Geld und Besitz

Ein eigenes Haus - wer kann sich das noch leisten!  | MEINUNG

Stand: 06.10.2023, 06:00 Uhr

Nie mehr Miete zahlen, genug Platz und vielleicht sogar einen Garten. Ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung zu haben ist für die Wenigsten realistisch, sagt Kolumnistin Minh Thu Tran.

Von Minh Thu Tran

Im Nachhinein seine Kindheit zu verklären, ist natürlich einfach. Aber um die Jahrtausendwende aufzuwachsen, war eine tolle Zeit. Hatten meine Eltern, ein Schlosser und eine Putzfrau, weniger Geld als die Eltern meiner Schulfreunde? In vielen Fällen: ja. Fühlte es sich nach weniger an? Nicht so wirklich.

Denn Mitte der 2000er erfüllten sich meine Eltern, aber auch einige andere Einwandererfamilien in der schwäbischen Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, den großen Traum: Ein eigenes Haus. Unseres war alt und renovierungsbedürftig, und die Schulferien verbrachten wir damit, Tapete von den Wänden zu kratzen, zu streichen und mit meinem Baba Laminatboden zu verlegen. Wir schliefen erstmal einige Monate dort auf Matratzen auf dem Boden im Wohnzimmer. Aber das war es wert.

Unser Haus war vielleicht kleiner als die Häuser, in denen meine deutschen Schulfreunde aufgewachsen sind - aber ich hatte endlich ein eigenes Zimmer wie meine Freunde und konnte mit meinem Bruder die Treppe vom Wohnbereich in unsere Kinderzimmer hoch und runter toben.

Sollte der Hauskauf für uns nicht leichter sein als für unsere Eltern?

Inzwischen bin ich 30 Jahre alt. Ich habe mein Studium so schnell wie möglich abgeschlossen und arbeite seit fünf Jahren als Journalistin. Mein jüngerer Bruder hat es in eine leitende Stelle eines Logistikunternehmens geschafft. Wir sind der feuchte Fiebertraum der Migrationsdebatte, der German Dream, die Aufstiegsgeneration. Sollte der Traum einer eigenen Immobilie für uns nicht einfacher sein als für unsere Eltern? Sollten wir es nicht schon früher schaffen? Es fühlt sich auf jeden Fall nicht so an - und damit sind wir nicht allein.

Der Anteil der jungen Immobilienbesitzer U45 hat sich seit den 2000er Jahren halbiert, 2021 waren es nur noch 15 Prozent. Jüngere Menschen schaffen es seltener, das Eigenheim zu finanzieren. Ist es für uns wirklich schwieriger geworden als für unsere Eltern? Oder ist meine Generation einfach weniger bereit zu verzichten für den Traum auf eine Immobilie als die Generationen davor?

Die Zahlen überraschen: Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigen, dass es heute sogar leichter ist, an ein eigenes Haus zu kommen als in den 1980er-Jahren. Der Erschwinglichkeitsindex, den die OECD auf Basis von Immobilienpreisen und Einkommen berechnet hat, sinkt seit einigen Jahren. Denn insgesamt sind die Einkommen deutlich stärker gestiegen als die Immobilienpreise.

Warum das Gefühl - es geht nicht?

Trotzdem: Für viele fühlt sich der Traum nach den eigenen vier Wänden unerreichbar an. Denn nur das Einkommen und die Preise für ein Eigenheim zu betrachten, ist zu kurz gedacht. Die Gründe sind: Die gestiegenen Zinsen, die die Kredite für die Finanzierung doppelt so teuer machen, wie noch vor wenigen Jahren. Die Anschlussfinanzierung, die vielen den letzten Nerv kosten könnte. Das hohe Eigenkapital, das man angespart haben muss, um überhaupt kaufen zu können. Die Einkommen, die hier in Deutschland zwar gestiegen sind, aber immer ungleicher verteilt sind.

Die größte Hürde ist laut Experten das hohe Eigenkapital, das Hauskäufer heute aufbringen müssen - bis zu 20 Prozent des Kaufpreises muss man schon auf Anhieb zahlen können, um überhaupt einen Kredit zu bekommen. Ein Reihenhäuschen in Deutschland kostet laut dem unabhängigen Analysehaus Bulwiengesa durchschnittlich 550.322 Euro, dafür muss man also rund 110.000 Euro gespart haben. Das ist ein Durchschnittswert für ganz Deutschland, entsprechend kostet eine solche Immobilie in den Ballungsgebieten mehr, in strukturschwachen Gegenden, wie etwa in Thüringen, dementsprechend weniger. Aber so viel Geld ansparen, bei den Lebenshaltungskosten heute und der Inflation? Würde ich auch mit meinem Partner zusammen nicht schaffen, selbst wenn wir zehn Jahre nicht in den Urlaub fahren. Sorry.

Das bemerkt auch die Politik. Die Baubranche befindet sich in einer Krise, immer weniger Menschen bauen ein eigenes Haus, und auch der Wohnungsbau in den Städten stagniert. Der Baugipfel, zu dem die Ampel-Regierung letzte Woche geladen hatte, hatte eher kosmetische Maßnahmen zur Folge. So sollen jetzt etwa mehr Familien die Neubauförderung der KfW beantragen können - hier soll es jetzt auch für Familien mit Einkommen bis zu 90.000 Euro Jahreseinkommen Förderungen geben. Die ist allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die grundlegenden Probleme - etwa die absurd hohen Baunebenkosten und die Zinslast bleiben bestehen.

