Frau auf einer Waage

Glukose-Diät: effektiv oder nur ein Trend?

Stand: 12.03.2025, 06:00 Uhr

Prof. Dr. Stephan Martin vom Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum klärt, was an der Glukose-Diät wirklich dran ist.

Blutzucker und Insulin: Wie Kohlenhydrate unseren Stoffwechsel beeinflussen

Cola mit Eiswürfeln

Gerade bei Softdrinks steigt der Blutzucker schnell.

Wenn wir essen, steigt unser Blutzucker, und die Bauchspeicheldrüse produziert Insulin. Dieses Hormon öffnet die Zellen, damit der Zucker aus dem Blut dorthin gelangt, wo er benötigt wird. Sollte der Blutzuckerspiegel zu niedrig sein, greift der Körper auf gespeicherte Glukosereserven in Form von Glykogen in Muskeln und Leber zurück. Je mehr Kohlenhydrate ein Lebensmittel enthält und je leichter diese verfügbar sind – wie bei Kartoffelbrei, Reis, Brot oder Süßgetränken – desto schneller und stärker steigt der Blutzucker an, was eine erhöhte Insulinproduktion zur Folge hat. Wenn dieser Prozess ständig wiederholt wird, gewöhnt sich der Körper an das hohe Insulinniveau und reagiert weniger darauf. Zudem hat Insulin einen negativen Einfluss auf den Fettstoffwechsel: Solange es im Blut ist, wird Fett nicht verbrannt, sondern eher eingelagert. Nach einem schnellen Anstieg fällt der Blutzucker oft wieder unter das ursprüngliche Niveau, was Heißhunger, Müdigkeit und Stimmungsschwankungen zur Folge hat.

Der glykämische Index (GI) und die glykämische Last

Der glykämische Index (GI) zeigt, wie stark ein Lebensmittel den Blutzucker beeinflusst. Je niedriger der GI, desto langsamer und weniger stark steigt der Blutzuckerspiegel an. Noch entscheidender ist jedoch die glykämische Last (GL), die den GI mit dem Kaloriengehalt des Lebensmittels multipliziert. Die glykämische Last gibt an, wie viel Insulin der Körper produzieren muss, um das Lebensmittel zu verarbeiten.

Gefahr vor Insulinresistenz und Prädiabetes

Nahaufnahme der Durchführung eines Blutzucker-Tests mit modernem Gerät

Dauerhafte hohe Zuckerwerte können problematisch sein.

Sind die Zuckerwerte im Blut dauerhaft zu hoch, ist das tatsächlich ein großes Problem. Sie schaden Gefäßen und Nerven, lassen uns früher altern und fördern Übergewicht ebenso wie schwere Erkrankungen. Rund jeder fünfte Erwachsene leidet an Prädiabetes. Die Zellen reagieren weniger auf das Hormon Insulin, das heißt, der Zucker aus dem Blut kann weniger gut von den Zellen aufgenommen werden und der Körper produziert immer mehr Insulin. Betroffene nehmen immer schneller zu, da das Insulin die Fettverbrennung blockiert.

Glukose-Diät: effektiv oder nur ein Trend?

Hier und heute 12.03.2025 16:04 Min. Verfügbar bis 12.03.2027 WDR

Die Idee der Glukose-Diät

Die App "Nachrichten" ist auf dem Bildschirm eines Smartphones zu sehen

Die Auswertung der Daten erfolgt mithilfe einer App.

Viele Influencer:innen, allen voran die Französin und selbsternannte Glukose-Göttin Jessie Inchauspé, aber auch einige Mediziner:innen, vertreten die These, dass wir nur darauf achten müssten, die Blutzuckerkurve möglichst flach zu halten, also Blutzuckerspitzen zu vermeiden. Versprochen werden riesige Effekte: Prävention von Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs, besserer Schlaf, keine Stimmungsschwankungen, Gewichtsabnahme, Verbesserung der Fruchtbarkeit, Verlängerung des Lebens und eine schönere Haut.
Da jeder Körper anders auf Essen reagiert, wird empfohlen, für zwei Wochen einen Sensor an der Haut am Oberarm zu tragen, der dauerhaft den Blutzucker misst. Außerdem ein strenges Ernährungstagebuch zu führen, um herauszufinden, wie der Körper auf Nahrungsmittel und Kombinationen reagiert. Das Ganze ist mit einer App kombiniert, die dann die Daten auswertet. Für gesunde Menschen kostet der Sensor mit App zwischen 80 und 150 Euro. Für Diabetiker:innen ist so ein Sensor eine Riesenhilfe - gesunden Menschen schadet er nicht, aber die Gefahr besteht, sich zu sehr aufs Messen und diesen einen Wert zu fokussieren und diesen ohne Vorbildung falsch zu interpretieren.

