Wer sich dafür interessiert, was sich unter der neuen Bundesregierung für Familien ändert, hat gestern bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags nicht allzu viel Konkretes erfahren. "Familien stehen im Mittelpunkt", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil zwar vielversprechend - aber was heißt das?
Die neue schwarz-rote Koalition hat ihre Vorhaben in einem Koalitionsvertrag festgehalten. Der ist allerdings eher als ein Wunschzettel anstatt eines Vertrags zu verstehen: Alle Vorhaben sollen nur dann beschlossen werden, wenn sie finanzierbar sind. Ein Überblick.
- Elterngeld soll erhöht werden
- Investitionen in Kitas und Schulen
- Steuerentlastungen und Zuschuss für Haushaltshilfen
- Kinderzuschlag und Teilhabe-App
- Alleinerziehende sollen entlastet werden
- Mutterschutz für Selbständige soll kommen
- Schwangerschaftsabbrüche
- Kindergeld
- Was sind die ersten Reaktionen auf die Ankündigungen?
Elterngeld soll erhöht werden
Wer nach der Geburt eines Kindes nicht oder nur wenig arbeitet und mit seinem Partner nicht zu viel verdient, hat Anspruch auf Elterngeld. Union und SPD wollen sowohl den Mindestsatz von 300 Euro als auch den Höchstbetrag von 1.800 Euro anheben. Genaue Zahlen nennen die Parteien aber nicht.
Väter sollen dazu ermutigt werden, mehr "alleinige Verantwortung" in Form von Vätermonaten zu nehmen. Das Elterngeld könnte also zum ersten Mal seit seiner Einführung 2007 steigen. Durch die hohe Inflation in den vergangenen Jahren ist das Elterngeld mittlerweile viel weniger wert.
Investitionen in Kitas und Schulen
Die Investitionen sollen "massiv" sein, steht im Koalitionsvertrag. Konkrete Zahlen werden nicht genannt. Das sogenannte Startchancen-Programm soll von Schulen auf Kitas ausgeweitet werden, das heißt: Kitas in benachteiligten Stadtteilen sollen besser mit Personal und Geld ausgestattet werden, um die Chancengleichheit zu erhöhen.
Union und SPD schreiben auch, dass die sogenannten "Sprach-Kitas" wieder eingeführt werden sollen. In diesen Einrichtungen sollen besonders Kinder mit Sprachförderbedarf gefördert werden. Die Sprach-Kitas gab es schon von 2016 bis 2023 - das Programm wurde aber von der Ampel-Regierung eingestellt.
Steuerentlastungen und Zuschuss für Haushaltshilfen
CDU, CSU und SPD planen eine Steuerreform, die kleine und mittlere Einkommen entlasten soll - und zwar ab der Mitte der Legislaturperiode, also etwa in zwei Jahren. Doch genauer werden sie nicht: Wer genau künftig wie viel weniger abdrücken muss, ist offen.
Steuererleichterungen wurden auch für Gastronomie und Unternehmen angekündigt. Diese wurden bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags deutlich hervorgehoben. Es wird sich zeigen, welche Gruppe die vermutlich kommende schwarz-rote Koalition als erstes entlastet.
Außerdem ist im Koalitionsvertrag von einem jährlichen Familienbudget für Alltagshelfer für Familien mit kleinen Kindern und/oder pflegebedürftigen Angehörigen mit kleinen und mittleren Einkommen die Rede. So soll ein Teil der Kosten für Haushaltshilfen oder Babysitter übernommen werden und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung solcher Alltagshelfer attraktiver werden. Eine ähnliche Bezuschussung hatte auch schon die Ampel-Regierung geplant, aber nicht umgesetzt.
Kinderzuschlag und Teilhabe-App
Mehr Familien sollen künftig Anspruch auf den Kinderzuschlag haben, denn die Einkommensanrechnung soll für Familien günstiger gestaltet werden. Wenn ein Elternteil mal mehr verdient, soll der Anspruch auch weniger plötzlich enden als bisher, sondern schrittweise reduziert werden.
