Koalition: Was steckt im Vertrag? Aktuelle Stunde 09.04.2025 42:01 Min. UT Verfügbar bis 09.04.2027 WDR Von Henry Bischoff

Regierungsbildung: Darauf haben sich Union und SPD geeinigt

Stand: 10.04.2025, 12:39 Uhr

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat den Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD als "Aufbruchssignal" für Deutschland bezeichnet. "Vor uns liegt ein starker Plan, mit dem wir unser Land gemeinsam wieder nach vorne bringen können."

Die Union und die SPD haben am Mittwochnachmittag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit CDU-Chef Friedrich Merz, den SPD-Chefs Saskia Esken und Lars Klingbeil sowie dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen vorgestellt.

Jetzt müssen die Parteien zustimmen. Bei der CSU entscheidet am Donnerstag der Vorstand. Die CDU stimmt auf einem kleinen Parteitag am 28. April ab. Spannend wird es bei der SPD: Dort gibt es eine Abstimmung unter allen 358.000 Mitgliedern - bis 29. April.

Was unter anderem im Koalitionsvertrag steht:

Union und SPD einigen sich auf Ressorts

Die Koalitionäre haben sich auf die Ressort-Verteilung geeinigt | Bildquelle: dpa / KMichael Kappeler

Die CDU wird erstmals seit fast 60 Jahren wieder das Außenministerium übernehmen. Sie besetzt sechs Ressorts zusätzlich zu den zwei Posten im Kanzleramt: Dem künftigen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wird ein Kanzleramtschef im Rang eines Bundesministers zur Seite gestellt. Die SPD bekommt sieben Ministerien, darunter die wichtigen Häuser Finanzen und Verteidigung. Die CSU erhält drei Ministerien, darunter das Innenministerium.

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Digitalministerium - auch für die Staatsmodernisierung

Union und SPD haben sich auf die Einrichtung eines neuen Ministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung verständigt. Damit wird es künftig ein Ministerium mehr geben als bisher.

Zunächst Freiwilligkeit bei Wehrdienst

Union und SPD wollen ein neues und zunächst auf Freiwilligkeit basierendes Wehrdienstmodell einführen. Noch in diesem Jahr sollten dazu die Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung geschaffen werden, heißt es in dem von den Spitzenvertretern vereinbarten Koalitionsvertrag. Die Parteien müssen dem Vertrag nun noch zustimmen, bevor er dann unterzeichnet und CDU-Chef Friedrich Merz im Bundestag zum Kanzler gewählt werden kann. 

Pendlerpauschale soll steigen

Pendler sollen steuerlich entlastet werden. Dazu soll die Pendlerpauschale ab 2026 bereits vom ersten Kilometer an bei 38 Cent liegen. Aktuell liegt die Pauschale für die ersten 20 Kilometer Wegstrecke von der Wohnung zum Arbeitsplatz bei 30 Cent pro Kilometer. Erst ab dem 21. Kilometer kann man 38 Cent ansetzen.


Steuerliche Anreize für Überstunden und Mehrarbeit

Überstunden sollen mit steuerlichen Anreizen gefördert werden. Deshalb steht im Koalitionsvertrag: "Wer freiwillig mehr arbeiten will, soll mehr Netto vom Brutto haben." Das soll für Überstunden gelten, die über die normale Vollzeitarbeit hinausgehen - also über das, was im Tarifvertrag steht oder sich an Tarifverträgen orientiert. Die Maßnahme soll gegen den Fachkräftemangel helfen, ebenso wie diese Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag: "Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, wird sein Gehalt bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei erhalten."

Rente: Altersvorsorgedepot für Kinder und Jugendliche

Ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent eines Durchschnittslohns soll bis 2031 gesetzlich abgesichert werden: "Die Mehrausgaben (...) gleichen wir mit Steuermitteln aus." So steht es im Koalitionsvertrag.

Im Jahr 2026 soll außerdem eine sogenannte "Frühstart-Rente" eingeführt werden. Für jedes Kind vom 6. bis zum 18. Lebensjahr, das in Deutschland eine Schule oder andere Bildungseinrichtung besucht, fließen dann pro Monat zehn Euro in ein Altersvorsorgedepot. Wenn man erwachsen ist, soll man privat weiter einen bestimmten Betrag einzahlen können. Die Erträge aus dem Depot sollen bis zum Renteneintritt steuerfrei sein - ausgezahlt wird das Geld allerdings erst im Rentenalter.

