CDU, SPD, Grüne, FDP und die Wahlprogramme: Wie viel "Tünkram" und wie wird er finanziert?
Aktuelle Stunde . 17.12.2024. 42:44 Min.. UT. Verfügbar bis 17.12.2026. WDR. Von Julius Hilfenhaus.
Was steht in den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl?
Stand: 18.12.2024, 14:14 Uhr
Inzwischen haben mehrere Parteien ihre Programme zur Bundestagswahl vorgestellt. Was sagen sie zu den wichtigsten Themen wie Wirtschaft, Flucht und Zuwanderung, soziale Gerechtigkeit, Klimawandel oder Verteidigung?
Die vorgezogene Bundestagswahl rückt näher. Am Dienstag stellten Union, SPD und Grüne ihre Programme vor, mit denen sie in den Wahlkampf ziehen wollen. Die Papiere von AfD, FDP und Linke sind weitgehend bekannt. Das BSW hat noch kein Programm zur Bundestagswahl veröffentlicht, hat aber auf seiner Homepage programmatische Texte veröffentlicht, auf die wir uns hier beziehen.
Was sind die Kernaussagen der Parteien zu den drängenden Themen Migration, Wirtschaft, Verteidigung, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit? Ein Überblick.
Wirtschaftspolitik
CDU/CSU: "Leistung muss sich wieder lohnen", heißt es bei der Union. Flexiblere Regeln und weniger Bürokratie sollen die deutsche Wirtschaft ankurbeln. Als "Schutzschirm für unsere Wirtschaft" kündigt die Union Instrumente gegen Subventionen an, die den globalen Wettbewerb verzerrten.
SPD: Um das Wirtschaftswachstum wieder anzutreiben, setzt die SPD unter anderem auf günstigere Strompreise. Dafür will sie die Netzentgelte deckeln. Außerdem sollen Firmen Steuererstattungen für Investitionen bekommen. Spitzeneinkommen und -vermögen sollen stärker besteuert werden als bisher.
Grüne: Als zentral für den Erfolg des Wirtschaftsstandorts Deutschland sehen die Grünen ein dauerhaftes Angebot an günstiger, klimagerechter Energie. Dafür sollen insbesondere die Steuern und Abgaben auf Strom weiter gesenkt werden. Investitionen in die Infrastruktur und die Förderung von Innovationen wollen die Grünen ausweiten und unterstützen.
Die AfD fordert die Rückkehr der Kernkraft
AfD: Die AfD plädiert für einen Austritt aus der EU und die Gründung eines neuen "Bundes souveräner Staaten", der sich vor allem als "Wirtschafts- und Interessengemeinschaft" versteht. Auch die bekannte Forderung nach einer Rückkehr der D-Mark findet sich im Programmentwurf. Die Rückkehr zu Kernkraft und fossilen Brennstoffen soll die Versorgung mit günstiger Energie sichern.
FDP: Die Liberalen fordern "tiefgreifende und strukturelle Reformen für eine echte Wirtschaftswende". Dazu gehört für sie unter anderem das Absenken der Unternehmenssteuern auf unter 25 Prozent.
Linke: Eine stärkere Besteuerung von hohen Einkommen und großen privaten Kapitalvermögen sind Kernforderungen der Linkspartei. Konkret fordert das Programm die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und den öffentlichen Nahverkehr. Außerdem soll die Preisgestaltung mit Obergrenzen durch die Politik gedeckelt werden.
BSW: Das Bündnis Sarah Wagenknecht wendet sich gegen eine "von Konzernen beeinflusste und gekaufte Politik", die eine Krise der Marktwirtschaft herbeigeführt habe. Um den wirtschaftlichen Abstieg zu verhindern, seien massive Investitionen in die öffentliche Infrastruktur nötig. Deutschland brauche eine Außenwirtschaftspolitik, die auf Handelsbeziehungen mit möglichst vielen Partnern statt auf neue Blockbildung setzt.
Migration
CDU/CSU: Die Union will umgehend einen faktischen Aufnahmestopp für irreguläre Migranten durchsetzen. Wer aus einem EU- oder Schengen-Staat für einen Asylantrag einreist, soll bereits an der Grenze abgewiesen werden. Dabei helfen sollen zügige Asylverfahren und "eine konsequente Umsetzung der Asylentscheidungen".
SPD: Die SPD setzt sich zwar ebenfalls für "rasche wie konsequente Abschiebungen" ein. Gleichzeitig hofft die Partei zur Stabilisierung der Sozialsysteme auf die Zuwanderung von Arbeits- und Fachkräften aus dem Ausland. Dafür sollen auch Geflüchtete Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen.
