WDR.de: Herr Balzer, die WestLB ist in die Wirtschaftsgeschichte eingegangen als Bank der vielen Skandale. Was hat Sie an dem Thema besonders fasziniert?
Klaus Balzer: Dass die Verquickung von Politik und Bankinteressen zu einem Desaster geführt hat. Und die psychologischen Seiten dieser Geschichte haben gezeigt, dass in solchen Systemen Charaktere und deren Handlungsweisen eine wirklich wichtige Rolle spielen. Das wird meines Erachtens oft unterschätzt.
WDR.de: Nennen Sie uns ein paar Beispiele.
Balzer: Friedel Neuber, 20 Jahre lang Vorstandsvorsitzender der WestLB, war ein unglaublicher Machtmensch. Der hat sich im Grunde genommen für unangreifbar gehalten. Anders als zum Beispiel Jürgen Sengera, der bis 2002 Vorstandschef war. Er war ein Spielertyp von Banker, der offenbar viel riskiert hat und über eine Milliarde Euro in den Sand gesetzt hat. Ein drittes Beispiel ist Thomas R. Fischer, der auch daran gescheitert ist, dass ein Kontrollsystem versagt hat.
WDR.de: Ist der Zusammenbruch der WestLB also in erster Linie strukturellen Defiziten geschuldet?
Balzer: Als strukturell empfinde ich das insofern, dass es bis zum Schluss eine sehr enge Verzahnung von Politikinteressen und Landesbankinteressen gegeben hat. Innerhalb dieser Struktur konnten sich Menschen ausbreiten und ihre Bankpolitik machen, ohne dass eine effektive Kontrolle dagewesen ist.
Schwerpunkt
WDR.de: War die WestLB hauptsächlich deshalb so anfällig für Skandale?
Balzer: Ich glaube ja. Wenn Geldgeschenke in Milliardenhöhe seitens einer Landesregierung an eine Bank gegeben werden, die auch nicht verzinst werden und letztlich den Steuerzahler Milliarden kosten, weil die EU nicht mehr mitgespielt hat, dann finde ich das schon sehr deutlich, dass es daran lag.
WDR.de: Wäre die WestLB zu retten gewesen?
Balzer: Das kann ich letztlich gar nicht beurteilen. Es hat von 2008 an - angefangen mit Heinz Hilgert und fortgesetzt von Dietrich Voigtländer, den beiden letzten Vorstandsvorsitzenden - sehr klare und seriöse Bemühungen gegeben, die WestLB so zusammenzuschrumpfen und auf ihre ursprüngliche Funktion zurückzuführen, dass dort der Glauben vorherrschte, sie wäre zu retten gewesen. Gleichzeitig war es aber so, dass die EU aufgrund der langjährigen negativen Erfahrungen mit der WestLB und der Politik schon 2008 überhaupt nicht mehr bereit war, auch nur noch geringste Kompromisse einzugehen. Insofern gab es wohl objektiv keine Chance.
WDR.de: Welche Lehren kann man aus dem Scheitern der WestLB ziehen?
Balzer: Es muss eine strikte Trennung von Politik und Bankgeschäften geben. Die öffentlich-rechtlichen Banken müssen eine Aufsicht bekommen, die wirklich unabhängig und fachlich qualifiziert ist und nicht politisch motiviert.
WDR.de: "Größenwahn und Selbstbedienung" - so ist ihr Beitrag um den Millionen-Krimi der WestLB überschrieben. Auf wen treffen diese Schlagworte im Besonderen zu?
Balzer: Das sind gewiss harte Worte, die ich letztlich nur aufgrund der Archivlage und der Interviews mit Zeitzeugen sagen kann. Eine gewisse Art von Größenwahn ist Friedel Neuber zu unterstellen gewesen. Oder wenn man an Jürgen Sengera denkt, der mit 1,3 Milliarden Euro Kredit eine Firma unterstützt hat, die Fernsehgeräte an Privatleute verleihen wollte zu einem Zeitpunkt, als quasi jeder Haushalt schon ein TV-Gerät hatte. Die Selbstbedienung sehe ich ehrlich gesagt aufseiten der Politik. Man muss sich nur an verschiedene Skandale erinnern wie die Flugaffäre oder wen Neuber in seiner Personalpolitik begünstigt hat.
WDR.de: Sie nennen den Name Neuber am häufigsten in negativer Hinsicht. Hat mit ihm der Untergang der WestLB begonnen?
Balzer: Ich glaube ja. Ludwig Pouillan, erster Vorstandschef der WestLB, hat ganz klar gesagt, dass mit der Person von Neuber das Ende der WestLB eingeleitet worden ist.
Das Gespräch führte Frank Menke.