Wenn ich in meinen Freundeskreis gucke, dann tut sich eine Schere auf. Die, die ein eigenes Häusle haben, haben davor geerbt. Entweder, weil in der Familie ein Haus frei wird, oder zumindest einen dicken Batzen Geld, mit dem sie zumindest das Eigenkapital aufbringen können. Auf der anderen Seite stehen die anderen, die Angst haben, teilweise trotz Spitzenkarriere ewig in der Miete gefangen zu bleiben. Dabei sind wir noch die glücklichen Bildungsaufsteiger unserer Generation - Menschen mit niedrigerem Einkommen sind natürlich noch deutlich schlechter dran.

Schaffe, schaffe, niemals Häusle baue

Doch was ist die Konsequenz für uns? So wie es in den USA den American Dream gibt, gab es hier in Deutschland und besonders in Schwaben, wo ich aufwuchs, ein geflügeltes Wort zum Aufstieg: "Schaffe, schaffe, Häusle baue." Eigentum und Vermögen, das bedeutet Sicherheit, dann hat man es wirklich geschafft - und ist auch nicht von steigenden Mietpreisen abhängig. Je nach Umfragen wollen das auch heute noch zwischen 60 bis 80 Prozent der Deutschen.

Doch was tun, wenn die Aufstiegserzählung wackelt? Arbeitgeberverbände beschweren sich, dass die Jungen heutzutage angeblich nicht mehr so viel arbeiten wollen und dadurch der Fachkräftemangel noch schlimmer wird - und fordern 42 Stunden Wochen statt aktuell 40. Aber wozu sollten wir Jungen uns abrackern auf der Arbeit und 42 Stunden arbeiten, wenn wir uns damit eigentlich nur die Altersarmut vom Hals halten? Dann lieber entspannt Teilzeit arbeiten, keine Kinder bekommen, im Hier und Jetzt leben. Und halt nicht auf Urlaube und den Kaffee von der Barista für vier Euro verzichten.

Haben Sie auch das Gefühl eine eigene Wohnung oder ein Haus ist für die meisten unrealistisch? Auf lange Sicht hoch verschulden oder doch lieber zur Miete wohnen? Lassen Sie uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.

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Kommentare zum Thema

151 Kommentare

  • 151 12.10.2023, 09:39 Uhr

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  • 150 12.10.2023, 09:29 Uhr

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  • 149 12.10.2023, 08:15 Uhr

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  • 148 12.10.2023, 05:18 Uhr

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  • 147 Grüne Sekte? Nein Danke ! 11.10.2023, 17:28 Uhr

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  • 146 Zensur-Tussi in die Tonne 11.10.2023, 15:32 Uhr

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  • 145 Un. Gleich 11.10.2023, 14:37 Uhr

    Die Lohnabzüge durch soziale Nebenkosten steigen mit Jahren der asymmetrischen Politik, steuerpflichtige Allgemeinkosten in die Sozialversicherungspflicht der Arbeitnehmer*innen abseits der Verbeamtung zu schieben, und der Inflation. So bezahlen Arbeitgeber zu den Bruttolöhnen ca 22% drauf, wohingegen diese den Arbeitnehmer/innen zusätzlich abgezogen werden. D. H von eigentlichen Bruttolöhnen sind schon mal 44% nicht sparfähig. Da könnte man schon mal viel Geld der arbeitenden Bevölkerung zukommen lassen, wenn die Politik die Fremdleistungen aus den Sozialversicherungsbeiträgen wieder entfernen und sozial verträglich in die Steuer aller zurückführte. Dann können auch Nichtbeamte bessere Zinskonditionen für Hauserwerb erwirken. So wie bisher, Beiträge zur Sozialversicherung und Inflation zusammen davon galoppieren zu lassen, kann es jedenfalls nicht weitergehen?!

  • 144 chasst grüne Zensurtussis 11.10.2023, 13:40 Uhr

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  • 143 Ausreisender (bald) 11.10.2023, 13:21 Uhr

    Habe einst ein Haus gebaut, danach eins gekauft und vor ein paar Jahren noch ein kleines Häuschen geerbt. Habe glücklicherweise einen (einzigen) Käufer gefunden, der mir nach zähesten Verhandlungen alle drei zu wirklich gutem Kurs abkauft. Die Kaufverträge stehen, werden Mitte nächsten Jahres abgewickelt und nach Zahlungseingang geht's mit der Holden für immer ab ins Nicht-EU-Ausland, wo wir bereits eine Eigentumswohnung mit Meerblick erstanden haben. Hierzulande wird man als Hauseigentümer nicht mehr glücklich. Einer politischen, ideologiegesteuerten Entwicklung sei Dank, die den Hauseigentümer schröpft und wie eine Zitrone auspresst (vgl. Grundsteuerreform). Ein eigenes Haus zu besitzen, ist sicher immer noch ein schönes Lebensziel - in Deutschland aber leider nicht mehr attraktiv. Ich kann daher nur jedem raten, der sich noch jung genug fühlt bzw. gesund ist und über entsprechendes Eigenkapital verfügt, Deutschland schleunigst zu verlassen und anderswo seine Träume auszuleben.

    Antworten (1)
    • 12.10.2023, 07:14 Uhr

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  • 142 Stoppt WDR-Laber-Mafia 11.10.2023, 12:41 Uhr

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  • 141 Illegale Zensur ! 11.10.2023, 11:51 Uhr

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