Ich versuche mal, es auf eine einfache Formel zu bringen: Viele Menschen hier in den USA glauben, dass alle Politiker korrupt sind. Und weil das so ist, wollen sie lieber den korrupten Politiker wählen, der ihre Interessen vertritt. Für die meisten ist die Wirtschaft wichtig. Und da trauen sie Trump mehr zu. Darauf läuft es hinaus.
So wird der Wahlausgang dagegen in Deutschland eingeschätzt:
Und sie haben ja auch Grund, ihrer Regierung und ihren Politikern zu misstrauen. Sie sind über den Vietnam-Krieg und den Irak-Krieg belogen worden. Kennedy hat seinen Gesundheitszustand verheimlicht, Nixon die politischen Gegner ausspioniert. Clinton hat zur besten Sendezeit im Fernsehen Lügen über eine Affäre erzählt. Und dann kam Donald Trump und hat behauptet, dass er diesen Sumpf nun trockenlegen wird. Seine Übertreibungen und Lügen sind schillernd und unterhaltsam. Vor allem aber hat er geliefert. Er hat Steuern gesenkt, den Obersten Gerichtshof mit Konservativen besetzt und er gibt vielen das Gefühl, dass er für das wahre, echte Amerika steht.
Man muss Trump nicht mögen, um ihn zu wählen
Dass Trump ein fehlerhafter Mensch ist, geben auch seine Anhänger zu - und blenden es dann aus. Wie die Frau in North Carolina, eine fromme Christin, die Donald Trump für eitel, ich-bezogen, gefährlich hält - und trotzdem glaubt, dass er Großes für dieses Land tun wird. Oder es gibt die Leute, die sich ihre eigene Wahrheit schaffen. Viele erzählen uns Journalisten zum Beispiel, dass Joe Biden schuld an den hohen Benzinpreisen ist. Nein, die Benzinpreise in den USA gehen ständig auf und ab und der US-Präsident hat darauf nur wenig Einfluss. Und dann ist da natürlich die Geschichte der gestohlenen Wahl. Tatsächlich glauben etwa 70 Prozent der Wähler der Republikaner, dass Trump und nicht Biden die Wahl 2020 gewonnen hat - obwohl sich nirgends, aber auch nirgends Beweise für Wahlbetrug in größerem Stil fanden. Aber das zeigt eben, wie riesig das Misstrauen ist - in die Behörden, die Regierung und alle, die nicht zum Trump-Lager gehören.
Seine Anhänger erzählen uns, dass sie sich von Donald Trump gesehen fühlen - und von den Demokraten nicht. Besonders Männer haben den Eindruck, dass sie und ihre Werte nicht mehr relevant sind, dass es Kamala Harris mehr um die LGBTQ-Community, die Frauen und sogenannten "Randgruppen" geht, als um sie. Gleichzeitig scheinen sich die Frauen immer weiter nach links zu bewegen. Brauchen die Amerikaner jetzt unterschiedliche Dating-Plattformen? Je nach politischer Ausrichtung? In unterschiedlichen Welten scheinen sie jetzt schon zu leben.
Politik spaltet in Amerika Freunde und Familien
Was mich bestürzt ist, dass die beiden Seiten nicht miteinander reden und sich zutiefst misstrauen. Wenn Leute mir erzählen, dass sie mit ihren Freunden nicht mehr sprechen oder ihre Familie nicht mehr besuchen, da komme ich nicht mehr mit. Werden irgendwann alle liberalen Menschen an die West- und Ostküsten ziehen, nach Kalifornien, Oregon, New York oder Maryland? Und die Konservativen verteilen sich in dem großen, dünnbesiedelten Raum zwischendrin, in Montana, Oklahoma und Texas?
Bei manchen ist das Misstrauen so groß, dass sie glauben, gewalttätig werden zu dürfen. Ein paar Mal schon sind Briefkästen angezündet worden, um Stimmzettel zu verbrennen - ein Versuch, die Briefwahl zu sabotieren, bei der angeblich besonders oft betrogen wird. Und immer wieder erzählen uns Menschen überzeugt, dass sie bereit wären, für Trump und das "wahre Amerika" zu sterben.
Alles Ausblenden hilft nicht
Und dann gibt es natürlich noch all die, die überhaupt keine Lust mehr auf dieses Drama haben, die ganze Politik einfach ausblenden und nicht wählen gehen. Besonders Leute unter 30 bleiben oft zu Hause - weil sie sich in keinem der Kandidaten wiedererkennen.
Alles ausblenden - das möchte ich übrigens auch öfter mal. Dass hier in den USA alles politisch aufgeladen ist, das zerrt ganz schön an meinen Nerven. Wenn sogar beim Football ein Spieler mit einer "Make-America-Great-Again"-Kappe ins Bild hüpft, macht das keinen Spaß mehr.
Für Deutschland und Europa wird es so oder so nicht schön. Auch Harris setzt - auf ihre Weise - "America first". Auch sie will sich auf das eigene Land konzentrieren und ihre Wirtschaft durch Zölle schützen. Aber sie wird, anders als Trump, nicht versuchen, die USA wie ein Wirtschaftsunternehmen zu führen. Und sie wird für Recht und Gesetz stehen.
Bei Trump müssen wir auf jedes Wort achten. Er ist auf Rache aus - an den Feinden im Innern, wie er sie nennt, und im Rest der Welt. Mit seinen Zöllen auf alles und jeden kann und will er die Weltwirtschaft durcheinander bringen. Und seine "Freundschaft" zu Russland und Nord-Korea pflegt er unter anderem auch, um Europa einen Denkzettel zu verpassen.
Viele Amerikaner finden das genau richtig. Ob es genug sind, um Trump nochmal zum Präsidenten zu machen, werden wir nach dem 5. November sehen. Egal, ob wir die Entscheidung verstehen oder nicht: Es ist ihr Land.
Wie seht ihr das und wie geht's euch mit Blick auf die anstehenden US-Wahlen? Lasst uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.
Kommentare zum Thema
Wie sagt doch Frau Brand "Das Verhältnis zur Politik ist von tiefem Misstrauen geprägt". Das sieht doch hier nicht viel anders aus. Bevor wir anderen erklären, was richtig und falsch ist, sollten wir doch bitte erstmal bei uns anfangen. Oder soll der Hype um die US-Wahl nur eine Ablenkung sein ?
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