Schadet die Niederlage Merz? | WDR aktuell 04:58 Min. Verfügbar bis 01.02.2027

Merz macht Wahlkampf im Sauerland: Heimspiel nach anstrengender Woche

Stand: 01.02.2025, 17:50 Uhr

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz war am Samstag in Bestwig im Hochsauerlandkreis zu Besuch. Bei seinem Wahlkampfauftritt erfährt er von vielen Menschen Zustimmung zu seinem umstrittenen Vorstoß in Sachen Migration im Bundestag. Lokalpolitiker der CDU in verschiedenen NRW-Kreisen sehen das unterschiedlich.

Etwa 150 Menschen empfingen CDU-Chef Merz am Vormittag bei -4 Grad auf dem Rathausplatz der Gemeinde Bestwig. Zu Hause im Sauerland kann er aufatmen: Nach einer Woche, in der er im Bundestag und außerhalb für eine Verschärfung der Migrationsregeln gekämpft hatte - und in einer Woche, in der Tausende Menschen in NRW und in ganz Deutschland gegen die gemeinsame Abstimmung der Union mit der AfD auf die Straßen gegangen waren.

Gespräche zu Migration und Bundestagsabstimmungen

Die Asylpolitik und die jüngsten Debatten im Bundestag standen auch im Zentrum seiner Gespräche mit den Menschen vor Ort. Von einem Großteil erhielt er Zustimmung für sein Handeln. Zwar sagten auch viele, dass es nicht optimal verlaufen, aber trotzdem richtig gewesen sei.

Friedrich Merz (CDU) in Bestwig | Bildquelle: WDR

"Wann soll man denn eine solche Klärung herbeiführen, wenn nicht drei Wochen vor einer Bundestagswahl?", sagte Merz in Bestwig dem WDR zu seinem Vorstoß im Bundestag. Und weiter:

"Jetzt ist Klarheit." Friedrich Merz,
Unionskanzlerkandidat
Zahlreiche Besucherinnen und Besucher beim Wahlkampf von Friedrich Merz auf dem Rathausplatz in Bestwig | Bildquelle: Heinz Krischer

Merz hatte bei zwei Anträgen und einem Gesetzentwurf zur Migration bewusst in Kauf genommen, dass sie durch die in Teilen rechtsextreme AfD eine Mehrheit finden - auch wenn er lieber eine Mehrheit der politischen Mitte bekommen hätte. Einer der Anträge wurde tatsächlich beschlossen.

Applaus für Merz

In Bestwig gab es immer wieder Applaus, wenn Merz erklärte, warum er die Anträge und den Gesetzentwurf zur Abstimmung gegeben hatte. Mehrfach betonte er, dass er weiterhin nicht zu einer Zusammenarbeit mit der AfD bereit sei.

Dass sich zwölf Abgeordnete der Union bei der Abstimmung nicht beteiligten, respektiere er, so Merz auf dem Rathausplatz. Und merkte an: Die meisten von ihnen würden ohnehin nicht dem neuen Parlament angehören, das am 23. Februar gewählt wird.

Abstimmung mit der AfD? "Man muss sehr vorsichtig sein"

Ludger Kineke, CDU-Stadtverbandsvorsitzender für Elberfeld-West | Bildquelle: WDR, Vanessa Kockegei

Breite Deckung also in der sauerländischen Heimat für Merz politischen Kurs - und wie sieht das die CDU-Basis in NRW? Dort gab es in dieser Woche auch nachdenkliche bis zweifelnde Stimmen. "Es kommt letztlich darauf an, dass die Menschen das Gefühl haben, dass wirksame Maßnahmen [Anm. d. Red.: bezogen auf Migrationspolitik] ergriffen werden. Dazu muss man auch entsprechend handeln", so Ludger Kineke von der CDU in Wuppertal, Stadtbezirksverbandsvorsitzender für Elberfeld-West, auf WDR-Nachfrage. "Aber ich glaube schon, dass man sehr vorsichtig damit umgehen muss." Damit meint er vor allem, Anträge mit den Stimmen der AfD zu verabschieden. Er selbst würde das auf kommunaler Ebene nicht so handhaben, sagt er auf Nachfrage.

CDU Münster: "Maximal unangenehm, dass AfD zustimmt"

Stefan Nacke, CDU-Kreisverband Münster | Bildquelle: WDR

"Es gibt Zustimmung und es gibt auch Kritik und es ist für uns alle maximal unangenehm, dass die AfD unseren Anträgen zustimmt", so Stefan Nacke vom CDU-Kreisverband Münster im WDR-Fernsehen. Es ist allerdings auch so, dass es in allen Parlamenten von Europa, Land und Bund immer wieder Situationen gibt, wo die AfD mitgestimmt hat", bemerkt er.

Seine Haltung zur Migration ähnelt der anderer CDU-Politiker, wirkt aber vergleichsweise abwägend: "Das Entscheidende ist eigentlich, dass man sich jetzt auch entscheiden muss und auch bekennen muss, was möchte man in der Migrationspolitik? Wir sind ein Einwanderungsland, wir achten alle Menschen, die zu uns gekommen sind und sich integriert haben, sie sind herzlich willkommen", so Nacke. "Aber es gibt eben auch eine illegale Migration und die muss gestoppt werden."

