Björn Pankratz ist einer der erfahrensten Spielemacher in Deutschland. Fast 25 Jahren lang hat er mit seinem Team die weltweit bekannten Gothic-, Risen- und Elex-Serien entwickelt. Typisch für diese Fantasy-Spiele des Spielestudios Piranha Bytes aus Essen: der ruppig-herzliche Ruhrpott-Charme.
Doch das ist Geschichte: Erst verließen Björn Pankratz und seine Frau Jennifer Ende 2023 das Unternehmen, dann wurde Piranha Bytes Mitte 2024 geschlossen. Den deutschen Traditionsentwickler gibt es nicht mehr, mehr als 30 Menschen haben ihre Arbeit verloren.
Jennifer und Björn Pankratz haben gemeinsam das Pithead Studio in Bochum gegründet
Sie sind nicht die einzigen. "Ich glaube, es ist momentan eine sehr schlechte Zeit für alle", sagt Björn Pankratz. "Es sind nämlich sehr, sehr, sehr viele, die auf der Straße gelandet sind in der letzten Zeit." Weltweit sind es in den vergangenen Jahren mehrere Zehntausend. "Und ich glaube, es wird noch ein bisschen schlimmer."
Ein Grund: weniger Förderung für Gamesbranche
Das weiß auch die Film- und Medienstiftung NRW. Sie kümmert sich nicht nur um Filmschaffende, sondern auch um die Spieleentwickler im Bundesland. "Globale Faktoren, die alle Branchen betreffen, betreffen natürlich auch die Gamesbranche: Es gibt einen Pandemie-Backlash und Investitionsstopps", erklärt die Stiftung auf WDR-Anfrage die schwierige Situation.
Gamescom-Eröffnung in schwieriger Lage
Außerdem liegt die Förderung vom Bund seit Mai 2023 auf Eis – das Bundeswirtschaftsministerium hatte bis dahin deutlich mehr als 100 Millionen Euro in die Entwicklung von Computerspielen gesteckt. Und im Etat der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien sind für das laufende Jahr 33,3 Millionen Euro für die Games-Förderung vorgesehen – eine Förderung ist bisher aber nicht umgesetzt. "Dies und einige andere Faktoren führen dazu, dass die Gamesbranche sich aktuell nicht in einer optimalen Lage befindet", so die Film- und Medienstiftung NRW.
Gamesbranche scheut Investitionen
Auch von den Publishern, also den Verlagen für Computerspiele, gibt es wenig Geld. "Ich habe so eine Zeit wie jetzt noch nie erlebt", sagt Michael Hoss. Er arbeitet für den Publisher Deck 13 Spotlight und schaut, in welche Spieleprojekte investiert werden könnte. An Projekten mangelt es nicht: "Wir haben gerade an die zehn interessante Titel auf dem Tisch liegen, wo ich sagen würde: Jeder einzelne davon wird ein Hit." Das Problem ist, dass ihm das Geld fehlt, diese potenziellen Hits bis zur Veröffentlichung zu bringen.
Vor allem teurere Spieleprojekte hätten es in der Krise schwer: Michael Hoss weiß von keinem einzigen Publisher, der momentan drei bis 25 Millionen Euro in ein Game investieren würde. "Dadurch kommen wir in zweieinhalb bis drei Jahren in eine Situation, da werden immer noch Spiele rauskommen, aber es werden auf einmal deutlich weniger sein." Zumindest für diese Kategorie der mittelgroßen Spiele dürfte es schwierig werden.
Games-Überraschungshit 2022 kam aus NRW
Kleinere Projekte haben aber durchaus Chancen, nicht nur auf Veröffentlichung, sondern auch große Überraschungshits zu werden. Ein Beispiel dafür kommt aus NRW: Chained Echoes heißt das Spiel von Matthias Linda. Sieben Jahre lang hat er daran gearbeitet, 2022 erschien es und hat inzwischen sechsstellige Verkaufszahlen. Ein riesiger Erfolg für den Solo-Entwickler – möglich gemacht durch Michael Hoss und die Film- und Medienstiftung NRW.
Jährlich gibt die Stiftung 3,5 Millionen Euro für digitale Spiele und interaktive Inhalte aus, und erklärt: "Im Vergleich der Länder ist NRW als Gamesstandort Nr. 1 sehr gut aufgestellt." Tatsächlich ist diese regionale Förderung die letzte Chance für viele Entwickler geworden, auch in anderen Bundesländern.
Eine von ihnen: Mel Taylor. In Köln arbeitet sie gerade an ihrem Spiel Blueberry, das die Geschichte einer Frau von der Kindheit bis zum Tod erzählt und dabei familiäre Probleme und Traumata thematisiert. 60.000 Euro hat sie von der Medienstiftung bekommen, um an ihrem Spiel zu arbeiten. Die Entwicklerin schätzt, dass sie jetzt noch 50.000 Euro braucht, um es fertigzustellen.
Mel Taylor arbeitet in Köln an ihrem Spiel Blueberry.
"Das ist wirklich nicht viel für so ein Game und man müsste meinen, dass das jetzt auch nicht so die Hürde für Publisher ist, zu investieren", sagt Mel Taylor. "Aber das ist natürlich auch eine Frage, wie sehr die daran glauben, dass so ein Spiel erfolgreich sein kann." Auf der Gamescom sucht sie nach einem Investor, der an ihr Spiel glaubt. Ihr Messestand wiederum wird möglich gemacht von der Medienstiftung – damit hat sie die Chance auf Aufmerksamkeit.
Weitermachen, trotz Krise: "Total wahnsinnig"
Diese Aufmerksamkeit ist für Spieleentwickler teils noch wichtiger als Geld, denn der Videospielmarkt ist überfüllt und hart umkämpft. Allein auf Steam, der wichtigsten Plattform für PC-Spiele, sind voriges Jahr im Durchschnitt täglich 33 neue Games erschienen, dazu kommen noch die Spiele auf den Konsolen wie Playstation, Xbox und Switch und der große Markt für Handyspiele. Ein gutes Spiel zu machen, reicht meistens nicht, um da erfolgreich zu sein.
Gerade wenn es um kleinere Spiele geht, die sich nicht viele Millionen Euro für Marketing leisten können. Ein Spiel muss originell sein. "Es gibt unglaublich viele tolle, neue kreative Ideen", sagt Spieleentwicklerin Jennifer Pankratz. "Man muss sich halt so seine Nische suchen und vielleicht ein bisschen verrückt sein, alternative Wege gehen und dann wird das schon wieder."
Nach dem Aus ihres alten Studios Piranha Bytes will es das Pankratz-Paar noch einmal wissen. Sie haben ein neues Unternehmen gegründet, das Pithead Studio. "Es ist total wahnsinnig", sagt Björn Pankratz. "Aber es heißt ja so schön, man soll in schlechten Zeiten investieren. Und genau das machen wir jetzt auch."
Unsere Quellen:
- Interview Jennifer und Björn Pankratz, Pithead Studio
- Interview Mel Taylor, Mellow Games
- Interview Michael Hoss, Deck 13 Spotlight
- Film- und Medienstiftung NRW