Der gebürtige Bayer Joseph Ratzinger trat im Jahr 2013 freiwillig von seinem Amt zurück – als zweiter Papst überhaupt in der Geschichte der katholischen Kirche. Seitdem lebte er relativ abgeschieden in einem Kloster im Vatikan, in dem er nun auch starb. Sein Leichnam soll ab Montag im Petersdom aufgebahrt werden. Die Trauermesse findet am Donnerstag auf dem Petersplatz in Rom statt.
In seinem Testament bedankte sich der ehemalige Papst, aber er bat auch um Verzeihung. Er danke Gott, der ihm das Leben geschenkt und ihn durch vielerlei Wirrnisse hindurchgeführt habe, schrieb er in seinem geistlichen Testament, das der Vatikan am Samstagabend veröffentlichte. "Betet für mich, damit der Herr mich trotz all meiner Sünden und Unzulänglichkeiten in die ewigen Wohnungen einlässt."
Franziskus: "Eine so großherzige und gütige Person"
Papst Franziskus würdigte seinen verstorbenen Vorgänger am Samstagabend bei einer Messe im Petersdom. Er sei "dankbar für all das Gute, das er vollbracht hat" und erinnere sich an Benedikt als eine "so großherzige und gütige Person", sagte Franziskus.
Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete den verstorbenen Papst Benedikt XVI. in einer ersten Reaktion als besonderen Kirchenführer. Die Welt verliere eine streitbare Persönlichkeit. Der Vorsitzende der katholischen deutschen Bischofskonferenz, Geog Bätzing, sagte, Benedikt sei ein beeindruckender Theologe gewesen. Die evangelische Kirche in Deutschland würdigte Benedikts intellektuelle Prägnanz.
Hendrik Wüst: "Profiliertester Theologe des 20. und 21. Jahrhunderts"
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat den verstorbenen Papst als eine "historische Persönlichkeit der Kirchengeschichte und einen der profiliertesten Theologen des 20. und 21. Jahrhunderts" gewürdigt. Als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche und herausragender Theologe werde Joseph Ratzinger "in das kollektive Gedächtnis der deutschen Geschichte eingehen", teilte Wüst am Samstag mit.
Erst im April 2005 war Joseph Ratzinger Papst geworden, nur vier Monate später kam er als Benedikt XVI. erstmals nach Deutschland. Am 18. August landete er auf dem Flughafen Köln-Bonn.
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Kardinal Woelki: "Benedikt XVI. prägte Kirche auf prophetische Weise"
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat den verstorbenen ehemaligen Papst als "großen Theologen unserer Zeit und als umsichtigen und weitblickenden Menschen" gewürdigt. "Ich habe ihn als einen tiefen geistlichen Denker schätzen gelernt", erklärte er am Samstag. Seine Theologie habe unzählige Menschen in ihrem Glauben geprägt und bestärkt, so der Erzbischof. Sein Lebensweg sei eng mit den großen kirchlichen Ereignissen unserer Zeit verknüpft gewesen. "Dabei prägte er die Kirche von heute auf prophetische Weise", betonte Woelki.
Trotz sehr unterschiedlicher Auffassungen in zahlreichen theologischen, kirchlichen und gesellschaftlichen Fragen würdigt auch der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, Benedikt in einem Kondolenzschreiben als "eine beeindruckende Persönlichkeit und eine herausragende Gestalt in der Geschichte des Christentums des 20. und 21. Jahrhunderts".
Als Zeichen der Trauer erklang die größte Glocke des Kölner Doms, die "Dicke Pitter" genannte Petersglocke. Auch in Bonn wurde die Totenglocke des Münsters geläutet.
Erster deutscher Papst seit 480 Jahren
Der Gesundheitszustand Benedikts hatte sich zuletzt verschlechtert. Joseph Ratzinger war am 19. April 2005 als Nachfolger von Johannes Paul II. zum Papst gewählt worden. Er war der erste deutsche Papst seit etwa 480 Jahren.
Knapp acht Jahre nach seiner Wahl trat Benedikt in einem spektakulären Schritt freiwillig zurück - als erster Papst seit mehr als 700 Jahren. Er begründete den Schritt mit seinem fortgeschrittenen Alter und seiner angeschlagenen Gesundheit. Ihm fehlten die Kräfte für das anspruchsvolle Amt, sagte Ratzinger damals.
Viel Kritik wegen konservativem Kurs
Während seines Pontifikats führte Benedikt den konservativen Kurs seines Vorgängers fort. Er stemmte sich gegen eine Modernisierung der Kirche, was ihm viel Kritik einbrachte. Die anfängliche Begeisterung der Deutschen schwand. Seine Amtszeit wurde von Missbrauchsskandalen überschattet, die die katholische Kirche in eine tiefe Krise stürzten.
Vorwürfe in Zusammenhang mit Missbrauchsfällen
Schon weit vor Beginn seines Pontifikats prägte Benedikt die katholische Kirche. Seine strenge Haltung zu Themen wie Geburtenkontrolle, Abtreibung oder Zölibat lehnten zahlreiche Gläubige insbesondere in Europa ab. In anderen Teilen der katholischen Weltkirche erfuhr die konservative Linie dagegen Unterstützung.
2022 geriet auch sein Umgang mit Missbrauchsfällen in der Zeit als Erzbischof von München und Freising (1977-1982) in die Schlagzeilen. Ein vom Münchner Erzbistum in Auftrag gegebenes Gutachten warf ihm Fehlverhalten in vier Fällen vor. In einem öffentlichen Brief entschuldigte sich Benedikt etwas später bei allen Opfern sexualisierter Gewalt.
Zuvor war es um den Papst im Ruhestand still geworden. Öffentliche Auftritte gab es von Benedikt zuletzt nicht mehr. Seinen 90. Geburtstag feierte er 2017 noch einmal mit einer Delegation aus der bayerischen Heimat. Danach empfing er Besuch im Kloster Mater Ecclesiae nur noch vereinzelt. In den letzten Jahren befand er sich nach eigenen Worten auf einer Pilgerreise "nach Hause".