Es fehlt an allen Ecken und Enden: Zu wenige Kita- und Schulplätze, zu wenig Geld, zu wenig Wohnraum. Seit Monaten leben Geflüchtete in NRW-Turnhallen. Für Thomas Riddermann, bei der Stadt Telgte zuständig für die Geflüchteten, ist das kein Zustand.
Bessere Abstimmung aber vorerst nicht mehr Geld
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat nach einem Spitzengespräch mit Vertretern von Bundesländern und Kommunen am Donnerstag eine bessere Abstimmung bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten versprochen. Um mögliche zusätzliche Finanzhilfen des Bundes für die Kommunen soll es allerdings erst bei weiteren Gesprächen um Ostern gehen.
NRW-Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) äußerte sich "trotz des guten Ansatzes" enttäuscht von den Ergebnissen des Flüchtlingsgipfels. Kommunen und Länder bräuchten dringend finanzielle Unterstützung – für die Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten sowie für Integrationsmaßnahmen.
Auch der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, zeigte sich unzufrieden. Der für die Unterbringung von Geflüchteten erforderliche Wohnraum sei begrenzt. Ehrenamtliche und hauptamtliche Helfer stünden nicht mehr in ausreichender Zahl zur Verfügung.
Wie viele Geflüchtete sind nach NRW gekommen?
Die Situation in den NRW-Kommunen ist angespannt. Der Städte und Gemeindebund berichtet, dass in NRW im vergangenen Jahr 230.000 Menschen aus der Ukraine aufgenommen wurden – hinzu kommen 50.000 Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus anderen Ländern. Zusammen sind das doppelt so viele Menschen, wie in der Stadt Paderborn leben. Die Stadt Xanten am Niederrhein zum Beispiel versorgt zurzeit 400 Geflüchtete, das sind doppelt so viele wie vor einem Jahr.
Woher kommen aktuell die meisten Geflüchteten?
Die größte Gruppe von Ausländerinnen und Ausländer, die 2022 nach Deutschland gekommen ist, stammt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes aus der Ukraine. Von dort sind als Folge des russischen Angriffskrieges insgesamt mehr als 1,1 Millionen Menschen eingewandert. Etwa 139.000 von ihnen sind inzwischen jedoch wieder zurückgezogen.
Damit ist die Zuwanderung aus der Ukraine in die Bundesrepublik im vergangenen Jahr deutlich größer als die vorherigen Fluchtbewegungen: In den Jahren 2014 bis 2016 waren aus Syrien, Afghanistan und dem Irak zusammen rund 834.000 Menschen eingewandert.
Was sind die größten Probleme der Städte und Gemeinden?
Ein großes Problem ist das Geld – aber die Kommunen wünschen sich vor allem ein Gesamtkonzept. Sie sagen, dass es an vielen Dingen fehle, zum Beispiel am Wohnraum. Der Bürgermeister der Stadt Soest, Eckhard Ruthemeyer, sagte dem WDR, das alleine reiche noch nicht - die Menschen müssten auch wirklich aufgenommen werden. Und dafür fehlten zum Beispiel Schul- und Kitaplätze.
Das bestätigt auch Markus Schön, Stadtdirektor in Krefeld. Er sagt, dass in seiner Stadt jetzt schon 1.500 Kitaplätze fehlten.
Zudem mangelt es an Sprachkursen, berichtet Barbara Kleinpass von der Flüchtlingshilfe in Xanten. Die Volkshochschule in Xanten habe große Probleme, Dozenten und Räume zu finden. Auch in Xanten wird gerade wieder eine Turnhalle geräumt, damit Geflüchtete untergebracht werden können – das macht den Sportvereinen Probleme, die sich jetzt wieder nach anderen Lösungen umsehen müssen.
Wie ist es zur Überlastung gekommen?
"Dafür gibt es mehrere Gründe", teilte der Mediendienst Integration am Donnerstag mit. Neben den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine sei auch die Zahl der Asylbewerber aus anderen Ländern im Verhältnis zu den "Covid-Jahren" 2020 und 2021 gestiegen. Nicht die Zahl der Geflüchteten per se habe jedoch zur starken Belastung des Aufnahmesystems geführt.
Normalerweise würden Schutzsuchende gleich bei ihrer Einreise auf die Bundesländer verteilt – und erst später auf die Kommunen. Das gelte aber nicht für Geflüchtete aus der Ukraine. Viele von ihnen seien zunächst privat untergekommen und später direkt in das kommunale Aufnahmesystem gelangt.
Wie werden die Geflüchteten verteilt?
"Es gibt einen Verteilungsschlüssel, der richtet sich zu 90 Prozent nach Einwohner und zu zehn Prozent nach Fläche einer Kommune", sagte Marc Venten (CDU), Bürgermeister von Korschenbroich, am Mittwoch dem WDR. Nach diesem Schlüssel würden dann die Geflüchteten, die zunächst in landeseigenen Flüchtlingsunterkünften untergebracht seien, auf die Kommunen verteilt.
Laut Venten geschieht dies unabhängig davon, wie die Wohnsituation vor Ort sei. "Das führt dann - wie bei uns – dazu, dass in Gegenden, wo der Wohnungsmangel relativ groß ist, die Situation noch verschärft wird, während sie andernorts, wo vielleicht tatsächlich Kapazitäten wären, diese nicht ausgenutzt werden."
Gibt es Ideen, um die Probleme zu lösen?
Ja, zum Beispiel beim Wohnraum. Die Kommunen fordern, dass Bund und Land Immobilien zur Verfügung stellen. Die Stadt Kerpen zum Beispiel sagt - wenn wir unsere Kaserne in der Stadt nutzen könnten, dann könnten wir auch noch mehr Menschen aufnehmen.
Soest hat das schon gemacht. Dort ist eine Kaserne zu einer Landeseinrichtung für Flüchtlinge umgebaut worden. Dadurch können 1.2000 zusätzliche Menschen untergebracht werden – zumindest als Übergangslösung.
Aus Sicht des Korschenbroicher Bürgermeisters Venten reicht das allerdings nicht aus. "Was aus meiner Sicht noch wichtiger ist: Flüchtlinge, woher sie auch immer kommen, die nach Deutschland einreisen, müssen eigentlich so lange in bundes- und landeseigenen Unterkünften verbleiben, bis sie ein erfolgreiches Asylbewerberverfahren durchlaufen haben." Es mache keinen Sinn, Flüchtlinge mit ungeklärtem Status auf die Kommunen zu verteilen, sagte er am Mittwoch dem WDR.
Die Verfahren müssten dringend beschleunigt werden. Dann seien die Kommunen auch in der Lage, denen zu helfen, die anerkannt seien.