Aktionstag IG-Metall: Zwei Thyssen-Generationen blicken in die Zukunft Aktuelle Stunde 15.03.2025 35:38 Min. UT Verfügbar bis 15.03.2027 WDR Von Birgit Grigo

IG-Metall ruft zu Aktionstag auf - Branche blickt in unsichere Zukunft

Stand: 15.03.2025, 20:15 Uhr

In der Metall-Industrie machen sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Sorgen. Zuletzt wurden zahlreiche Jobs gestrichen. Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes "Metall NRW" bleibt trotzdem optimistisch. Im WDR-Interview erzählt er, was ihm Hoffnung macht.

Knapp 130 Milliarden Euro Umsatz hat die Metallindustrie in Deutschland zuletzt ge-macht. Etwa ein Drittel davon haben NRW-Betriebe verdient. Die Metall und Elektroindustrie blickt aber trotzdem mit Sorge in die nahe Zukunft. In den letzten anderthalb Jahren wurden laut Statistischem Bundesamt schon 100.000 Arbeitsplätze abgebaut. Die Arbeitgeberverbände sehen die Metall- und Elektroindustrie in der längsten Rezession seit der Wiedervereinigung 1990.

Zehntausende demonstrieren in Köln

Eine industrielle Lagerhalle mit mehreren großen Rollen aus glänzendem Stahl, die auf speziellen schwarzen Halterungen ruhen. | Bildquelle: IMAGO/Rupert Oberhäuser

Die Gewerkschaft IG Metall hatten deshalb am Samstag zu einem bundesweiten Aktionstag aufgerufen. Sie wollte damit ein Zeichen setzen für eine starke Industrie und sichere Arbeitsplätze. Arbeitgeber und die Politik sollen sich mehr dafür einsetzen, dass keine weiteren Standorte geschlossen werden oder Produktionsstätten ins Ausland abwandern. Auch sollen weniger Arbeitsplätze abgebaut werden. Konkret fordert die IG Metall einen baldigen Strompreisdeckel für Industrie und Verbraucher, um energieintensive Unternehmen zu entlasten. Der Weg zu grünem Stahl sei unumgänglich und benötige eine ausreichende Wasserstoff-Infrastruktur.

Als Teil der bundesweiten Aktion hatte die IG Metall auch in Köln zu einer Großdemonstration in der Innenstadt aufgerufen. Nach Angaben der IG Metall waren 23.000 Teilnehmer an der Deutzer Werft direkt am Rhein. "Die Zeit drängt", sagte Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall in NRW. "Jeden Tag gehen hier in NRW viele gute bezahlte Industriearbeitsplätze verloren." Der Gewerkschafter forderte in diesem Zusammenhang eine aktive Industriepolitik, die Zukunftstechnologien gezielt fördert, Innovationen ermöglicht und Investitionen auslöst. Alles mit dem Ziel, Arbeitsplätze für die Zukunft zu sichern und neu aufzubauen.

Verband "Metall NRW" setzt auf neue Bundesregierung

Johannes Pöttering, Verband Metall NRW | Bildquelle: WDR/picture alliance/Flashpic/Jens Krick

Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgegberverbandes "Metall NRW", Johannes Pöttering, zeigte sich trotz der aktuellen Lage und der Unzufriedenheit der Gewerkschaften im WDR-Interview optimistisch, was die Zukunft der Metallbranche angeht.

WDR: Was macht Ihnen Hoffnung im Moment?

Johannes Pöttering: Also, wenn wir im Moment sehen, dass in Berlin die Union und SPD sich zwar bei vielen Punkten noch nicht einig sind, aber in einer Frage in einem Sondierungspapier doch ganz klar Flagge gezeigt haben, und zwar darin, dass sie die Industrie wieder stärken wollen - als wesentliche Priorität der nächsten vier Jahre - dann ist das zumindest mal ein Hoffnungszeichen.

