Papst Franziskus steht vor der Basilica Santa Maria Maggiore

Interview zum neuen Papst

"Es wird ein großer Kampf"

Stand: 14.03.2013, 13:00 Uhr

Mit seinem ersten Auftritt hat Papst Franziskus die Menschen am Abend seiner Wahl (13.03.2013) im Sturm für sich eingenommen. WDR-Redakteurin Johanna Holzhauer war auf dem Petersplatz dabei und berichtet von Überraschung, Polonaisen und offenen Fragen.

WDR.de: Dass der neue Papst aus Argentinien kommt, gilt allgemein als Überraschung. War das gestern auf dem Petersplatz spürbar?

Johanna Holzhauer: Absolut. Schon als der weiße Rauch aus dem Schornstein gekommen war, hatte man tausende von Menschen Richtung Petersplatz rennen sehen. Als dann schließlich der Name genannt wurde, herrschte kurz Stille auf dem Platz, fast wie eine Schrecksekunde. Doch dann brach begeisterter Jubel los. Besonders die Italiener haben richtig Stimmung gemacht: Es gab Polonaisen, Chöre, eine unglaubliche Feststimmung.

WDR.de: Und warum ist es überraschend, dass die Wahl auf einen Argentinier fiel?

Holzhauer: Letztlich ist es keine Überraschung, weil ja zuletzt immer wieder gefordert wurde, dass es jetzt mal jemand von einem anderen Kontinent sein müsse. Wobei der Brasilianer Odilo Scherer immer als Hauptfavorit genannt wurde. Bergoglio war dann Überraschung und Hoffnung zugleich: Man merkt schon, dass er einen ganz anderen Stil hat als seine beiden Vorgänger, schon in seinem Auftreten. Er hat auf das Goldkreuz verzichtet und trug statt des Hermelinmäntelchens die einfach weiße Soutane. Da war schon klar: Das ist nicht mehr der Triumphalismus, der in den letzten Jahren zunehmend im Vatikan herrschte, sondern hier kommt jemand, der weiß, was das einfache Leben bedeutet.

WDR.de: Besonders jüngere Katholiken waren zuletzt enttäuscht von der konservativen Haltung Papst Benedikts in vielen aktuellen Fragen. Der Wunsch nach einem Papst, der auch ihrem Leben und Denken nahesteht, war vielfach geäußert worden. Könnte Franziskus diese Hoffnung erfüllen?

Porträt: Johanna Holzhauer

Johanna Holzhauer

Holzhauer: Gestern gab es auch unter den Jüngeren auf dem Petersplatz sicherlich viel Begeisterung. Obwohl er mit seinen 76 Jahren ja schon älter ist und sicherlich moraltheologisch konservativ, ist er doch ein Mann, der den Alltag der Menschen gelebt hat – er wohnte in einer einfachen Wohnung, fuhr jeden Tag mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit, er kennt den Alltag und die Nöte der einfachen Leute aus dem Volk. Man kann wohl davon ausgehen, dass von diesem Papst nicht mehr die dogmatischen Verdammungen kommen werden, wie von seinem Vorgänger.

WDR.de: Im krassen Gegensatz zu dieser Offenheit steht allerdings seine entschiedene Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Ehe, die er als den „Neid des Teufels“ bezeichnet haben soll. Wie ist das einzuschätzen?

Holzhauer: Das ist eine ganz offene Frage. Da müssen wir abwarten, welchen Stil er pflegen, welchen Dialog er innerhalb der Kirche führen wird. Man kann wohl nicht davon ausgehen, dass Franziskus ein rundum liberaler, progressiver Papst sein wird. Die Kardinäle, die ihn gewählt haben, sind in der Mehrheit sehr konservativ und werden niemanden gewählt haben, der ihre moraltheologischen Positionen nicht vertritt. Dennoch war gestern Abend noch von Kardinal Lehmann, der ja wirklich liberal ist, zu hören, er habe große Hoffnung, dass die katholische Kirche mit diesem Papst künftig näher am Alltag der Menschen sein wird.

WDR.de: Für die katholische Kirche geht es zurzeit darum, die richtigen Schritte zu tun, um nicht noch mehr Gläubige zu verlieren. Kann man davon ausgehen, dass der Papst da – quasi PR-technisch – zu seiner Haltung in bestimmten Punkten auch beraten wird?

Holzhauer: Durchaus. Franziskus übernimmt einen Kirchenstaat in desolater Lage: Vatileaks, die dubiosen Praktiken der Vatikanbank, fehlende Transparenz, der Zentralismus. Es wird für ihn ein großer Kampf werden, hier einen neuen Stil einzuführen. Er wird jede Menge Gegner haben, die ihm ein Bein stellen wollen. Er wird sehr klug agieren müssen, aber auch entschieden. Klar ist, dass er das nur in vielen einzelnen Schritten schaffen kann. Da wird sich auch zeigen, ob er gute Berater hat.

WDR.de: Die Rolle Bergoglios während der Militärdiktatur in Argentinien ist ebenfalls nicht ganz geklärt. Er wird beschuldigt, zwei Jesuitenpriester nicht ausreichend vor den Diktaturschergen geschützt zu haben. Ist das gestern in Rom Thema gewesen?

Papst Franziskus

Der neue Papst

Holzhauer: Diese Fragen wurden vor allem auch von argentinischen Journalisten gestellt. In einem Pressegespräch mit argentinischen Kirchenvertretern wurde gesagt, er sei damals nicht in leitender Position gewesen, und es sei nachgewiesen, dass er auch viele Leute vor der Militärdiktatur geschützt haben soll. Es ist offenbar schwer nachzuweisen, ob das stimmt oder ob er da versagt hat. Die katholische Kirche in Argentinien hat in dieser Zeit wohl komplett versagt, das ist ganz klar, die Mehrheit der Hierarchie war auf Seiten der Militärdiktatur. Viele Priester haben sich aber auch dagegen eingesetzt und dabei ihr Leben gelassen. Zumindest gestern Abend auf dem Petersplatz gab es auch von den südamerikanischen Gruppen aber nur Jubel.

WDR.de: Bei seinem ersten Auftritt gestern machte Franziskus einen sympathischen Eindruck: Seine unkomplizierten Worte, seine sanfte Stimme. Welche Wirkung hatte das auf die Menschen auf dem Petersplatz?

Holzhauer: Er hat erstmal gesagt: "Nun sind wir da." So, als ob er selber noch gar nicht glauben konnte, wo er da steht. Man hat ihm angemerkt, dass er eine einfache, bescheidene Persönlichkeit ist, alles andere als ein "First Bischof". Dieser Moment der Stille auf dem Petersplatz, nachdem er die Menschen gebeten hatte, für ihn zu beten, war unglaublich eindrucksvoll. Nach der ersten Überraschung hat er damit die Herzen der Menschen auf dem Platz angerührt, er hat gezeigt: Ich brauche eure Unterstützung. Ich habe hinterher mit ganz vielen Menschen gesprochen, die er damit sehr für sich eingenommen hat. Auch im italienischen Radio heute morgen waren sich die Anrufer einig: Er spricht aus unserem Herzen, er hat uns gestern Abend gezeigt, dass er das Volk versteht.

Das Interview führte Nina Magoley.