Ein in Brand gesetzter Weihnachtsbaum in einer Stadt im Westen Syriens hat in dem Land für Empörung gesorgt. Hunderte Menschen demonstrierten Augenzeugen zufolge am Montagabend in der Hauptstadt Damaskus und anderen Städten gegen die Tat.
Sie forderten eine nationale Einheit Syriens, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete. Christen und Muslime seien gemeinsam auf die Straße gegangen, sagte Teilnehmer Samer Elias aus Damaskus der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Alle forderten den Schutz der Christen."
Ausgangssperre nach Unruhen in syrischer Stadt Homs
In der syrischen Stadt Homs soll es im Zusammenhang mit den Demonstrationen Unruhen gegeben haben. Staatlichen Medien zufolge ist dort deshalb für eine Nacht eine Ausgangssperre verhängt worden. Eine Stellungnahme der seit dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad herrschenden Islamisten lag zunächst nicht vor.
Minderheiten fürchten Repressionen nach Machtwechsel
Am Montagabend hatten Unbekannte in Al-Sukailabija in der Provinz Hama den Weihnachtsbaum in Brand gesetzt. Eine Person sei festgenommen worden, hieß es aus Kreisen der örtlichen Sicherheitsbehörden. Der Baum solle ausgebessert werden. Es würden keine Beleidigungen irgendeines Teils des syrischen Volkes geduldet.
Nach dem Sturz von al-Assad wird das Land von der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) geführt. Seit der Machtübernahme fürchten Christen und andere Minderheiten Repressionen.
Laut dem ARD-Korrespondenten Matthias Ebert in Damaskus versuchen die neuen Machthaber aber, diese Bedenken zu zerstreuen. Seit dem Zwischenfall mit dem Weihnachtsbaum habe die neue hohe Sicherheitsstandards eingeführt - unter anderem in einem kleinen Ort nahe Damaskus, in dem viele Christen leben. "Ganz hier in der Nähe sind mehrere bewaffnete Kämpfer, die hier den Eingang kontrollieren", sagt Ebert. Bereits an Heiligabend seien sie vor Kirchen und bei Christmetten gewesen, um dort für Sicherheit sorgen.
Priester in Damaskus: "Zweideutige Atmosphäre"
"Wir haben das Recht, Angst zu haben", sagte Priester Andrew Bahi der dpa in Damaskus. Zwar habe HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa, auch bekannt als Abu Mohammed al-Dscholani, nach Assads Sturz wiederholt betont, alle Volksgruppen müssten respektiert und berücksichtigt werden. "Die Atmosphäre bleibt aber weiterhin zweideutig", so Bahi.
Auch die ARD-Korrespondentin Anna Osius ist skeptisch. Bereits vor Weihnachten erzählten ihr Christen und Christinnen in einer katholischen Kirche in Damaskus, dass sie Angst haben. "Dort hatten offenbar schon die Machthaber an die Tür geklopft und gesagt: So wie ihr das sonst macht mit dem Umzug durch die Straßen und fröhlich Glocken läuten, das würden sie nicht so gerne hören", sagt Osius. "Man könne nicht für Ihre Sicherheit garantieren."
Gemischte Gefühle unter Christen
Diese Unsicherheit ist auch in der syrischen Hauptstadt zu spüren. Ein christlicher Bewohner von Damaskus sagte der dpa, bisher habe es keine Beleidigungen oder Auseinandersetzungen mit der von den Rebellen gebildeten Übergangsregierung gegeben. "Wir haben die Geschäfte und Häuser nicht so dekoriert, wie wir es gewohnt sind, obwohl uns niemand davon abgehalten hat", sagte er. Auf Social Media kursierten aber Berichte, die ihm Angst machten.
Laut dem Islamwissenschaftler Matthias Vogt vom Deutschen Verein für das Heilige Land in Köln ist die Zahl der Christen in Syrien bereits seit 2011 um 80 Prozent gesunken. Vor dem Bürgerkrieg habe ihre Zahl bei etwa 1,5 Millionen gelegen. Heute seien es nur noch etwa 250.000, so Vogt in einem Interview mit der ARD.
Eine von ihnen ist Randa Medani, die auch weiterhin in Damaskus leben will. "Persönlich bin ich optimistisch, was die neue Führung angeht", sagte sie der dpa. Es sei ihr egal, ob die neuen Herrscher Muslime oder Christen seien. "Mir ist wichtig, dass es jemand ist, der das Beste für die Menschen will."
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa
- Nachrichtenagentur Reuters
- Interview mit ARD-Journalistin Anna Osius in WDR 5 Neugier genügt
- Interview mit dem ARD-Korrespondenten Matthias Ebert in Damaskus