WDR: Ihr Präsident von "Metall NRW" Arndt Kirchhoff sagt, die Stimmung und die Lage in der Branche seien das "bittere Resultat einer politisch hausgemachten, tiefen Wettbewerbsfähigkeitskrise". Sie meinen damit wahrscheinlich Energiepreise und Bürokratie-Hürden, oder?

Pöttering: Absolut. Die Energiepreise sind natürlich gerade für uns hier in Nordrhein-Westfalen ein besonders großes Problem. Denn im Vergleich zu der Metall- und Elektroindustrie in anderen Bundesländern haben wir hier auch noch überdurchschnittlich viele Unternehmen, die am Anfang der Wertschöpfungskette stehen. Und das ist eben in der Metallerzeugung, bei Gießereien, Schmieden. Das sind besonders energieintensive Bereiche, wo der Preis besonders natürlich dann auch durch hohe Energiepreise getrieben wird und wo wir dann noch mal zusätzlich Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Wir haben keine Zeit zu verlieren, weil viele unserer Unternehmen einfach nicht mehr können. Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer Verband "Metall NRW"

WDR: Aber jetzt gibt es Menschen, die sagen, die Pläne, bei der Energie im Kern auf Wind und Sonne zu setzen sind nicht neu. Warum fällt erst jetzt auf, dass man ein Industrieland noch nicht mit Sonne und Wind bestromen kann?

Pöttering: Also wir dringen seit Jahren darauf, dass wir neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien zwingend auch Back-up-Kraftwerke brauchen, gerade hier in Nordrhein-Westfalen. Da haben wir in den letzten drei Jahren massiv Druck gemacht - auch immer wieder auf Berlin. Sogar zusammen mit der Landesregierung. Aber der Bund hat einfach keine Kraftwerksstrategie zustande gebracht.

WDR: Wie könnte das mit den Energiepreisen denn jetzt kurz- und mittelfristig in den Griff zu bekommen sein?

Pöttering: Also ganz entscheidend ist jetzt erst mal, dass wir insbesondere was den Netzausbau angeht und was auch den Bau von Back-up-Kraftwerken angeht: Da muss die Politik die Strompreise entlasten. Das können unsere Unternehmen nicht tragen. Wenn die zusätzlichen Kosten durch die politisch gewollte Energiewende, die wir auch im Grundsatz unterstützen, entstehen, die andere Länder aber so nicht zu tragen haben, dann können das nicht die Unternehmen tragen. Denn dann verlieren wir hier weiter an Produktion. Was Netzausbau angeht, was aber auch den Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur, die wir dringend brauchen, angeht, muss jetzt der Bund ein Zeichen setzen und auch mit entsprechenden Programmen in die Speichen greifen.

WDR: Welche Firmen aus NRW planen denn schon Produktionsstätten ins Ausland zu verlegen?

Pöttering: Insbesondere die energieintensiven Unternehmen, bei denen der Energiepreis einen besonders hohen Anteil der Wertschöpfung ausmacht. Das sind dann die ersten. Aber uns muss klar sein: Unsere große Stärke in Nordrhein-Westfalen ist, dass wir die ganze Wertschöpfungskette haben von der Grundstoffindustrie, also Stahl, Aluminium, dann über die Weiterverarbeitung, Gießereien, Schmieden, bis hin dann zum Endprodukt. Und wenn da einzelne Glieder dieser Kette abwandern, dann verlieren wir auf Dauer auch die benachbarten Wertschöpfungsketten. Und das ist die große Gefahr.

Metallindustrie NRW – angespannte Lage WDR 5 Morgenecho - Interview 15.03.2025 05:34 Min. Verfügbar bis 15.03.2026 WDR 5

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Dieses Interview lief am 15.03.2025 um 08.07 Uhr im WDR 5 Morgenecho. Es wurde für diese Online-Fassung sprachlich leicht angepasst und gekürzt.