Ich kann verstehen, dass für einige Bäuerinnen und Bauern zurzeit ein Misthaufen auf einer Autobahnauffahrt die emotional konsequenteste Antwort auf die Sparpläne der Ampel-Regierung ist - wirklich. Die meisten Menschen in Deutschland wissen nicht, wie es ist, in Zeiten stark schwankender Lebensmittelpreise und sich abwechselnder Dürre- und Hochwasserphasen mitverantwortlich für die Ernährung der Bevölkerung zu sein.
Und der Landwirt Josef Aschenbroich aus Langenfeld betont, er setze sich schon für die Umwelt ein, das werde aber einfach nicht gesehen. "Es tut einem in der Seele weh, dass das von der Politik nicht honoriert wird", sagt er. Ich habe das Gefühl, dass gar nicht so viel Wut in seinem Blick ist, sondern eher Verzweiflung. Dass wirklich so viele landwirtschaftliche Betriebe in ihrer Existenz bedroht sind, ist mit Blick auf ihre hohen Einnahmen durch die Preissteigerungen bei Lebensmitteln in der letzten Zeit mehr als fraglich. Aber dass sie unter großem Druck stehen, steht außer Frage.
Klimaschädliche Subventionen müssen abgebaut werden - auch für Agrardiesel
Es gibt die komplexen Emotionen von den Bäuerinnen und Bauern und vielen weiteren Menschen in Deutschland - und dann gibt es leider ein paar recht simple Klima-Wahrheiten. Eine davon ist: Agrardiesel befeuert die Klimakrise.
Die Landwirtinnen und Landwirte begehren im großen Stil auf, wo die Pegelstände an den Flüssen und Bächen doch gerade erst sinken. Schneller Klimaschutz sollte eigentlich in ihrem ureigenen Interesse liegen.
Die Bauernproteste stehen für zwei wichtige Themen, die die Politik bearbeiten muss. Thema eins klingt vielleicht staubig und bürokratisch, ist aber mit Blick auf den Klimaschutz elementar: Klima- und umweltschädliche Subventionen gehören schnellstmöglich gestrichen. Laut Umweltbundesamt liegen sie in Deutschland bei insgesamt über 65 Milliarden Euro. Dazu gehören auch die Subventionen für Agrardiesel (über 460 Millionen Euro). Es kann sein, dass ein sofortiges Aus der Subventionen größere Belastungen für die Landwirtschaft bringen würde, weil Alternativen zum Agrardiesel fehlen. Sie aber zumindest schrittweise auslaufen zu lassen ist notwendig. Stattdessen sollte die Landwirtschaft finanziell von klima- und umweltfreundlichen Maßnahmen profitieren und die Subventionen in diese Richtung gelenkt werden: Im Gespräch mit dem WDR spricht das Umweltbundesamt etwa von Förderungen für schonenden Ackerlandbau oder Grünstreifen.
Das heißt natürlich nicht, dass es einen - auch medialen - Hyperfokus auf den Agrardiesel geben sollte. Es warten ja noch etwa 65 weitere Milliarden an umweltschädlichen Subventionen, teilweise wohlbehütet von ihren Lobbys, darauf abgebaut zu werden. Wieso gibt es in Zeiten der Klimakrise etwa noch das Dienstwagenprivileg? Ich fände es sinnvoller das Geld dafür einzusetzen das 49-Euro-Ticket für noch mehr Menschen bezahlbar zu machen.
Die Politik muss darauf schauen, wie es den Menschen in der Klimakrise geht
Thema zwei, auf das die Politik dringend schauen sollte, klingt vielleicht gefühlig oder sogar etwas banal, ist mit Blick auf Klimaschutz und Polarisierung aber auch elementar: Nämlich darauf wie es den Menschen im Land - und damit meine ich auch die Bäuerinnen und Bauern - gerade geht. Wir leben in Zeiten multipler Krisen, es ist eine kollektive Dünnhäutigkeit entstanden. Die Zahl psychischer Belastungen ist deutlich gestiegen, gleichzeitig versuchen Menschen ihrer Wut und ihrem Frust auf neue Arten Ausdruck zu verleihen. Wer hätte vor kurzem noch gedacht, dass die deutsche Landwirtschaft jetzt ähnliche Protest-Aktionen wählt wie die Letzte Generation, nur eben mit Misthaufen statt mit Festkleben?
Klima-Psychologen und -Psychologinnen wie Renée Lertzman aus den USA betonen, dass wir in der Klimakrise nicht nur auf die sachliche Ebene schauen sollten - so wichtig sie auch ist, die klimaschädlichen Subventionen müssen weg! -, sondern auch auf die psychologische. Diese Krise erschüttert nicht nur unseren Planeten, sie erschüttert auch unsere Psyche auf unterschiedlichste Arten. Manch einer reagiert panisch, andere unterdrücken Gefühle, wieder andere wählen Wut.