Grüne: Die Grünen fordern eine "faire, verbindliche und solidarische Verteilung von Schutzsuchenden in Europa". Abgelehnte Asylbewerber, bei denen keine besonderen Umstände gegen eine Abschiebung sprechen, müssten "zügig wieder ausreisen". Ausreisepflichtige, die schwere Straftaten begangen haben, sollen nach Verbüßung ihrer Strafe "prioritär" abgeschoben werden.
AfD: Die AfD betont in ihrem Programmentwurf ihre bekannten Positionen zur Asylpolitik: Unter anderem fordert die Partei neben der zügigen Abschiebung von Menschen ohne Bleiberecht, dass Asylbewerber und Flüchtlinge statt Geld nur noch begrenzte Sachleistungen erhalten sollen. Für Menschen, die ohne Ausweispapiere einreisen, soll es überhaupt keine Asylverfahren mehr geben.
FDP: Die FDP plädiert für eine "geordnete Migration nach klaren Regeln, die auch durchgesetzt werden". In ihrem Programmentwurf heißt es: "Wir wollen Einwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht in die sozialen Sicherungssysteme."
Linke: Die Linkspartei sieht in Geflüchteten und Migranten derzeit "Sündenböcke" für eine "verfehlte Politik im Sinne der Reichen". Alle Verschärfungen des Asylrechts lehnt die Partei ab. Vielmehr sollten Geflüchtete sofort nach der Einreise eine Arbeitserlaubnis erhalten. Abschiebungen, "insbesondere in Krieg, Verfolgung und Elend oder als Form der Doppelbestrafung", lehnt die Linkspartei ab.
BSW: Das Bündnis dringt auf ein Ende der "irregulären Migration". Wer aus einem sicheren Drittstaat nach Deutschland einreise, dürfe kein Recht auf Aufenthalt und keinen Anspruch auf staatliche Leistungen haben.
Verteidigung
CDU/CSU: Die Union will nach einem Wahlerfolg die Wehrpflicht wieder einführen. Die Verteidigungsausgaben sollen dauerhaft steigen, mindestens auf die von der NATO geforderten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Ukraine soll weiterhin militärisch unterstützt werden. Denn: "Fällt die Ukraine, droht der Angriff auf ein weiteres europäisches Land."
SPD: Auch die Sozialdemokraten stehen zum "Zwei-Prozent-Ziel" der NATO, plädieren aber für einen "flexiblen Wehrdienst", der vor allem auf Freiwillige setzt. Waffenlieferungen an die Ukraine sollen fortgesetzt werden - allerdings auch weiterhin ohne Taurus-Marschflugkörper, um einen direkten Konflikt mit Russland zu vermeiden.
Grüne: Die Grünen wollen den freiwilligen Wehrdienst und die Reserve für eine breite Zielgruppe attraktiver machen und "deutlich mehr" für die Verteidigung ausgeben als zwei Prozent des BIP. Die Ukraine soll weiter finanziell und militärisch unterstützt werden. Ziel sei eine "starke Position" für künftige Friedensgespräche.
AfD: Die Partei will laut Programmentwurf die Wirtschaftssanktionen gegen Russland aufheben. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wird nicht verurteilt. Die Ukraine soll ein neutraler Staat außerhalb von NATO und EU werden. Die Bundeswehr soll finanziell gut ausgestattet und personell verstärkt werden.
FDP: Im Programmentwurf heißt es, die Ukraine müsse sich auch gegen Abschussbasen und Nachschublinien auf russischer Seite mit weitreichenden Waffen verteidigen können. "Daher fordern wir die unverzügliche Lieferung des Marschflugkörpers Taurus."
Linke: Die Linkspartei wendet sich grundsätzlich gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr und gegen Rüstungsexporte. Außerdem spricht sie sich für einen Austritt aus der NATO und den Aufbau eines europäischen Verteidigungssystems aus. Zwar verurteilt die Partei ausdrücklich den russischen Angriffskrieg, lehnt aber Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Stattdessen müsse Deutschland stärker auf diplomatische Lösungen setzen.
BSW: Das BSW verlangt ein Ende der militärischen Unterstützung für die Ukraine. Stattdessen solle ein Waffenstillstand und Friedensverhandlungen im Zentrum der deutschen Bemühungen stehen. Wie die AfD drängt das BSW auf ein das Ende der Wirtschaftssanktionen gegen Russland.
Umweltschutz und Klimawandel
CDU/CSU: Die Union bekennt sich zu den Pariser Klimazielen und zur geplanten Klimaneutralität im Jahr 2045. Gleichzeitig müsse sich Deutschland auf steigende Temperaturen vorbereiten - zum Beispiel im Städtebau oder im Gesundheitssystem. Darüber hinaus verspricht die Union einen wirksamen Schutz bedrohter Arten und Lebensräume sowie der Moore als CO2-Speicher.
SPD: Die Sozialdemokraten werben für einen "Klimaschutz, den sich jeder leisten kann": Unabhängig vom Einkommen müsse jeder "klimaneutral leben und teilhaben können". Einem Comeback der Kernkraft erteilt die Partei eine Absage.
Grüne: Klimaschutz müsse einfacher und bezahlbarer werden, heißt es. Die Grünen wollen deshalb "so schnell wie möglich" ein Klimageld einführen: Mit der Leistung sollen Menschen für die gestiegenen Heiz- und Energiepreise entlastet werden. Die Partei setzt dabei auf Strom aus erneuerbaren Energien.
AfD: Beim Klimawandel zeigt sich die Partei weiter skeptisch: Der Anteil des Menschen daran sei "wissenschaftlich ungeklärt". Die Partei wolle deshalb "aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen". Zudem müsse im Autoverkehr "die einseitige Bevorzugung von Elektromobilität" sofort enden.
FDP: Die Liberalen sprechen sich gegen das Ziel aus, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen und wollen sich am EU-Ziel 2050 orientieren. Das Verbrenner-Verbot ab 2035 bei Neuzulassungen soll aufgehoben werden.
Linke: Die Linkspartei plädiert für eine soziale Klimapolitik, deren Lasten nicht von den einfachen Bürgern, sondern von den "Superreichen und Energiekonzernen, die mit der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen Profite machen" getragen werden. Darüber hinaus fordert die Partei mehr Busse und Bahnen zu möglichst niedrigen Preisen.
BSW: Das Bündnis will den CO2-Preis abschaffen, Subventionen für Erneuerbare streichen und mehr fossile Energie nach dem "Kriterium des niedrigsten Preises" nach Deutschland importieren. Stattdessen soll die Entwicklung "innovativer Schlüsseltechnologien für eine klimaneutrale" Zukunft forciert werden.
Soziale Gerechtigkeit
CDU/CSU: "Wer arbeiten kann, muss auch arbeiten und darf nicht auf Kosten der Gemeinschaft leben", betont die Union. Um dieses Ziel zu fördern, soll das Bürgergeld in seiner aktuellen Form abgeschafft und durch eine "Neue Grundsicherung" ersetzt werden. Wer sich weigert, eine Arbeit anzunehmen, müsse damit rechnen, dass die Grundsicherung komplett gestrichen wird.
SPD: Eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro und eine Senkung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel sind zentrale Forderungen der Sozialdemokraten. Zur Finanzierung sollen Menschen mit hohem Einkommen einen größeren Beitrag leisten.
Grüne: Auch die Grünen wollen 15 Euro Mindestlohn durchsetzen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum. Dazu sollen Mieterrechte gestärkt werden und die Mietpreisbremse verlängert und ausgeweitet werden.
AfD: Das Bürgergeld hält die AfD für gescheitert und verspricht, "resolut" gegen Missbrauch vorzugehen. Sie will stattdessen mit einer "aktivierenden Grundsicherung" insgesamt "hunderttausende arbeitsfähige Bürgergeldempfänger in den Arbeitsmarkt zurückbringen". Anspruch auf Arbeitslosengeld soll es nicht mehr nach einem, sondern erst nach drei vollen Beitragsjahren geben.
FDP: Die Liberalen wenden sich gegen einen Mindestlohn, der von der Politik festgelegt wird. Das Bürgergeld soll grundlegend reformiert werden - unter anderem mit schrittweisen Sanktionen gegen Bezieher, die zumutbare Arbeit nicht annehmen.
Linke: Die Linkspartei geht in die Gegenrichtung: Sie will das Bürgergeld zu einer "sanktionsfreien Mindestsicherung" ausweiten: in Höhe von 1.400 Euro monatlich für Alleinstehende inklusive Miete und Wohnkosten.
BSW: Die Privatisierung und Kommerzialisierung in den Bereichen Gesundheit, Pflege oder Wohnen müsse gestoppt werden, fordert das BSW. Notwendig sei außerdem ein Steuersystem, das Geringverdiener entlastet und verhindert, dass große Konzerne und Superreiche sich der Verantwortung für die Finanzierung des Gemeinwesens entziehen.
Unsere Quellen:
- Wahlprogramme und Programmentwürfe, die der ARD oder Presseagenturen vorliegen, sowie Homepages der Parteien
- Deutsche Presse-Agentur
- Agence France Press