Ein aufgeschlagenes Exemplar von Adolf Hitlers "Mein Kampf"

Ehrenbürger Adolf Hitler: Warum NRW-Städte sich nicht distanzieren

Stand: 24.09.2024, 07:17 Uhr

Tausende Städte und Gemeinden hatten Hitler einst die Ehrenbürgerwürde verliehen - auch Bad Honnef. Schüler fordern nun eine Distanzierung des Stadtrats. Eine klare Aberkennung ist aus juristischen Gründen oft nicht möglich.

Von Andreas PoulakosAndreas Poulakos

Eine zehnte Klasse des Siebengebirgs-Gymnasium in Bad Honnef will ihre Stadt von einer historischen Altlast befreien. Mit einem Bürgerantrag wollen die Schüler dafür sorgen, dass sich die 25.000-Einwohner-Stadt bei Bonn offiziell von ihrem Ehrenbürger Adolf Hitler lossagt. Am Montag reichten sie einen entsprechenden Antrag bei der Stadt ein, zusammen mit mehr als 1.300 Unterschriften von Unterstützern. Damit ist gesichert, dass der Stadtrat das Thema bald auf die Tagesordnung setzen und darüber abstimmen muss.

Adolf Hitler immer noch Ehrenbürger in Bad Honnef

WDR Studios NRW 24.09.2024 00:38 Min. Verfügbar bis 24.09.2026 WDR Online


Kein Einzelfall

Bad Honnef ist kein Einzelfall. Mehrere Tausend Städte und Gemeinden im Deutschen Reich hatten Hitler einst die Ehrenbürgerwürde verliehen. Viele von ihnen haben sich bis heute nicht ausdrücklich von der Entscheidung distanziert. In vielen Fällen könnte die Ehrung vor 80 oder 90 Jahren auch schlicht in Vergessenheit geraten sein.

In Bad Honnef sieht es etwas anders aus. Dort hatte dem Stadtrat bereits im Jahr 1982 ein Antrag der Grünen vorgelegen, Hitler die Ehrenbürgerschaft posthum zu entziehen. Zur Abstimmung kam der Antrag aus juristischen Gründen jedoch nie.

Ehrenbürgerwürde erlischt mit dem Tod

Das Problem liege in Paragraf 34 der Gemeindeordnung, erklärt Andreas Wohland, Beigeordneter beim Städte- und Gemeindebund NRW. Zwar könne ein Stadtrat in NRW jederzeit die Entziehung des Ehrenbürgerrechts mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschließen. Das sei aber nur bei lebenden Personen möglich, weil die Ehrenbürgerwürde mit dem Tod des Geehrten ohnehin erloschen sei. "Danach ist nur noch eine offizielle Distanzierung von der damaligen Entscheidung möglich."

Allerdings gibt es auch Ausnahmen von dieser Regel. So stellte zum Beispiel der Kölner Stadtrat im Jahr 1989 fest, dass alle von 1933 bis 1945 verliehenen Ehrenbürgerwürden nichtig sind - damit auch die von Hitler. Weil SA und SS am Tag der Abstimmung in Uniform zum Rathaus marschiert waren und so eine Drohkulisse aufgebaut hatten, sei eine freie demokratische Willensbildung nicht möglich gewesen.

Für viele Städte eine Peinlichkeit

Vielen Städten und Gemeinden sei die Angelegenheit möglicherweise auch so peinlich, dass sie eine öffentliche Diskussion scheuten, vermutet der Historiker Martin Sabrow vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam: "Wenn Menschen in der New York Times lesen, dass Bad Honnef Adolf Hitler die Ehrenbürgerschaft im Jahr 2024 aberkennt, dann wirft das vermutlich irritierte Rückfragen auf."

Der Historiker Martin Sabrow

Martin Sabrow

Die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit lohne sich für Kommunen trotzdem, betont Sabrow im Gespräch mit dem WDR. "Es ist wichtig, die Spuren Hitlers zu tilgen, wo immer man es im symbolischen Bereich tun kann." Durch eine Erklärung des Stadtrats, dass sich die Kommune von der damaligen Entscheidung distanziert, setze man ein klares Zeichen.

Auch weil sich die Stadt Honnef durchaus noch mit anderen ehemaligen, weil verstorbenen Ehrenbürgern identifiziere, so Sabrow. Im Rathaus von Bad Honnef hingen Fotos von ehemaligen Ehrenbürgern an der Wand, zum Beispiel von Bundeskanzler Konrad Adenauer. "Niemand käme auf die Idee, diese Bilder zu entfernen, weil die Ehrenbürgerwürde juristisch erloschen ist." Eine förmliche Distanzierung von Hitler zeige, "dass dieser braune Fleck auf dem Schild der Stadt Bad Honnef beseitigt ist".

Über dieses Thema berichten wir am Montag auch in den Radioprogrammen des WDR.

Unsere Quellen

  • Einwohnerantrag auf Widerruf des Ehrenbürgerrechts für Adolf Hitler
  • Deutsche Welle
  • Interviews mit Andreas Wohland und Martin Sabrow
  • Stadt Köln

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