Nahost-Konflikt und Islamismus: Wie erkenne ich, wenn mein Kind sich radikalisiert?
Stand: 02.12.2023, 15:04 Uhr
Immer mehr Menschen suchen Beratung rund um das Thema Islamismus. Die Beratungsstelle Radikalisierung erhält laut eines Medienberichts seit des Terrorangriffs der Hamas auf Israel deutlich mehr Anrufe. Doch wie erkenne ich islamistische Radikalisierung?
Seit den Terrorangriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober rufen im Vergleich zum Vorjahr zehnmal so viele Menschen die Beratungsstelle an. Das sagt der Leiter der Stelle, Florian Endres gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Vor allem Lehrkräfte würden vermehrt anrufen, weil sie Wesensveränderungen bei Schülerinnen und Schülern feststellen. In den Gesprächen gehe es v.a. um den Nahost-Konflikt selbst, Antisemitismus, Israel-Feindlichkeit und extremistischen Gruppen im Nahen Osten.
Was sind erste Anzeichen für eine Radikalisierung?
Erste Anzeichen einer Radikalisierung sind nicht immer sichtbar, schreibt die Beratungsstelle Wegweiser NRW. Aber es gibt einige Verhaltensänderungen, die ein Zeichen sein könnten. Zum Beispiel, wenn ein schüchterner Mensch plötzlich sehr aus sich herausgeht - oder umgekehrt. Auch wenn jemand sich komplett aus seinem Freundeskreis zurückzieht, seine Hobbies aufgibt, kann das ein Hinweis sein - genauso wie der Konsum nur noch einschlägiger Medien.
Bei der Radikalisierung von Kindern und Jugendlichen führt das Violence Prevention Network einige weitere Punkte auf. Wenn bisherige Lebensgewohnheiten abgelehnt werden - zum Beispiel die frühere Kleidung, Musik, Essen oder Schminken - könne dies ein Zeichen für eine Radikalisierung sein. Genauso wie der Rückzug aus Familienaktivitäten oder wenn der Zugang zum Kind verloren geht.
Die Beratungsstelle Radikalisierung nennt dazu noch als Hinweis ein Schwarz-Weiß-Denken, das keine Kritik an der eigenen Auslegung des Islams zulasse und eine zunehmende Aggression, wenn es darum geht, die eigene Religion zu verteidigen. All das können mögliche Anzeichen für eine Radikalisierung sein.
An wen können sich Eltern, Angehörige und Freunde wenden?
Eine bundesweite Anlaufstelle ist die Beratungsstelle Radikalisierung. Sie berät über die Telefonnummer 0911 943 43 43 und vermittelt nach einem Erstgespräch Ratsuchende weiter an Beratungsstellen vor Ort. Ebenfalls per Telefon berät das Violence Prevention Network, über die 0176 461 362 55. Das Netzwerk richtet sich vor allem an Eltern.
Der Wegweiser NRW der Landesregierung bietet Rat per Online-Chat. Es richtet sich an das soziale Umfeld von Jugendlichen, die sich für die islamistische Szene interessieren - sowie an die Jugendlichen selbst. Eine weitere Beratungsstelle in NRW ist die Initiative 180°-Wende. Sie berät Eltern, Lehrkräfte, Vereine und auch betroffene Jugendliche - und das auch auf arabisch, türkisch und in einigen anderen Sprachen.
Was kann helfen?
Alle Beratungsstellen raten vor allem eins: Rufen Sie so schnell wie möglich an. Gemeinsam wird dann geklärt, ob tatsächlich eine Gefahr besteht und welche Schritte sinnvoll sind. Denn zum einen lassen Betroffene oft keine "Einmischung" mehr zu, auch nicht von Verwandten und Freunden. Zum anderen ist jeder Fall anders gelagert und daher auch individuell zu betrachten, so die Beratungsstellen.