Buchcover: "Frankfurt – Paris – Frankfurt" von Peter Kurzeck

"Frankfurt – Paris – Frankfurt" von Peter Kurzeck

Stand: 20.09.2024, 07:00 Uhr

Postum erscheint ein früher Roman von Peter Kurzeck. Er spiegelt darin die Zeit der späten 1970er Jahre, erzählt er von seinem Weg zum Schreiben, dem Leben in Frankfurt und einer Reise nach Paris. Eine aufregende, beglückende Lese-Erfahrung.

Peter Kurzeck: Frankfurt – Paris – Frankfurt.
Herausgegeben von Rudi Deuble.
288 Seiten, 28 Euro.

"Frankfurt - Paris - Frankfurt" von Peter Kurzeck

Lesestoff – neue Bücher 20.09.2024 05:46 Min. Verfügbar bis 20.09.2025 WDR Online Von Christian Kosfeld


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Der Spätsommer des Jahres 1977. Der Erzähler Peter kommt mit seiner Freundin Sibylle nach Frankfurt. Es ist die Zeit des RAF-Terrors. Peter und Sibylle sind verliebt, haben kaum Geld, Peter hat seinen Job bei der US Army in Gießen aufgegeben. Er will, nein er muss als Schriftsteller leben.

"Ein weißes Blatt Papier eingespannt, auf dem das Mittagslicht zittert. Hin und her in Gedanken. Das bin ich! Und jetzt auf dem weißen Blatt Papier, auf dem das Mittagslicht zittert, mit der Reinschrift der letzten Fassung von meinem ersten Buch anfangen, von dem ich vorher ein paar Jahre lang dachte, es bringt mich um. Immer wieder von vorn angefangen. Rot eine Markise am offenen Fenster, ein Sonnensegel. Mittag, noch warm."

Er schreibt, läuft durch Frankfurt, fährt in die Umgebung, beobachtet die Menschen, die Landschaft, Szenen auf der Straße.

"Du gehst aus dem Haus, das Leben ist fremd. Kastanien, eine Litfaßsäule, der Plakatankleber ist gerade erst dagewesen. Die Schulkinder, Erst- und Zweitkläßler mit ihren Mützen und Jacken und Schulranzen. Alle Hände schon voll Kastanien und die Schulranzen auch voll Kastanien. Die Hosentaschen, die Jackentaschen und auch die Kapuzen. Was will denn der Wind von uns? Zwei Rentner, die nächstens im Lotto gewinnen. Ein türkischer Schäferhund. Ein Säufer mit zwölf Büchsen Büchsenbier."

Neben Sibylle ist sein wichtigster Freund Jürgen. Mit ihm träumt Peter von einem anderen Leben, in Frankreich, Marokko, Irland oder Bilbao. Jürgen zieht tatsächlich an den Sehnsuchtsort Paris. Im Mittelteil des Romans besucht Peter mit Sibylle den Freund, nach einer abenteuerlichen Autofahrt über Land mit Unwettern und Polizeikontrollen.

"Mein Freund Jürgen, da kommt er die Straße herauf, als sei ich es selbst, der da geht. Weit zurück in der Ferne sein Morgen in der Rue Mouffetard und doch erst eben gewesen. An Läden mit Haushaltswaren, Vogelkäfigen, Berufskleidung, Herrenkonfektion, Damenunterwäsche, an Vorstadtkinos, an den Zwanziger Jahren vorbei und da ist ja ein Markt. Das ist doch die Avenue Général-Leclerc. Ein Stück Käse hast du dir gekauft. Einen Vignotte, einen Chaource, einen Chèvre und eine Handvoll Oliven dazu. Und später dann ist das für immer der beste Käse in deinem Leben gewesen."

Peter Kurzeck versuchte, die Zeit selbst zu erzählen, ihr Vergehen, einzelne Momente, sogar ihre Überlagerungen, Verwebungen in der Erinnerung und im Schreiben. Erst jetzt erscheint dieser abgeschlossene Roman aus dem Jahr 1997, der in Kurzecks Nachlass gefunden wurde, mit einem erhellenden Nachwort von Rudi Deuble. Auch in „Frankfurt – Paris -Frankfurt“ zeigt sich schon seine einzigartige Erzählweise und stilistische Brillianz. Ganz am Ende springt er in die Zeit nach der Geburt von Tochter Carina im Jahr 1983. Sie wird Peters Halt und Glück, ihr erzählt er die Welt auf den gemeinsamen Wegen durch Frankfurt.

"Zeit genug! Aus dem Kinderladen Sibylle anrufen. Wenn ich Carina heimbringe, spart sie einen Weg. Und wir, wir hätten für uns, was uns immer bleibt, wie hätten den Heimweg noch, Carina und ich. Vielleicht in der Jordanstraße noch einen Kaffee, damit für Carina ein Übergang, damit sie lernt, wie man den Abschied lernt. Einen Kaffee und sehen, wie es geht. Wieder Mai. Schlaflosigkeit, Staufenberg, das Dorf und mein Buch und für den Pflasterstrand Frankfurt. So sitzt du mit deinem Leben. Und dann steht dein Leben auf und geht ein paar Schritte von dir weg. Das spürst du am Herz."

Peter Kurzeck erklärte: "Wir müssen uns die eigene Lebensgeschichte aus der Erinnerung jeden Tag neu erschaffen." Er wollte die Zeit festhalten, im Schreiben und Erzählen. Es ist ihm mit seinen Büchern gelungen. Mit diesem Roman aus dem Nachlass kann man in die Welt von Peter Kurzeck eintreten, einen weiteren Teil entdecken, vor allem aber eine aufregende, beglückende Lese-Erfahrung machen.