Geplant ist auch eine Angleichung, von der viele Rentnerinnen profitieren, die für ihre Kindererziehungszeit Mütterrente erhalten: Künftig soll es keine Rolle mehr spielen, ob die Kinder vor 1992 oder danach geboren wurden. Wer früher Kinder bekommen hat, kann so mit mehr Geld rechnen.

Koalitionäre planen mehr neue Militärtechnik

Union und SPD wollen den Weg zur Einführung moderner Militärtechnik freimachen. Das gelte insbesondere für die Bereiche: Satellitensysteme, Künstliche Intelligenz, unbemannte, auch kampffähige Systeme, den sogenannten Elektronischen Kampf, Cyber, den Einsatz von Software sowie Hyperschallsysteme. Dazu seien auch ein vereinfachter Zugang und ein vertiefter Austausch mit Forschungseinrichtungen, dem akademischen Umfeld, Start-Ups und der Industrie notwendig, heißt es im vereinbarten Text für den Koalitionsvertrag. 

Elterngeld soll "spürbar“ erhöht werden

Künftige Eltern können auf ein höheres Elterngeld hoffen. Union und SPD haben sich in den Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, die Beträge "spürbar" zu erhöhen. Das geht aus dem Entwurf für den Koalitionsvertrag hervor, auf den sich CDU, CSU und SPD geeinigt haben. Die Parteien müssen dem Vertragswerk in den kommenden Wochen noch zustimmen. Demnach sollen sowohl der Mindestsatz von derzeit 300 Euro als auch der Höchstsatz von 1.800 Euro angehoben werden. Wie hoch die Steigerung künftig ausfallen soll, blieb zunächst unklar.

Bafög soll deutlich steigen

Union und SPD planen eine Bafög-Erhöhung im nächsten Jahr. Die im Bafög enthaltene Wohnkostenpauschale für Studierende, die nicht mehr bei den Eltern wohnen, soll von 380 auf 440 Euro im Monat angehoben werden. Die Anhebung ist zum Wintersemester 2026/2027 geplant. Außerdem soll der sogenannte Bafög-Grundbedarf, der aktuell bei 475 Euro im Monat liegt, in zwei Schritten zum Wintersemester 2027/2028 und ein Jahr später dauerhaft an das Niveau der Grundsicherung angepasst werden.

Union und SPD möchten Heizungsgesetz abschaffen

Das Ampel-Heizungsgesetz soll fallen | Bildquelle: imageBROKER / newspixx vario images

Union und SPD wollen das Heizungsgesetz streichen. Das geht aus dem Koalitionsvertrag hervor. "Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen", heißt es dort. Das neue Gebäudeenergiegesetz solle "technologieoffener, flexibler und einfacher" werden. Die erreichbare CO2-Vermeidung solle "zur zentralen Steuerungsgröße" werden.

Beschleunigte Einbürgerung soll wieder abgeschafft werden

Vereinbart wurde, in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vorzunehmen. Das Asylrecht soll aber erhalten bleiben. Die von der Ampel-Regierung beschleunigte Einbürgerung nach drei Jahren für besonders gut integrierte Zuwanderer wird wieder abgeschafft. Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus sollen zwei Jahre lang Angehörige nach Deutschland holen dürfen.

Vorerst keine Abschaffung des Cannabis-Gesetzes

Die von der Ampel eingeführte Teillegalisierung von Cannabis bleibt erst mal bestehen. Union und SPD einigten sich nur darauf, dass im Herbst "eine ergebnisoffene Evaluierung" des Gesetzes erfolgt. CDU und CSU hatten in ihrem Wahlprogramm angekündigt, sie wollten die Legalisierung von Cannabis zurücknehmen. Das Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis war am 1. April 2024 in Kraft getreten. Besitz und kontrollierter Anbau zum privaten Gebrauch sind seitdem erlaubt, allerdings mit Einschränkungen.

