Ein Entwurf aus dem Bundesbildungsministerium sieht eine "Starthilfe" von 1.000 Euro als einmaligen Zuschuss für bedürftige Studierende sowie die Anhebung von Freibeträgen vor. Zudem soll es einfacher sein, das Studium zu verlängern oder das Studienfach zu wechseln, ohne den Bafög-Anspruch zu gefährden.
Von einer Erhöhung der finanziellen Fördersätze nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) ist im Gesetzentwurf von Anfang Januar aber keine Rede. Das kritisierten am Mittwoch der Dachverband der Studierendenvertretungen (fzs) und die Bundesschülerkonferenz. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) verlangt eine Anhebung der Regelsätze, weil die Inflation die letzte Erhöhung "aufgefressen" habe.
Reform soll ab dem Wintersemester gelten
Die richtige Bafög-Höhe sorgt schon länger für Diskussionen. Die Ampel-Koalition hatte zum Wintersemester 2022/23 den Bafög-Satz für Studentinnen und Studenten - es geht um den Grundbedarf - von 427 Euro auf 452 Euro im Monat angehoben.
Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Grüne und FDP vorgenommen, das Bafög "grundlegend" zu reformieren und "elternunabhängiger" zu machen. Angedacht war etwa eine regelmäßigere Anpassung von Freibeträgen und Bedarfssätzen. Die Reform soll zum nächsten Wintersemester in Kraft treten.
Bildungsministerium verteidigt Pläne
Der Bundestag befasst sich am Donnerstag mit einem Bericht der Bundesregierung zur Überprüfung der Bafög-Bedarfssätze, der die Jahre 2021 und 2022 beleuchtet. Aus Sicht des von Bettina Stark-Watzinger (FDP) geführte Bundesbildungsministeriums sind die aktuellen Bafög-Sätze ausreichend. Voll geförderte Studierende mit Kindergeldanspruch bekämen monatlich bis zu 1.184 Euro an staatlicher Unterstützung. "Studien zufolge gibt ein großer Teil der Studierenden im Schnitt lediglich 986 Euro monatlich aus", erklärte eine Sprecherin.
"Noch nicht berücksichtigt sind dabei weitere Möglichkeiten wie Stipendien, der zinsreduzierte Bildungskredit oder eine geringfügige Nebentätigkeit, die bis zur Minijobgrenze ebenfalls nicht auf das Bafög angerechnet wird." Bafög-Empfänger, die nicht den Höchstsatz erhielten, profitierten zudem von der geplanten weiteren Anhebung der Elternfreibeträge.
Staatliche Förderung in NRW wenig genutzt
Nur wenige Studieren nutzen staatliche Förderung
Aus Sicht von Ulrich Müller vom Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh ist das Bundesausbildungsgesetz allerdings kein Erfolgsmodell. Eigentlich geht es dabei um eine Förderung vom Staat für junge Menschen, die wenig Geld haben während ihrer Ausbildung. Doch dieses Angebot, das die Chancengleichheit in der Bildung fördern soll, wird immer weniger genutzt.
Laut einer Studie des Centrums für Hochschulentwicklung griffen bundesweit im Jahr 2022 maximal 16,2 Prozent aller Studierenden auf Bafög, staatliche Kredite oder Stipendien zurück. In NRW lag dieser Anteil sogar nur bei 15,5 Prozent.
Müller: "Passt immer weniger zur Lebensrealität"
Die Gründe dafür sind demnach vielfältig. "Wir haben ein Bündel von Problemen", sagte Ulrich Müller am Donnerstag im WDR-5-Morgenecho. "Viele wissen überhaupt nicht, welche Angebote es gibt und wie man diese beantragt." Zusätzlich seien viele Studierende gar nicht bafög-berechtigt. Denn die Einkommensgrenzen der Eltern, ab denen Studierende Bafög kriegen, würden zu spät und zu wenig angepasst.
Außerdem passe das Bafög "immer weniger zur Lebensrealität", sagte Müller. Es herrsche immer noch eine Normvorstellung eines Studierenden, der direkt nach dem Abitur anfängt zu studieren, Vollzeit studiert, keine Studiengebühren bezahlt und in der Regelstudienzeit fertig wird. "All das trifft auf die meisten nicht mehr zu."
Forderung nach mehr Geld und neuer Struktur
Für die Zukunft hat Ulrich Müller zwei Vorschläge. Kurzfristig müssten die Fördersätze und Bemessungsgrenzen angepasst werden: "Es muss mehr Geld rein." Sonst reiche es angesichts der Inflation nicht fürs Leben - schon gar nicht in Großstädten.
Mittelfristig müsse, so Müller, eine neues Bafög erfunden werden, das unterschiedliche Lebenslagen, Bildungsbiografien und Studienmodelle berücksichtige. "Damit es wieder für breite Schichten der Bevölkerung die Sicherheit gibt, ein Studium scheitert nichts an Geld."
Unsere Quellen:
- dpa
- WDR-5-Morgenecho
- WDR-Podcast-0630
- Angaben des Centrum für Hochschulbildung