Montage: Website der Googleseite in einem Laptop, junge Frau

Fakten zum Leistungsschutzrecht

Der Streit ums geistige Eigentum

Stand: 30.11.2012, 07:13 Uhr

Monatelang sorgte die Diskussion um das Leistungsschutzrecht für Aufregung - beim Internetanbieter Google ebenso wie bei Bloggern, Betreibern von Foren und Verlagen. Am Donnerstag kurz vor Mitternacht (29.11.2012) hat der Bundestag das Gesetz auf den Weg gebracht.

Genauso schnell, wie das Internet mit all seinen Möglichkeiten in den vergangenen Jahren gewachsen ist, so wuchs auch die rechtliche Grauzone rund um Themen wie Datenschutz, Urheberrecht oder Persönlichkeitsschutz. Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage soll mehr rechtliche Klarheit in die virtuelle Online-Welt bringen. Nach einem ersten (stark kritisierten) Referentenentwurf im Juni 2012 und anschließenden Änderungen hat die Bundesregierung den Gesetzesentwurf nun in den Bundestag eingebracht. Am Donnerstagabend (29.11.2012) kurz vor Mitternacht wurde der Entwurf zur weiteren Beratung den Fachausschüssen übergeben. Ob das Gesetz noch in der laufenden Legislaturperiode in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden kann, ist ungewiss. Der Bundesrat muss nicht zustimmen. Die Internet-Branche, Netzaktivisten und Juristen üben teils starke Kritik. Worum geht es eigentlich?

Was bezweckt das Leistungsschutzrecht?

Es geht um die Frage, ob und wie gewerbliche Anbieter aller Art im Internet Pressetexte anderer nutzen, verlinken oder zitieren dürfen: Darf ein Blogger, der auch Werbeanzeigen auf seiner Seite hat, einen fremden Text zitieren, ohne dem Urheber dafür Geld zu bezahlen? Darf ein Suchmaschinenbetreiber wie Google seine Links zu Nachrichtenseiten so gestalten, dass bereits in der Trefferliste Sätze oder Satzanfänge aus dem verlinkten Text zu erkennen sind?

Im ersten Entwurf des Leistungsschutzrechts war vorgesehen, dass nicht nur Suchmaschinenbetreiber, sondern auch Blogger, Plattformen wie Wikipedia und Unternehmen, die ihren Mitarbeitern in firmeneigenen Netzen Artikel von Verlagswebseiten zugänglich machen, dafür Geld an die Verlage zahlen müssen. Nach heftiger Kritik an diesem Entwurf legte das Bundesjustizministerium Ende Juli eine entschärfte Version vor, die sich ausschließlich auf Suchmaschinenbetreiber beschränkt. In einem weiteren Referentenentwurf wurde dieser als "Lex Google" bezeichnete Entwurf so ergänzt, dass neben Suchmaschinen auch "gewerbliche Anbieter von Diensten" (unter anderem so genannte "News-Aggregatoren") mit einbezogen werden. Betreiber von Blogs, Unternehmen und Freiberufler sollen weiterhin unbehelligt bleiben.

Was wäre diesem Entwurf nach strafbar?

Nicht zulässig wäre, wenn ein Suchmaschinenbetreiber wie Google in der Trefferliste auf Verlagswebseiten verlinkt und dabei, wie bisher üblich, Textanrisse der jeweiligen Nachrichten anzeigt. Denn Google verkauft neben seinen Suchtreffern Werbung, und an diesen Einnahmen wollen die Verlage beteiligt werden. Das Leistungsschutzrecht gibt den Verlagen "das ausschließliche Recht (...), Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen". Wenn eine Suchmaschine mehr Textzeilen als den reinen Link zu einem Artikel anzeigt, soll der Betreiber dafür zahlen.

Wie häufig passiert das?

Schwer zu sagen. Eine Hamburger Unternehmensberatung will ermittelt haben, dass die im Internet veröffentlichten Inhalte von Medienverlagen 7,5 Prozent aller Einträge in den Suchergebnissen von Google ausmachen. Für die Erhebung seien mehr als 15 Millionen der häufigsten Suchanfragen auf Google.de und jeweils mehr als 100 Ergebnisse, also insgesamt über 1,5 Milliarden Einträge ausgewertet worden. Als Verlagsinhalte seien die Webseiten von rund 1.200 Internet-Anbietern eingestuft worden, die bei Google News berücksichtigt sind.

Wie reagierten die Betroffenen?

Google protesierte massiv. Die Regelung sei ein "Eingriff in die Informationsfreiheit", gab das Unternehmen bekannt, solch ein Gesetz schade "Nutzern, Verlagen, Suchmaschinen und der deutschen Wirtschaft". Der Konzern startete am Dienstag (27.11.2012) sogar eine große Online-Kampagne gegen das geplante Gesetz. Eine auf der Google-Startseite verlinkte Webseite mit einem Aufruf gegen das Leistungsschutzrecht wurde nach Angaben des Internet-Konzerns bis Mttwochabend (28.11.2012) von rund einer halben Million Menschen besucht. Bislang hätten sich über 25.000 Menschen auf der Seite eingetragen und damit ihre Ablehnung des Leistungsschutzrechtes dokumentiert.

Auch der Branchenverband Bitkom kritisierte das Gesetzesvorhaben. Eine solche Regelung gebe es "in keinem anderen Land der Welt", erklärte Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Zugleich forderte er auch eine längere Beratung im Bundestag. "Ein hoch umstrittenes Thema wie das geplante Leistungsschutzrecht braucht ausreichend Raum für parlamentarische Beratung und darf nicht im Schnellverfahren durchgepeitscht werden."

Abgelehnt wird der Entwurf zudem bei SPD, Grünen und Linken. Auch der Urheberrechtsbeauftragte der Piratenpartei, Bruno Kramm, erklärte am Mittwoch (28.11.2012) , mit dem Leistungsschutzrecht werde "das freie Netz von nie dagewesener Informationsverwirtschaftung bedroht". Bedenken gibt es auch bei einzelnen Abgeordneten der CDU und der FDP. Auch die Jugendorganisationen der Parteien lehnen das Leistungsschutzrecht für Presseverlage ab. "Junge Union, Jusos, Grüne Jugend, Junge Liberale und Junge Piraten sind sich darin einig, dass dieser Eingriff in die freiheitliche Architektur des Internets nicht hinnehmbar ist", heißt es in einer Erklärung.

In einer vom Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht in München veröffentlichten Stellungnahme warnen zudem 16 Jura-Professoren vor "unabsehbaren negativen Folgen" einer entsprechenden Änderung des Urheberrechts. Beide Seiten seien aufeinander angewiesen, mahnen die Wissenschaftler: "Ohne Inhalte würden die Suchmaschinen nichts finden - und ohne Suchmaschine würde in der unübersehbaren Informationsfülle des Internets nichts gefunden."

Die Verleger begrüßen dagegen den Gesetzentwurf - und übten scharfe Kritik an der jüngsten Google-Kampagne. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) verurteilten diese als "üble Propaganda". Es sei ein Unding, dass der Suchmaschinenkonzern seine marktbeherrschende Stellung einseitig für die eigenen Ziele nutze, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Google arbeite mit perfiden Methoden.