetzt worden.
Verdächtiger Polier schweigt weiter
In den vergangenen Tagen war schon bekannt geworden, dass an mindestens drei Baustellen lediglich rund 70 Prozent der vorgesehenen Sicherungseisen für die Schlitzwände verbaut wurden und mehrere der vorgeschriebenen Vermessungsprotokolle offenbar gefälscht sind. Gegen zwölf Personen, darunter ein Polier, wird wegen des Diebstahls der Sicherungseisen ermittelt. Dieser Polier war auch als Urlaubsvertretung auf den beiden Baustellen tätig, zu denen jetzt weitere verdächtige Messprotokolle aufgetaucht sind. Nun werden alle Stadtbahnbaustellen intensiv überprüft, auf denen der Mann noch eingesetzt war.
Unterdessen bestätigte die Kölner Staatsanwaltschaft am Donnerstag, dass der Polier, der für den Stahldiebstahl und die Fälschung von Bauprotokollen wesentlich verantwortlich gewesen sein soll, nach wie vor schweigt. Das Ausmaß der gestohlenen Stahlbügel relativierte Behördensprecher Günther Feld jedoch: "Nach derzeitigem Erkenntisstand geht es allenfalls um einige Tausend Euro." Der Verdächtige war Mitarbeiter von Bilfinger Berger, dem führenden Bauunternehmen in der Arbeitsgemeinschaft der beteiligten Baufirmen (ARGE Los Süd).
Stadt Köln gründet Arbeitsgruppe zum U-Bahn-Bau
Nach den zahlreichen Enthüllungen über den Pfusch beim Kölner U-Bahn-Bau werben die Beteiligten derweil um neues Vertrauen für das Milliarden-Projekt. Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) erklärte am Donnerstag im Hauptausschuss der Stadt: "Ich will, dass dieses wichtige Bauwerk absolut sicher, hochkonzentriert und ordentlich zu Ende gebaut wird." Die Stadt werde eine Arbeitsgruppe einrichten, die die Missstände bei dem Bau aufarbeiten soll. Das neue Gremium werde von Stadtdirektor Guido Kahlen geleitet, sagte Roters. Aufgabe der Arbeitsgruppe sei es, "die richtigen Fragen zu stellen und die richtigen Schlüsse zu ziehen" aus dem Pfusch am U-Bahn-Bau. Die in der Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Bauunternehmen müssten sich jetzt fragen lassen, so Roters, "ob ihre internen Strukturen ausreichend darauf ausgerichtet sind, betrügerische Machenschaften auf Baustellen zu verhindern". Insgesamt müsse die Aussage "Privat vor Staat" kritisch hinterfragt werden. Roters: "Bei öffentlichen Bauten, die für viele Jahrzehnte der Daseinsvorsorge und der städtischen Infrastruktur dienen sollen, darf sich der Staat nicht weiter aus seinen hoheitlichen Aufgaben zurückziehen!"
Abgeordnete reagieren empört
Der Kölner SPD-Fraktionsvorsitzende Martin Börschel forderte, nicht nur an den vom festgestellten Pfusch betroffenen Baustellen auf die Sicherheit zu achten, sondern auf der gesamten neuen U-Bahnlinie. Börschel bezeichnete das Vorgehen der Baufirmen als skandalös: "Hier scheint eine Verschleierungsstrategie am Werk zu sein. Die bisherige These von Einzeltätern, die völlig unabhängig Stahlteile gestohlen und abtransportiert haben sollen, halte ich für absolut nicht glaubwürdig." Auch CDU-Fraktionschef Winrich Granitzka begrüßte, dass OB Roters das Thema U-Bahn-Bau mit der Gründung einer internen städtischen Arbeitsgruppe nun zur Chefsache gemacht habe. Granitzka forderte die Polizei auf, eine Sonderkommission einzurichten: "Es ist unmöglich, diese Fälschungen von einem Polier und seinen Mitarbeiter gemacht worden ist. Hier sind Strukturen erkennbar, dass Fachleute am Werk waren, die diese Fälschungen in hoch krimineller Weise hergestellt haben."