Wir brauchen mehr Raum für ehrliche Gespräche - wie in Bürgerräten
Das heißt natürlich nicht, dass die Politik diesen ganzen unterschiedlichen Emotionen nachgeben kann. Es würde ja auch im direkten Widerspruch zur nötigen Klimapolitik stehen. Aber: Sie kann diesen komplexen Emotionen Raum geben, zuhören, nicht verurteilen, Probleme sehen, Lösungsansätze verbessern. Und wir alle können das übrigens auch viel mehr tun, also Zuhören und nicht Verurteilen.
Dass die Landwirtinnen und Landwirte sich jetzt den Raum nehmen und Wut und Angst ausdrücken ist nachvollziehbar. Noch besser wäre es, wenn sie Raum bekommen würden - und sich mit anderen Menschen austauschen könnten, die ihre eigenen Ängste und Fragen mitbringen. Wie vielleicht eine junge Klima-Aktivistin, für die sich die persönliche Zukunft komplett unsicher anfühlt. Im Rahmen von sogenannten Bürgerräten gibt es so etwas in der Art schon. Zurzeit arbeitet ein solcher Rat das erste Mal Empfehlungen für den Bundestag aus, rund um das Thema "Ernährung im Wandel".
In diesem Rat sitzen 160 zufällig ausgewählte Menschen. Dabei wurde sichergestellt, dass Merkmale wie Alter, Geschlecht, Herkunft und Bildung möglichst so verteilt sind wie in der Bevölkerung. Bürgerräte zielen darauf, dass unterschiedliche Menschen einander begegnen, Perspektivwechsel gelingen und gemeinsam Lösungen für Probleme ausgearbeitet werden. Sie bekommen auch immer Input von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, damit Fakten die Grundlage für die Diskussionen sind. Die Erfahrungen aus bisherigen Bürgerräten - zum Beispiel aus Frankreich - zeigen, dass sich durch einen solchen Austausch erstaunlich große Mehrheiten für strikte Klimaschutzmaßnahmen ergeben - auch in der Landwirtschaft. 98 Prozent der Ratsmitglieder sprachen sich in Frankreich etwa für ein Verbot von neuen Viehzuchtbetrieben aus, die hohe Emissionen verursachen, und für eine deutliche Beschränkung von Pestiziden.
Klar, fürs Klima zählt, welche Bürgerratsempfehlungen dann auch wirklich politisch umgesetzt werden. Aber solche Formate schaffen gleichzeitig auch Raum für zurzeit dringend nötige Begegnungen. Durch Blickkontakt werden harte Urteile fast immer direkt eine Spur weicher. Bürgerräte und andere Gesprächs- und Begegnungsformate können Angst, Wut, Dünnhäutigkeit und Polarisierung etwas entgegenstellen. Für die Bewältigung der Klimakrise brauchen wir beides: Realismus in der Sache, damit wir wirklich vorankommen und Empathie füreinander.
Was denken Sie? Wie sollte die Politik mit den wütenden Landwirtinnen und Landwirten und insgesamt mit klimaschädlichen Subventionen umgehen? Lassen Sie uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.
Kommentare zum Thema
Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er diskriminierend ist. (die Redaktion)
Laut Insa und Forsa sind die Ampelparteien auf historisch mieseste 31 % abgestürzt, trotz permanenter Lobhudelei durcjh ihee grüne Krawallschachtel WDR ! Das ist die Höchststrafe für die grünen Robi- und Ricarda-Fans im WDR ! Strengt Euch mehr an !
Die Ampel macht Fehler. Die (von Ihnen favorisierte?) sogenannte "Alternative für Deutschland" ist ein Fehler! Alle demokratisch gesinnten Menschen in Deutschland müssen sich anstrengen, damit die "AfD" ihre Umfrageergebnisse nicht in Wahlergebnisse umsetzt. Die Demonstrationen der letzten Tage (nicht die der Bauern) mit unerwartet vielen Teilnehmern geben Hoffnung!
Wenn man die Sendung "Markus Lanz" vom 16.1.24 schaut und den erregten Schwall von nur Worten ohne Punkt und Komma der reichlich "grünen" Parteivorsitzenden (!!!) Ricarda Lang über sich ergehen läßt, ist per se völlig klar, warum die Bundesregierung jetzt historisch tiefst bei nur noch 31 % angekommen ist; Tendenz weiter fallend . Noch Knapp 2 lange Jahre müssen wir sie noch ertragen . Bleibt tapfer !
WDR ZENSIERT WIEDER MASSIG FORUMSKOMMENTARE ! WIE ARMSELIG !
Fragen Sie doch mal nach dem Grund für die Lücken in der Nummerierung statt sofort Zensur zu behaupten.