EKD-Synode zum kirchlichen Arbeitsrecht
Ein bisschen Streikrecht
Stand: 13.11.2013, 13:00 Uhr
Die Kirche ist kein einfacher Arbeitgeber: Besondere Rechte, besondere Regelungen - und kein Recht auf Widerspruch. Ein neues Kirchengesetz, das am Mittwoch (13.11.2013) von der EKD-Synode verabschiedet wurde, soll das ändern. Die Gewerkschaft Verdi bleibt auf Konfrontationskurs.
Von Marion Kretz-Mangold
"Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz": Ein Wortungetüm, das nach staubtrockener, lebensferner Bürokratie klingt. Dabei hat es das Gesetz in sich, das am Mittwoch (13.11.2013) von der Synode verabschiedet wurde: Es soll endlich für Frieden zwischen dem Arbeitgeber Kirche und den Gewerkschaften sorgen. Die hatten sich schon lange an der Sonderstellung gestoßen, der den großen Kirchen zugestanden wird, wenn es zum Beispiel um die Lohngestaltung geht. Dagegen konnten sie protestieren, aber Streiks waren verboten. Verdi und der Marburger Bund zogen vor Gericht, bekamen Recht - und die Kirche Auflagen.
Konsens statt Konflikt
Am Sonderweg der Kirchen rütteln auch die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom November 2012 nicht. Aber einmal festgelegte Mindestarbeitsbedingungen dürfen nicht unterschritten werden, außerdem müssen die Gewerkschaften stärker beteiligt und besser ausgestattet werden - mit Büros zum Beispiel. Und das generelle Streikverbot darf auch nicht mehr gelten.
Diakonisch: Der Fliednerhof in Düsseldorf
Die EKD hat deswegen ein neues Kirchengesetz ausgearbeitet, das für Mitarbeiter der Kirche und der Diakonie, also dem evangelischen Wohlfahrtsverband, gelten soll. Allein in NRW sind das 140.000 Mitarbeiter, die in Altenpflegeheimen, Krankenhäusern oder Behinderteneinrichtungen angestellt sind - die Subunternehmen nicht mitgerechnet.
Das überarbeitete Gesetz orientiert sich zwar weiterhin am "Dritten Weg, mit Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die sich auf ein Ergebnis einigen. Konsens statt Konflikt: Das entspricht dem Selbstverständnis der Kirche, die sich als Dienstgemeinschaft sieht, in der Männer und Frauen den kirchlichen Auftrag in der Welt erfüllen.
Aber Streiks werden nicht mehr ausgeschlossen: "Wenn die Arbeitgeber sich nicht an das Verhandlungsergebnis halten, können die Arbeitnehmer selbstverständlich streiken", so Oberkirchenrat Detlev Fey, der bei der EKD für Arbeitsrecht zuständig ist. Aber: "Wenn das Ergebnis umgesetzt wird, gibt es keinen Grund für einen Streik."
"Wir wollen nicht am Katzentisch sitzen"
17.000 Unterschriften gegen den Dritten Weg
Das ist nicht das uneingeschränkte Streikrecht, auf das die Gewerkschaft Verdi pocht: Sie will auch während der Verhandlungen streiken dürfen, nicht erst dann, wenn sich die Arbeitgeber nicht an das Ergebnis halten. Deswegen spricht sie von "Zwangsschlichtung" und "absoluter Friedenspflicht", mit denen die EKD nicht nur gegen das Grundgesetz verstoße, sondern auch die Vorgaben des Gerichts verfehle.
Es geht aber auch um Grundsätzliches: Berno Schuckart-Witsch, bei Verdi auf Bundesebene für "Streikrecht und Kirchen" zuständig, ärgert sich darüber, dass die Kirche die Regelungen einfach vorgegeben habe. "Sie hat nicht auf Augenhöhe mit uns verhandelt. Aber wir wollen mit am Verhandlungstisch sitzen und nicht am Katzentisch." Ja, man habe ihnen eine Anhörung angeboten - aber das war den Gewerkschaftern zu wenig. Stattdessen sind sie am Tag vor dem Treffen auf die Straße gegangen, haben einem der Kirchenoberen Unterschriftenlisten überreicht.
Gemeinsame Ziele
Mangelnde Beteiligung? Oberkirchenrat Fey kontert kühl: "Verdi hat sich bedauerlicherweise geweigert, in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen mitzuarbeiten" - anders als andere Gewerkschaften wie der Marburger Bund. Der ist ihrem Sprecher zufolge zwar auch gegen "Zwangsschlichtung und Streikverbot", will aber "den Einfluss, den wir noch haben, wahrnehmen". Die Kirche setzt auch hier auf Einigkeit, verweist auf gemeinsame Ziele: "Wir wollen auch keine prekären Arbeitsbedingungen", sagt Fey, "wir wollen auch keine Altersarmut." Handlungsbedarf gibt es reichlich, nachdem der Zivildienst gestrichen wurde, "die Alten aber trotzdem ihr Mittagessen haben wollen und die Behinderten transportiert werden müssen". Die Folge: Arbeitsbedingungen, die auch Fey mit den Worten "Da hat manchmal die Ökonomie überhand genommen" umschreibt.
Niedersachsen macht es anders
Immerhin hat die Gewerkschaft auch Teilerfolge erzielt. In Niedersachsen zum Beispiel hat die Diakonie den "Dritten Weg" verlassen und ist auf den "Zweiten Weg" umgeschwenkt, mit Verhandlungen zwischen autonomen Tarifparteien, die prompt zu höheren Löhnen führten. Das ist genau das, was die Gewerkschaft will: "Wir wollen ganz weg vom Dritten Weg", sagt Verdi-Kirchenexperte Schuckart-Witsch. Das will die EKD bestimmt nicht. Aber sie hat sich der Realität gebeugt und lässt jetzt auch den zweiten Weg zu.
Karlsruhe hat das letzte Wort
Das ARGG-EKD, wie das Wortungetüm abgekürzt wird, soll 2014 in Kraft treten. Es wird aber auch danach zwischen Kirche und Verdi weiterkriseln. Die Gewerkschaft ist nach den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts gleich weitergezogen, vor das Bundesverfassungsgericht. Das soll klären, wie es mit dem Streikrecht aussieht. Das kann aber dauern: Wann das Urteil gesprochen wird, steht noch nicht fest.