"Eigentlich voll die schöne Idee, auf den Weihnachtsmarkt zu fahren, ich wollte sowieso noch Geschenke kaufen. Dann habe ich so einen lauten Knall gehört und plötzlich ist dieser Lkw auf den Platz gerast."
Helfen oder weglaufen?
Die Furcht vor Terroranschlägen wie auf dem Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 ist groß. Trotz zunehmender Sicherheitsmaßnahmen kann niemand hundertprozentig geschützt werden. Was aber, wenn wir mittendrin sind, wenn ein Anschlag verübt wird? - Helfen wir, oder versuchen wir uns in Sicherheit zu bringen?
Hier und Heute -Virtual Documentary "Berlin – Der Anschlag"
In der Virtual Documentary "Berlin – Der Anschlag" geht es nicht um die Tat oder den Attentäter, sondern um die Mitmenschlichkeit der ersten Helfer. Sie wurden durch den Anschlag unmittelbar und zufällig aus ihrem Alltag gerissen und hineingeschleudert in eine traumatische Situation, die ihnen alles abverlangt hat.
Geschichten von drei Ersthelfern
Shufan Huo, 27 Jahre alt, ist Medizinerin und arbeitet in der Forschung an der Charité in Berlin. Shufan ist am Tag des Anschlags auf dem Weihnachtsmarkt, um noch ein paar Einkäufe zu machen und sich anschließend mit Freunden zu treffen. Sie genießt die vorweihnachtliche Stimmung.
Plötzlich fährt der Lkw auf den Weihnachtsmarkt. Bretter zerbersten, Buden fallen auseinander, Menschen sterben oder erleiden schwere Verletzungen. Die zierliche Shufan widersteht dem Impuls vom Platz zu rennen, um sich selbst in Sicherheit zu bringen. Während andere davonrennen, weiß Shufan sofort: Ich muss jetzt helfen.
Marko Voss, 43 Jahre alt, ist gelernter Rettungssanitäter und arbeitet im Sicherheitsbereich der BVG. Am Abend des Anschlags hält er Wache am Bahnhof Zoo. Eine aufgeregte Frau ruft ihm und seinem Kollegen zu, dass am Breitscheidplatz etwas passiert sei.
Erst glauben die beiden nicht, dass die junge Frau die Wahrheit sagt. Ein paar Verrückte am Bahnhof Zoo, das erleben sie täglich. Erst als die Frau weg ist, gehen sie schnellen Schrittes rüber zum Breitscheidplatz und finden eine Verwüstung vor. Marko Voss schreibt später alles auf, um zu verarbeiten, was er erlebt.
Edgar Brauer, 27 Jahre alt, aus Berlin, arbeitet im Sommer in der Gastronomie und im Winter auf dem Weihnachtsmarkt. Das ist sein Rhythmus. Er hat auch schon als Animateur auf Kreuzfahrtschiffen gearbeitet. Edgar mag Menschen. Er ist ein Optimist, wie er sagt.
Am Tag des Terroranschlags arbeitet er mit Frack und Zylinder im Service an einem Glühweinstand. Seine Gäste sind am 19. Dezember in Weihnachtslaune, singen und trinken, als der Lkw plötzlich auf den Breitscheidplatz rast. Für Edgar ist alles wie in einem schlechten Film. Auf einmal hält er eine fremde, verletzte Frau auf seinen Knien.
"Mitempfinden" ohne Effekthascherei
In einer 360°-Dokumentation wird das Geschehen unmittelbar nach dem Anschlag visualisiert. Die Erinnerungen, Gefühle und Erzählungen der Ersthelfer werden übersetzt in skizzenhafte, zurückgenommene Szenen, wobei die einzelnen Wahrnehmungen gezeichnet und animiert sind.
Dabei wird berücksichtigt, dass jeder der Ersthelfer nach dem Ereignis einen anderen Erinnerungsschwerpunkt hat. Und doch ergänzen sich die Erzählungen und werden in der Komposition zu einem organischen Ganzen des Geschehens.
Der Betrachter der VR-Dokumentation kann sich - geführt von den subjektiven Erinnerungen der Ersthelfer und den Tönen der Nacht – in einem erzählerischen Raum bewegen und selbst entscheiden, was er betrachten möchte.