CDU Essen: "Abstimmung sei kein Tabubruch gewesen"

Florian Fuchs von der CDU Essen | Bildquelle: Johannes Hoppe

Eine andere Haltung zu der Abstimmung mit der AfD hat Florian Fuchs, Mitglied der CDU-Ratsfraktion in Essen und Bundestagskandidat. Er teilt auf WDR-Anfrage mit, die Union dürfe nicht von der AfD abhängig machen, welche Dinge im Bundestag zur Abstimmung gestellt werden. "Man kann nicht richtige Sachen nicht zur Abstimmung stellen, nur aus Angst, dass die falschen zustimmen könnten." Und: Die gemeinsame Abstimmung sei kein Tabubruch gewesen, so Fuchs.

"Wir haben nicht mit der AfD darüber gesprochen. Wir haben nicht mit der AfD verhandelt. Es ist keine Zusammenarbeit, sondern wir haben einen Antrag zur Abstimmung in die Mitte des Bundestages eingebracht", so Fuchs weiter.

Fuchs: "Menschen finden, endlich zeigt Friedrich Merz klare Kante"

Fuchs hebt hervor, dass er von vielen Menschen höre, dass sie "es gut finden, dass Friedrich Merz endlich klare Kante zeigt. Dass endlich auf so schlimme Anschläge, so schlimme Taten wie in Solingen, Magdeburg oder Aschaffenburg, dass da jetzt auch endlich Taten folgen und nicht wieder nur die bekannte Betroffenheitsrhetorik, nicht nur Worte, sondern auch Taten.“ Wie Merz ist Fuchs der Ansicht, dass es ein "Weiter so" in der Migrationspolitik nicht geben könne und dürfe. "Wir sind nicht gewillt, das als neue Normalität zu akzeptieren in unserem Land", so Fuchs.

CDU Lippe: "Kritik von SPD und Grünen vollkommen unangebracht"

Lars Wilhelm Brakhage von der CDU Lippe | Bildquelle: WDR

Ähnlich klingt da auch Lars Wilhelm Brakhage, Vorsitzender im CDU-Kreisverband Lippe. Für ihn sei wichtig, "dass wir klargemacht haben, dass wir dem Kurs der Flüchtlingspolitik von 2015 nicht mehr so folgen wollen und einen echten Migrationswechsel herbeiführen wollen", so Brakhage im WDR-Fernsehen.

Er spricht mit Blick auf die Kritik von SPD und Grünen an der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD teilweise von "Überreaktionen" und hält sie für "vollkommen unangebracht". Sie würde "dem demokratischen Diskurs eher schaden als ihn zu befeuern."

CDU Bad Salzuflen: "Gewalttaten von Zugewanderten stärken vor allem AfD"

Jan Gentemann, Stadtbezirksvorsitzender der CDU Bad Salzuflen im Kreis Lippe | Bildquelle: WDR, Julia Thies

Auch Jan Gentemann, Stadtverbandsvorsitzender von der CDU Bad Salzuflen im Kreis Lippe äußert sich auf WDR-Nachfrage in eine ähnliche Richtung. In seinem Verband gebe es eine klare Haltung: "Nämlich dass wir geschlossen hinter Friedrich Merz stehen." Seine Kollegen würden sagen, es sei wichtig jetzt beim Thema Migration zu handeln. Dabei nichts zu tun, sei nicht weiter hinzunehmen. Am Ende würden durch die Gewalttaten zugewanderter Menschen und die Instrumentalisierung dieser Taten die politischen Ränder gestärkt werden, "vor allem die AfD", so Gentemann.

Es sei richtig, "dass das Thema, was die Menschen am meisten bewegt, und das ist im Moment irreguläre Migation, klar benannt wird und dass Friedrich Merz da jetzt nach vorne geht und die Führung übernehmen will." Diese Führung hätte eigentlich die Ampel-Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) übernehmen müssen, das aber nicht getan, so Gentemann: "Deswegen ist Merz' Vorgehen jetzt richtig!"

Gentemann: "Taten in Magdeburg und Aschaffenburg verunsichern die Leute"

Gentemann berichtet, dass Menschen ihm erzählen, dass sie Angst in der Öffentlichkeit haben: "Erst gestern hat ein Kunde zu mir gesagt, dass er mittlerweile Angst hat zum Beispiel auf ein Stadtfest zu gehen. [...] Die Taten in Madgeburg und Aschaffenburg beschäftigen die Leute und verunsichern sie."

Die Brandmauer zur AfD besteht für Gentemann nach wie vor, trotz der gemeinsamen Abstimmung. "Wir wollen gute Politik für die Menschen machen und da ist es erstmal egal, ob die AfD da zustimmt oder nicht. [...] Wir werden nicht mit der AfD zusammenarbeiten, nur weil sie einen Antrag von uns unterstützt.“

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporter vor Ort
  • WDR-Anfragen bei CDU-Basis in NRW
  • Interview mit Lars Wilhelm Brakhage (CDU) in der Aktuellen Stunde (30.01)
  • Interview mit Stefan Nacke (CDU) in der Lokalzeit Münsterland (30.01)

Über dieses Thema berichten wir auch im WDR-Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr