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Türkei-Wahl: Gut, dass so viele in Deutschland mitgewählt haben! | MEINUNG

Stand: 11.05.2023, 06:00 Uhr

Am Sonntag wird in der Türkei gewählt. Auch in Deutschland konnten Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben. Das hat für Diskussionen in der türkischen Community gesorgt: Sollten Türken im Ausland das Schicksal eines Landes mitbestimmen, in dem sie schon lange nicht mehr leben? Ja, meint Tuncay Özdamar.

Von Tuncay Özdamar

Kürzlich war ich in Hürth bei Köln, wo sich das türkische Konsulat befindet. Obwohl es geregnet hat, standen Menschen Schlange vor dem Gebäude und warteten, bis sie drankamen. An ihren Gesichtern konnte ich ablesen, wie glücklich und motiviert sie waren, bei dieser historischen "Schicksalswahl" mitwirken zu dürfen. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Erdoğan und seinem Herausforderer Kılıçdaroğlu, da kommt es auf jede Stimme an. Deutschland im Wahlfieber - das geht auch ohne die Bundestagswahl.

Die Zahlen bestätigen die Begeisterung: Fast die Hälfte der 1,5 Millionen Türkeistämmigen, die in Deutschland leben, haben an der türkischen Wahl teilgenommen. Das finden nicht alle gut.

Kritik vor allem von Türken selbst

Aus demokratischer Sicht sollte man eigentlich stolz sein, dass die Wahlbeteiligung in Deutschland so hoch war. Doch vielen Türken, die in der Türkei leben, gefällt das gar nicht. Sie haben etwas dagegen, dass die "Almancıs", die Deutschländer, die Zukunft ihres Landes mitbestimmen.

Diese "Deutschländer" werden noch immer "Gurbetçi" genannt, also Menschen, die weit weg von der Heimat in der Fremde leben. Übrigens, zwei veraltete Begriffe, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben.

"Ihr kennt die Türkei gar nicht wirklich!"

Tuncay Özdamar, Leiter der türkischen Redaktion von WDR Cosmo | Bildquelle: WDR

Das Hauptargument der Kritiker lautet: Türkische Wählerinnen und Wähler in Deutschland würden die Realität der Türkei gar nicht kennen. Sie müssten schließlich nicht in einem autoritären Regime unter Erdoğan leben und sollten sich deshalb auch nicht "von außen einmischen". Dass die türkische Lira Tag für Tag an Wert gegenüber dem Euro verliert, nervt sie noch mehr. Am liebsten würden die Türken in der Türkei den stimmberechtigten Türken in Deutschland das Wahlrecht ganz entziehen.

So einfach geht das aber - zum Glück - nicht. Denn das Wahlrecht ist ein Menschenrecht, das für jede Nationalität gilt.

"Stellen Sie sich vor: Bürger mit türkischem Pass dürften weder bei Wahlen in der Türkei noch bei Bundestagswahlen in Deutschland mitbestimmen - sie wären politisch heimatlos!"

Viel eher ist es lobenswert, dass so viele Bürgerinnen und Bürger mit türkischem Pass von diesem demokratischen Recht Gebrauch machen.

Starke Verbundenheit zur Türkei

Außerdem ist für mich der Vorwurf, Deutschtürken hätten mit der Realität in der Türkei nichts zu tun, haltlos. Denn Menschen mit türkischen Wurzeln im Ausland sind nach wie vor sehr stark mit der Heimat ihrer Eltern verbunden - selbst, wenn sie die Sprache nicht richtig sprechen können.

Sie leiden mit, wenn in der Türkei etwas passiert. Jüngstes Bespiel dafür ist das verheerende Erdbeben Anfang Februar, bei dem nach offiziellen Angaben fast 50.000 Menschen gestorben sind. Wir haben alle aus der Nähe erlebt, wie sich die Deutschtürken hierzulande bemüht haben, vom ersten Tag an Hilfe für die Erdbebenopfer zu organisieren. Sie waren am Boden zerstört! Das Erdbeben hat sie genauso hart getroffen und erschüttert wie die Menschen in Istanbul, Ankara oder Antalya. Sie haben möglicherweise Familienmitglieder, Verwandte oder Freunde verloren. Sie trauern bis heute mit ihren Angehörigen mit. Einige haben ihre Verwandten sogar nach Deutschland geholt.

Und auch an guten Tagen sind die Deutschtürken dabei. Wer feiert jeden Sieg der türkischen Fußballmannschaften bei einer WM oder EM mit türkischen Fahnen, auf den Autos hüpfend oder in Korsos auf deutschen Straßen? Die Deutschtürken!

Viele wünschen sich eine Zukunft in der Türkei

Ein weiterer Aspekt ist nicht zu unterschätzen: Viele Türken würden eigentlich gerne wieder in der Türkei leben - vorausgesetzt das Land wird demokratisch regiert. Der bekannte türkische Journalist Can Dündar hat mir neulich erst erzählt, dass er schon jetzt davon träume, bei einem Sieg von Kılıçdaroğlu wieder "ins sonnige Land" zurückzukehren. Er lebt seit einigen Jahren in Deutschland im Exil. Für ihn war es nicht mehr möglich, in der Türkei seinen Job auszuüben.

Auch viele junge Türken sind in den vergangenen Jahren eher unfreiwillig ausgewandert. Denn seit den Gezi-Protesten 2013 regiert Erdoğan mit eiserner Hand. Kritiker der Regierung mussten seitdem Angst vor willkürlichen Festnahmen oder Verhaftungen haben. Gut ausgebildete Türkinnen und Türken sind deshalb aus der Türkei ausgewandert, auch nach Deutschland.

Nun konnten sie alle von Berlin, Köln oder München aus mitentscheiden, ob Erdoğan seinen großen Palast in Ankara räumt oder nicht. Manche reden scherzhaft davon, das Flugticket für den 15. Mai - den Tag nach der Wahl - bereits gebucht zu haben.

Wer in der Türkei regiert, geht im Ausland lebende Türken also sehr wohl etwas an. Schließlich geht es auch um ihre Freiheit in der Heimat.

Was meinen Sie? Ist es gut, dass in Deutschland lebende Türken die politische Zukunft eines Landes mitbestimmen, in dem sie nicht mehr leben? Lassen Sie uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.

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ImPuls Kollage | Bildquelle: WDR

Kommentare zum Thema

  • Uwe S 16.05.2023, 15:01 Uhr

    Wer hier in D massenhaft, wie Deutsch-Türken einen Autokraten wie Erdogan wählt, obwohl es eine demokratische Alternative gab, hat von Demokratie in D nichts gelernt, ist ein Sicherheitsrisiko auch für die dt. Demokratie, weil er leicht anfällig für Autokraten ist, ist in D "nicht integriert" und sollte schnell seine Koffer packen und heim in die Heimat zu Erdogan zurückkehren. Win-win für alle, auch für den dt. Steuerzahler, denn mindestens die Hälfte der Deutsch-Türken lebt von staatl. Transferleistungen wie Bürgergeld und der Rest hat selbst in der Hochkonjunktur keinen Job !

  • Anonym 16.05.2023, 14:28 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)

  • 16.05.2023, 13:20 Uhr

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