Mehr als zehn Prozent der Pflegeheimbewohner in NRW mit Demenz werden demnach dauerhaft mit ruhigstellenden Medikamenten behandelt. Nur in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz liegen die Zahlen noch höher.
Demgegenüber ist die Lage in vielen ostdeutschen Bundesländern anders - dort erhalten deutlich weniger der Heimbewohner mit Demenz dauerhaft ruhigstellende Medikamente verabreicht.
Auch Pflegebedürftige im Heim ohne Demenz bekamen im Jahr 2021 - dem Zeitpunkt der Datenauswertung - eine problematische Dauerverordnung von Schlaf- und Beruhigungsmittel, in einigen Regionen war das deutschlandweit bei bis zu zehn Prozent der Pflegeheimbewohner der Fall. In anderen Regionen waren es weniger als fünf Prozent. Besonders häufig ist die starke Verwendung von Beruhigungsmitteln den Daten zufolge im Saarland und in NRW, wo 45 der 53 kreisfreien Städte und Landkreise auffällige Ergebnisse haben. Vorsichtiger werden die Mittel in fast ganz Ostdeutschland eingesetzt.
Die Zahlen sind alarmierend. Denn nach AOK-Angaben sollten Pflegebedürftige höchstens vier Wochen mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln behandelt werden. Nicht-medikamentöse Behandlungsformen sollten demnach bei herausforderndem Verhalten von Pflegebedürftigen erstes Mittel der Wahl sein.
Report untersuchte die Daten etwa der Hälfte der stationär Pflegebedürftigen
Warum das Verabreichen von ruhigstellenden Medikamenten regional so unterschiedlich ist, darauf gibt der AOK-Pflege-Report keine Antwort. In die Auswertung waren die Abrechnungsdaten der Krankenkasse eingeflossen. Insgesamt wurden Daten von rund 350.000 Pflegeheim-Bewohnern ab 60 Jahren untersucht. Das entspreche etwa der Hälfte aller stationär versorgten Pflegebedürftigen in Deutschland, hieß es.
Bei Dauereinnahme von Schlaf- und Beruhigungsmittel drohten unter anderem
- Abhängigkeit
- erhöhte Sturzgefahr
- Entstehung von Angstgefühlen
- Depressionen
- Aggressionen
Wenn Pflegebedürftige mit Demenz ruhigstellende Mittel dauerhaft bekommen, drohen ebenfalls schwerwiegende Nebenwirkungen. Bei vielen Betroffenen führe das früher zum Tod. Zudem beschleunigten die Präparate den Abbau von kognitiven Fähigkeiten.
Ärzte und Pflegepersonal müssten sich besser abstimmen
"Ein Problem ist allerdings zweifelsohne, dass sich in Heimen Ärzte und Pflegepersonal bei der Medikamentengabe oftmals nicht ausreichend absprechen", sagt Anne Schneider von der WDR-Wirtschaftsredaktion. Aus ihrer Sicht könnte hier eine elektronische Patientenakte, die es bislang noch nicht gibt, helfen. In eine solche elektronische Patientenakte gehöre die komplette Krankengeschichte eines Menschen. Wenn diese für Pflegepersonal und Ärzte gleichermaßen zugänglich sei, könnte viel passgenauer Patienten Medikamente verabreicht werden.
Regionale Unterschiede ergab die Studie auch in weiteren Bereichen, etwa bei Krankenhausaufenthalten von Demenzkranken wegen Flüssigkeitsmangels.
AOK-Pflegeatlas soll zur Verbesserung der Versorgung beitragen
Laut AOK soll der Qualitätsatlas Pflege zur Verbesserung der Versorgung beitragen und sich vor allem an die Akteure vor Ort richten. "Die Ergebnisse sind teilweise ernüchternd", meinte Thomas Meertz, Bereichsleiter Pflege bei der AOK Rheinland/Hamburg in Düsseldorf. Man wolle darüber mit Vertretern aus Pflege, Ärzte- und Apothekerschaft sprechen.
Quellen:
- AOK-Pflegereport
- Nachrichtenagentur dpa
- Statement von Anne Schneider aus der WDR-Wirtschaftsredaktion