Mit einer Teilhabe-App sollen Kinder aus armen Familien günstig an Hobbys wie Sport und Musik teilnehmen können. Der Betrag, den arme Familien dafür als monatlichen Zuschuss bekommen sollen, soll von 15 auf 20 Euro angehoben werden. Musikunterricht kann man davon eher selten bezahlen.
Alleinerziehende sollen entlastet werden
Alleinerziehende sollen steuerlich stärker entlastet werden. Der steuerliche Entlastungsbetrag solle "weiterentwickelt" werden, steht im Koalitionsvertrag auf Seite 45. Er beträgt 4.260 Euro pro Jahr, die Ampel-Regierung hatte ihn leicht erhöht.
Der Unterhaltsvorschuss soll für Alleinerziehende indirekt erhöht werden, indem das Kindergeld nur noch zur Hälfte vom Unterhaltsvorschuss abgezogen wird. Wenn der Partner keinen Unterhalt zahlt, soll in Zukunft also mehr vom Unterhaltsvorschuss übrig bleiben.
Gespräch mit Lena Sterz zur Familienpolitik im Koalitionsvertrag in der Sendung "Politikum". WDR Studios NRW. 10.04.2025. 05:52 Min.. Verfügbar bis 12.04.2027. WDR Online.
Mutterschutz für Selbständige soll kommen
Auch Selbständige sollen künftig Anspruch auf Mutterschutz haben und finanziell dafür entschädigt werden, wenn sie vor und nach der Geburt nicht arbeiten. Die Koalitionäre schreiben, sie wollen Finanzierungsmodelle dafür prüfen.
Bisher haben Selbstständige nur Anspruch auf Elterngeld. Vor der Geburt arbeiten deshalb viele wegen des fehlenden Mutterschutzes solange es geht.
Schwangerschaftsabbrüche
Es soll eine wohnortnahe Versorgung sichergestellt werden, heißt es auf Seite 102 des Koalitionsvertrag. Zudem sollen die Krankenkassen bei einer Abtreibung mehr Kosten übernehmen als bisher.
Die Ampel-Regierung hatte geplant, das Recht auf Abtreibung grundlegend zu reformieren und zu entkriminalisieren. Schwangerschaftsabbrüche sollten bis zur zwölften Woche nicht mehr im Strafgesetzbuch geregelt werden, das wurde allerdings nicht umgesetzt. Im jetzigen Koalitionsvertrag ist nicht davon die Rede, dass Abtreibungen entkriminalisiert werden sollen.
Kindergeld
Im Koalitionsvertrag steht, dass die Schere zwischen Kindergeld und der Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge verringert werden soll - bisher profitieren hohe Einkommen mehr vom Kinderfreibetrag als niedrige vom Kindergeld. Im Umkehrschluss könnte das bedeuten, dass das Kindergeld erhöht wird oder die Kinderfreibeträge für Besserverdienende gesenkt werden.
Was sind die ersten Reaktionen auf die Ankündigungen?
Die Oppositionsparteien werfen Union und SPD Ideen- und Mutlosigkeit vor. "Diese Koalition hat Geld wie Heu, aber Ideen wie Stroh", sagte beispielsweise Grünen-Co-Chefin Franziska Brantner. Doch wie denken Menschen in NRW? Dem sind wir am Dienstag nachgegangen und haben uns im Westen umgehört.
Dabei äußerte sich Stefanie, eine 40 Jahre alte Mutter aus Kreuztal, im WDR-Interview zu den Kindergeld-Plänen der neuen Koalition. Sie glaubt nicht, dass sich für sie viel ändert: "Meinetwegen ist die Gesamtsumme, die investiert wird, groß. Aber der Betrag, der dann bei mir ankommt, ist keine große Erleichterung. Dafür kann ich nicht mal mehr eine Packung Pampers kaufen."
Unsere Quellen:
- Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD
- Nachrichtenagentur dpa
- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Über dieses Thema berichten wir am 10.04.2025 auch im Radio: WDR 5, ab 18.04 Uhr.