Die wichtigsten Tipps der Glukose-Diät

  • Ein herzhaftes Frühstück: Lässt den Blutzucker weniger steil ansteigen und hinabsausen und hat Auswirkungen auf den Verlauf innerhalb des Tages. Man hat weniger schnell wieder Hunger.
  • Die richtige Kombination beim Essen: Nie nur Kohlenhydrate allein, sondern Kohlenhydrate immer in Kombination mit Fett oder Eiweiß und Ballaststoffen (Gemüse) essen. Also die Brezel mit Butter, das Stück Kuchen mit Sahne, die Nudeln mit Olivenöl/Fleisch, den Apfel mit Nüssen oder Quark. Und die Kohlenhydrate möglichst komplex verpackt- also Körnerbrot, Hülsenfrüchte statt weißen Nudeln oder Reis.
  • Die richtige Reihenfolge beim Essen: Vor dem Essen immer Ballaststoffe in Form von Gemüse oder Salat essen, am besten roh. Das Süße zum Schluss.
  • Die Bewegung danach: Nach dem Essen direkt eine Runde gehen oder radeln.
  • Essenspausen: Zwischen den Mahlzeiten nichts essen und wenn doch, dann keine Kohlenhydrate, sondern beispielsweise Nüsse. Süßes immer nur am Ende einer Mahlzeit - nicht zwischendurch.

Kritik an der Glukose-Diät

Ein Arzt misst bei einem Patienten den Blutdruck.

Langfristige Auswirkungen sind bisher nicht erforscht.

Jessie Inchauspé ist zwar Biochemikerin, aber keine Diabetologin. Sie beruft sich hauptsächlich auf Studien mit diabeteskranken Menschen oder Tierstudien. Außerdem sind die Studien meist klein und auf Details oder kurzfristige Veränderungen beschränkt und haben keine generelle wissenschaftliche Aussagekraft. Es ist plausibel und gut möglich, dass weniger Blutzuckerspitzen den Organismus weniger belasten und Insulinresistenz vorbeugen. Aber noch fehlen Langzeitstudien. Außerdem reagiert jeder Mensch anders auf Lebensmittel und hat andere Veranlagungen.
Dennoch sind sich auch Diabetolog:innen einig, dass es sinnvoll ist, sich kohlenhydratbewusst zu ernähren und Lebensmittel, die eine hohe glykämische Last haben, zu meiden. Der Blutzucker steigt tendenziell sehr schnell an bei Lebensmitteln und Getränken, die einen hohen glykämischen Index (GI) haben. Dazu gehören zuckerhaltige Getränke wie Limonade, Cola und Fruchtsäfte (vor allem ohne Fruchtfleisch), Weißbrot, Backwaren aus Weißmehl, Kartoffelprodukte wie Pommes frites und Kartoffelbrei, weißer Reis, Süßigkeiten und Schokoladenprodukte oder Müsli mit hohem Zuckeranteil.

Fazit: Es ist nicht alles Unsinn, was die Glukose-Diät verspricht. Im Kern geht es darum, Lebensmittel, die den Blutzuckerspiegel stark ansteigen lassen, zu reduzieren und regelmäßige Essenspausen einzulegen, damit der Körper in die Fettverbrennung kommt. Dafür ist jedoch kein teurer Sensor nötig. Prof. Stephan Martin sagt, die Tipps der Glukose-Influencer:innen seien nicht falsch und für normalgewichtige Menschen durchaus sinnvoll. Die Beschäftigung damit führe dazu, dass Menschen ein besseres Bewusstsein dafür bekämen, wie stark unterschiedliche Lebensmittel die Insulinausschüttung beeinflussen und die gelte es eher zu meiden. Für deutlich übergewichtige Menschen würde das allerdings nicht ausreichen. Hier sei es wichtig, den Kreislauf aus Insulin und Fettverbrennungsblockade zu durchbrechen. Das gelinge nur, wenn eine Zeitlang komplett auf Lebensmittel mit hoher glykämischer Last verzichtet werde. Dann komme der Körper in die Fettverbrennung und die Menschen nähmen ab.