Union und SPD wollen Nationalen Sicherheitsrat

Union und SPD wollen in einer gemeinsamen Bundesregierung einen Nationalen Sicherheitsrat schaffen. "Wir entwickeln den Bundessicherheitsrat, im Rahmen des Ressortprinzips, zu einem Nationalen Sicherheitsrat im Bundeskanzleramt weiter", heißt es in dem von den Spitzenvertretern vereinbarten Koalitionsvertrag. Der Sicherheitsrat soll Informationen über Krisenlagen bündeln und schnellere Entscheidungen ermöglichen. "Er soll die wesentlichen Fragen einer integrierten Sicherheitspolitik koordinieren, Strategieentwicklung und strategische Vorausschau leisten, eine gemeinsame Lagebewertung vornehmen und somit das Gremium der gemeinsamen politischen Willensbildung sein", heißt es in dem vereinbarten Text.

Deutschlandticket bleibt auch nach 2025

Die neue Koalition aus Union und SPD will das Deutschlandticket für den bundesweiten Nahverkehr über 2025 hinaus erhalten. Nutzer müssen sich aber von 2029 an auf Preiserhöhungen einstellen. Darauf haben sich CDU, CSU und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen verständigt.

Wahlrecht soll wieder geändert werden

Die erst 2023 von den Ampel-Fraktionen beschlossene Wahlrechtsreform soll teilweise wieder rückgängig gemacht werden. Union und SPD vereinbarten in ihrem Koalitionsvertrag, eine Wahlrechtskommission einzusetzen. Sie soll eine Reform prüfen. Durch die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition war die Größe des Bundestages auf 630 Mandate gedeckelt worden. Bei der Bundestagswahl 2021 waren noch 735 Abgeordnete in das Parlament eingezogen. Wegen des Wegfalls von Überhang- und Ausgleichsmandaten hatten 23 Kandidatinnen und Kandidaten, die ihren Wahlkreis direkt gewonnen hatten, trotzdem kein Mandat bekommen.

Industriestrompreis soll kommen

Union und SPD wollen energieintensive Unternehmen mit einem Industriestrompreis entlasten. Auch das geht aus dem Koalitionsvertrag hervor. Wirtschaftsverbände beklagen seit langem im internationalen Vergleich hohe Strompreise. Dies hemme Investitionen in Deutschland. Schon in ihren Sondierungen hatten sich CDU, CSU und SPD darauf verständigt, die Stromsteuer auf den in der EU erlaubten Mindestwert zu senken. Auch Umlagen und Netzentgelte sollen sinken. Das soll zu Entlastungen um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde führen.

So geht es jetzt weiter

Die Parteien CDU, CSU und SPD müssen nun dem Koalitionsvertrag noch zustimmen. Danach kann Friedrich Merz ihn unterzeichnen und zum Kanzler gewählt werden.

Bei der SPD stimmen die Mitglieder darüber ab, bei der CDU soll ein kleiner Parteitag darüber entscheiden, bei der CSU der Vorstand. Das Mitgliedervotum der SPD nimmt mindestens zehn Tage in Anspruch. Wegen der Osterfeiertage kommende Woche dürfte es aber ein paar Tage länger dauern. Als möglicher Termin für den kleinen CDU-Parteitag wird in der Union der 28. April genannt, als Termin für die Kanzlerwahl und die Vereidigung des Kabinetts ist der 7. Mai im Gespräch.

Friedrich Merz sagt, er erwarte eine Zustimmung von CDU, CSU und SPD zum Koalitionsvertrag "und dass wir dann Anfang Mai mit einer neuen Bundesregierung an die Arbeit gehen können", sagte er nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen. Er erwarte auch, "dass es unserem Land dann auch bald wirklich besser geht und wir Zuversicht, Mut und auch wieder ein bisschen mehr Zukunft in diesem Land gemeinsam erarbeiten".

Unsere Quellen:

  • ARD-Hauptstadtstudio
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
  • Pressekonferenz von CDU, CSU und SPD

Über dieses Thema berichten wir am 9. April 2025 auch im WDR-Fernsehen: In der Aktuellen Stunde ab 18.45 Uhr.