Wen würden Sie wählen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre? 18 Prozent der Befragten entschieden sich im aktuellen ARD-DeutschlandTrend für die AfD - ein Rekordwert, den die Partei zuletzt im September 2018 erreichte. Interessant ist dabei: Laut der Umfrage ist nur ein knappes Drittel der potenziellen AfD-Wähler von der Partei überzeugt. Für 67 Prozent der Befragten kam die AfD nur in Frage, weil sie von den anderen Parteien enttäuscht waren. Wie kommt das? Fragen und Antworten:
Wie erklärt sich der Umfrage-Erfolg der AfD?
Für den Politologen Thorsten Faas zeigt das Ergebnis die "zwei Reservoire der AfD". Auf der einen Seite gebe es "(rechte) Wähler, die die AfD aus inhaltlichen Gründen wählen", sagte er dem WDR. Und auf der andere Seite die Wähler, die die AfD aus Protest gegen "die da oben" wählten. "Das ist das populistische, das Protest-Element der Partei. Genau das macht die AfD zu einer rechtspopulistischen Partei", so sein Fazit.
Der Parteienforscher Uwe Jun erklärt den aktuellen Erfolg der Partei damit, dass das Thema "Migration" derzeit wieder verstärkt diskutiert werde. "Das ist das Leib- und Magenthema der AfD, davon profitiert sie", sagte er dem WDR. Wenn das Thema Migration auf der Tagesordnung weit oben stünde, könne man immer "Sprünge nach oben für die AfD" konstatieren.
Für den Politologen Michael Schroeder hat der Erfolg der AfD wiederum viel mit der aktuellen Situation zu tun, die durch Inflation, Krieg und allgemeine Veränderungen geprägt sei. Darüber herrsche "Unmut", und diesen mache die AfD sichtbar, sagte er dem WDR.
"Das Kernproblem der Ampel ist, dass SPD, Grüne und FDP einfach wenige gemeinsame Inhalte haben", glaubt Politikwissenschaftler Michael Koß. "Wenn es dann kracht, wie wir es gerade erleben, kann die AfD hergehen und sagen: 'Die etablierten Parteien weichen sowieso alle von ihren Forderungen ab und machen Murks' - und für die AfD geht es zumindest in den Umfragen wieder bergauf", sagte er der ARD.
Die AfD profiliert sich über eine starke Dagegen-Haltung, Lösungsvorschläge kommen von ihr selten. Wird das nur in Umfragen honoriert - oder am Ende auch an der Wahlurne?
Für Thorsten Faas greift es zu kurz, "das jetzt einfach nur als kurzen Proteststurm abzutun, der garantiert keine Konsequenzen für Wahlen hat." Es habe schon bei Wahlen bundesweit, aber auch in bestimmten Bundesländern sehr hohe Werte für die AfD gegeben.
Auch der Politologe Wolfgang Schroeder sieht gegenwärtig eine "Aufwertung" der AfD. Er hält es für durchaus möglich, dass bei den kommenden Landtagswahlen in Ostdeutschland die AfD zur stärksten Kraft werden könnte. Mit einer Regierungsbeteiligung der AfD sei jedoch nicht zu rechnen, so Schroeder. Er sieht derzeit eine "klare Brandmauer", zu der sich die anderen Parteien verbündet hätten.
Warum profitiert die Union als größte Oppositionspartei nicht stärker von der Unzufriedenheit der Wähler?
Aktuelle Umfragen zeigen, dass das Vertrauen in eine CDU-geführte Regierung nicht viel höher wäre als das in die Ampel. Auch das Spitzenpersonal der Union schneidet nicht gut ab. So entstehe eine "Lücke für die AfD", so Faas. "Wenn Menschen keine Alternative sehen zur Regierung, dann steht eben die AfD bereit, um diesen Protest aufzufangen."
Für Politikwissenschaftler Michael Koß wandelt die Union mit ihrer derzeitigen, eher rechtsgerichteten Rhetorik auf einem schmalen Grat. Einerseits gehöre eine solche Zuspitzung zum oppositionellen Handwerk. Auf der anderen Seite bestehe "natürlich immer die Gefahr, dass man Wählerinnen und Wählern damit das Original schmackhaft macht. Und das Original ist bei allem rhetorischen Rabatz, den die Union schlägt, immer die AfD", sagte er.
Laut Christoph Ullrich von der Landespolitik-Redaktion des WDR vertritt die AfD in Teilen Positionen der CDU/CSU aus den 80er und 90er Jahren. Das Problem der Partei sei dabei lange gewesen: "Den Wählern im konservativen Lager war die AfD nicht seriös genug." Das versuche man derzeit zu ändern, glaubt Ullrich. Er beobachtet in der AfD "verstärkte Bemühungen, eine interne Geschlossenheit zu demonstrieren". Man scheine die guten Umfragewerte nicht durch abschreckende Streits gefährden zu wollen. Dazu käme ein Wandel der Partei im Umgang mit der Öffentlichkeit und den Medien, den man beispielsweise an den "bemüht freundlichen Fernsehauftritten Alice Weidels oder Stefan Brandners" sehen könne, so Ullrich.
Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen sieht in der aktuellen Umfrage ein "Desaster" und "Alarmsignal", schrieb er auf Twitter. Die Union sollte sich selbstkritisch fragen, warum sie von einer so großen Unzufriedenheit mit der Regierung nicht profitiere.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja hingegen betrachtet den "harten Kern" der AfD-Anhänger für die Union als nicht erreichbar. "Wir wissen, dass es im ganzen Land schon immer ein rechtsextremes Wählerpotenzial gegeben hat", sagte Czaja den Funke-Zeitungen vom Freitag. "Diesen harten Kern können wir nicht erreichen und das ist auch nicht unser Ziel." Aber unter den AfD-Sympathisanten seien "auch viele Menschen, die einfach enttäuscht sind, die zunehmend das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen verlieren".
Thüringens CDU-Landeschef Mario Voigt riet seiner Partei, auf Protestwähler stärker zuzugehen. "Wir sind in einer Situation, in der die Leute das Gefühl haben: Deutschland wird vor die Wand gefahren", sagte Voigt dem Sender Welt. Gerade bei den Themen Migration und Energie müsse die CDU "Mut haben, auch deutlicher aufzutreten". Wenn die Union ihre Kritik an den Ampel-Plänen und ihre alternativen Vorschläge mit Klarheit vortrage, werde es gelingen, "die AfD klein zu bekommen", zeigte sich Voigt überzeugt.