Beatlemania in Germany

Von Ingo Neumayer

Kreischende "Backfische", prügelnde "Halbstarke" und die größte Band der Welt: 1966 gingen die Beatles zum einzigen Mal auf Deutschlandtour – in Essen, München und Hamburg. Die Republik geriet nahe an den Ausnahmezustand.

Beatles live 1966 in München

Am 24. Juni 1966 starteten die Beatles ihre erste Deutschlandtour. Dass es auch die letzte werden würde, konnte man damals allerdings noch nicht ahnen.

Am 24. Juni 1966 starteten die Beatles ihre erste Deutschlandtour. Dass es auch die letzte werden würde, konnte man damals allerdings noch nicht ahnen.

Möglich machte den Kurzabstecher von John, Paul, George und Ringo die Jugendzeitschrift Bravo. Die rührte in ihren Ausgaben monatelang die Werbetrommel für die "Blitztournee" der Beatles. Außerdem beteiligte sich die Zeitschrift an den Kosten der Tournee.

Die Beatles machten am Freitag Station im Münchener Circus Krone, samstags in der Essener Grugahalle und sonntags in der Ernst-Merck-Halle in Hamburg. An jedem Tag spielten sie zwei Konzerte: eines am Nachmittag, eines am Abend.

In München kamen 6.000 Fans zu den beiden Konzerten, in Hamburg 12.000. Am meisten los war in Essen: Die Grugahalle war mit jeweils 8.000 Zuschauern zweimal ausverkauft.

18 DM kostete eine Eintrittskarte – ein Betrag, den die Presse damals scharf als "überteuert" kritisierte. Übrigens: Die Preise für die Paul-Mc-Cartney-Tour 2016 lagen bei bis zu 230 Euro. Wenn man so will also 25 Mal so viel wie damals – für nur ein Viertel der Beatles.

Die Beatlemania erreichte in Deutschland mit der Blitztournee ihren Höhepunkt. Tausende Teenager belagerten die Veranstaltungshallen und trieben sich vor Hotels und Radiostationen herum, in denen die Beatles vermutet wurden.

Stets mit dabei: eine ordentliche Überdosis Hysterie. Die Devise war klar: lieber einmal zu viel als zu wenig kreischen.

Die Polizei setzte Hundertschaften ein, um die Situation unter Kontrolle zu halten. Besonders in Essen war man besorgt. Dort hatten im Jahr zuvor die Fans der Rolling Stones bei einem Konzert in der Grugahalle randaliert. Die Essener Behörden befürchteten ähnliche Szenen und forderten Verstärkung an. 500 Polizisten aus dem ganzen Ruhrgebiet kamen zum Einsatz. Ergebnis: In Essen blieb es ruhig, in Hamburg dagegen kam es am folgenden Tag zu Wasserwerfer-Einsätzen und mehr als 100 Festnahmen.

Neben den sechs Auftritten in drei Tagen hatten die Beatles sogar Zeit für die ein oder andere Pressekonferenz und Preisverleihung – so wie hier mit dem Goldenen Otto der Bravo, den sie als "beste Band der Welt" erhielten.

Nicht nur die Fans, auch die Journalisten sorgten zum Teil für tumultartige Zustände.

Die Laune der Beatles sank in den Fragerunden mit den Journalisten allerdings ziemlich schnell.

Paul McCartney beschwerte sich hinterher über die dümmlichen Fragen, die man ihnen stellte.

Dann doch lieber Songs spielen als sich ausfragen zu lassen. Doch es dauerte, bis die Beatles an der Reihe waren. Vor ihnen traten die Rattles auf, Cliff Bennett & The Rebel Rousers und Peter & Gordon. Die Fab Four beendeten dann den Abend – mit einer Spielzeit von lediglich etwas mehr als einer halben Stunde.

Gerade mal elf Songs gaben John, Paul, George und Ringo zum Besten. Eröffnet wurden die Auftritte mit dem Chuck Berry-Cover "Rock And Roll Music".

Den Schlusspunkt setzte jeweils "I'm Down". Dazwischen gab es Hits vom Schlage "Yesterday", "Nowhere Man", "Paperback Writer", "Day Tripper" oder "I Feel Fine".

Aber auch unbekanntere Songs wie "She's A Woman", "Baby's In Black", "If I Needed Someone" oder "I Wanna Be Your Man" wurden gespielt.

Im Grunde war die Songauswahl aber auch nicht so wichtig. Die Fans im Publikum kreischten so laut und ausdauernd, dass ohnehin nicht viel zu hören und zu erkennen war.

John Lennon & Co., die sich in einem bunten Rolls Royce zur Grugahalle chauffieren ließen, nahmen es gelassen. Hysterie und Starkult waren sie schon gewohnt.

Nach dem Konzert in Essen fuhren die Beatles mit dem Zug nach Hamburg weiter. Und zwar mit einem ganz besonderen: Der Sonderzug der Fab Four wurde normalerweise für Staatsgäste genutzt. Zuvor war die englische Königin in dem luxuriösen Salonwagen unterwegs gewesen.

Mit den Auftritten in Hamburg endete das Beatlemania-Wochenende in Deutschland. Eine weitere Chance, die Band live in Deutschland zu sehen, sollte es nicht mehr geben. Zwei Monate später gaben John, Paul, George und Ringo ihr letztes reguläres Konzert in San Francisco. Die letzten Jahre ihrer Karriere bis 1970 nahmen sie zwar noch wegweisende Platten wie "Sgt. Pepper", "Abbey Road" oder das weiße Album auf. Konzerttouren waren ihnen aber zu anstrengend geworden.

Stand: 20.06.2024, 11:30 Uhr