Ministerpräsidentin Hannelore Kraft will bei der Aufklärung des Silvester-Debakels in Köln in die Offensive kommen. Dafür geht die SPD-Politikerin am späten Mittwochabend einen sehr ungewöhnlichen Weg, wie am Freitag (27.05.2016) bekannt wurde. In einer im Internet veröffentlichten eidesstattlichen Erklärung hat sie versichert, dass sie vor dem 4. Januar mittags keine Kontakte mit dem Innenminister und ihrer Hausspitze in Bezug auf die massenhaften Übergriffe in Köln hatte. Die Erklärung geht einher mit der Weigerung, Telekommunikations-Daten der Regierung öffentlich zu machen. Dies hatte die Opposition von Kraft verlangt.
Regierung veröffentlicht Erklärungen
Fünf weitere gleichlautende Erklärungen sind auf der Seite der Staatskanzlei ebenfalls veröffentlicht: von Innenminister Ralf Jäger (SPD) und seinem Staatssekretär, dem Staatskanzleichef und seiner Staatssekretärin sowie dem Regierungssprecher. Der "Untersuchungsausschuss Silvesternacht" des Düsseldorfer Landtags prüft seit 100 Tagen unter anderem, ob Kraft und Jäger schon früher über die Dimension der Vorfälle Bescheid gewusst und zu spät reagiert haben.
Kraft: "Haben den Weg der Transparenz gewählt"
Nach Angaben der Staatskanzlei sagte Kraft dazu am Freitag während eines Auslandsbesuchs in Estland: "Wir haben jetzt den Weg der Transparenz gewählt." Eine umfangreiche Dokumentation, die die Staatskanzlei gleich nach der neuen Material-Anforderung des Ausschusses am vergangenen Mittwoch ins Internet gestellt habe, soll allen Bürgern ermöglichen, sich selbst ein Bild zu machen. "Da steht nicht viel Neues drin, sondern das ist Vieles von dem, was wir auch vorher schon immer wieder gesagt haben", sagt Kraft.
Regierung sagt Nein
Die Ministerpräsidentin weigert sich jedoch, dem Untersuchungs-Ausschuss zur Aufklärung Daten über sämtliche von ihr und ihrer Hausspitze bis zum 15. Januar geführten Telefonate vorzulegen. Das geht aus einem Brief der Staatskanzlei an den Ausschussvorsitzenden Peter Biesenbach (CDU) hervor. Das Schreiben liegt dem WDR vor. Die Amtschefin der Staatskanzlei, Anja Surmann, lehnt die von CDU und FDP beantragte Forderung in ihrem Schreiben aus mehreren Gründen ab. Unter anderem führt Surmann das "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" an. Außerdem schütze die Landesverfassung Abgeordnete vor der Durchleuchtung ihrer Kommunikation. Dies gelte auch für Kraft. Ebenso geschützt sei der Kernbereich des Regierungshandelns. Dem Schreiben angefügt sind die eidesstattlichen Versicherungen der Regierungsmitglieder. Sie liegen somit offiziell dem Ausschuss vor.
CDU rügt Vorgehen
Die CDU kritisierte das Vorgehen der Landesregierung. "Die Ministerpräsidentin selbst hat den Opfern und der Öffentlichkeit eine lückenlose Aufklärung zugesagt. Voraussetzung dafür ist, dass dem Ausschuss die notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Niemand versteht, warum das nicht möglich sein soll", sagte die Landtagsabgeordnete Ina Scharrenbach, Sprecherin der CDU im Untersuchungsausschuss. Man erwarte ausdrücklich nur Informationen über die dienstliche Kommunikation der Mitglieder der Landesregierung und der Verwaltung zum Untersuchungsgegenstand. "Der private Bereich sowie Kommunikation zu anderen Themen sind von unserem Antrag nicht betroffen."
Scharfe politische Auseinandersetzung
Mit dem überraschenden Vorstoß Krafts dürfte der politische Streit im Untersuchungsausschuss weiter an Schärfe gewinnen - zumal 2017 die Landtagswahl ansteht. Zuletzt hatte Rot-Grün bereits Ermittlungen wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses verlangt, da aus dem Düsseldorfer Landtag vertrauliche Unterlagen zur Kölner Skandalnacht den Medien zugespielt worden waren. Eidesstattliche Versicherungen - wie Ministerpräsidentin Kraft sie jetzt vorlegt - sind bei juristischen Streitigkeiten üblich. Im politischen Raum sind sie eher selten. Ein prominentes Beispiel aus der Vergangenheit: Im Jahr 2000 hatte der damalige CDU-Bundesvorsitzende Wolfgang Schäuble eine eidesstattliche Versicherung in der CDU-Spendenaffäre abgegeben.
Was ist eine eidesstattliche Versicherung?
Sollen Behauptungen in der Öffentlichkeit untermauert werden, werden oft eidesstattliche Versicherungen abgegeben. Sie werden umgangssprachlich auch als eidesstattliche Erklärung bezeichnet. Sie sind ein Mittel, die Richtigkeit von Aussagen zu beteuern, für die in der Regel keine anderen Beweismittel vorgelegt werden können.
Wer eine falsche Versicherung an Eides statt abgibt, kann nach Paragraf 156 des Strafgesetzbuches mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe belegt werden. Wird das Vergehen fahrlässig begangen, reicht der Strafrahmen von fünf Tagessätzen Geldstrafe bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Zur Bestrafung kommt es jedoch nur in Ausnahmefällen. Das Gesetz sieht sie nur dann vor, wenn eine unwahre Eidesstattliche Versicherung "vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides statt zuständigen Behörde" abgegeben wird. Bei Strafverfahren ist im Sinne dieser Bestimmung ausschließlich das Gericht die zuständige Behörde.