Helin: wie wichtig sind die ersten 24h bei der Vermisstensuche?
Aktuelle Stunde . 12.05.2024. 35:42 Min.. Verfügbar bis 12.05.2026. WDR. Von Andrea Moos.
Fall Helin: Was tun, wenn das eigene Kind verschwindet?
Stand: 12.05.2024, 17:00 Uhr
Die Einzelheiten sind noch unklar, aber das Verschwinden der dreijährigen Helin aus einem Kölner Park bewegt viele. Doch wie häufig sind solche Fälle? Und was können Eltern tun?
Von Ingo Neumayer
Der Fall der dreijährigen Helin dürfte eine Horrorvorstellung aller Eltern sein: Das Mädchen verschwand am Freitagabend in einem belebten Park in Köln-Kalk. Die Polizei durchkämmte die Gegend mit Spürhunden und einem Hubschrauber, doch erst am Samstagmorgen wurde die Dreijährige augenscheinlich unverletzt in einer Wohnung in der Nähe des Parks gefunden. Der 70-jährige Mann, auf den die Wohnung angemeldet ist, wurde festgenommen, am Sonntag aber wieder freigelassen.
Auch wenn sich Eltern immer wieder Gedanken um mögliche Entführungen ihrer Kinder machen: Die Anzahl der Fälle ist relativ gering: Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden 2023 in Deutschland 1.850 Fälle der "Entziehung Minderjähriger" registriert, davon blieb es in 196 Fällen beim Versuch. In NRW waren es 565 Fälle.
Kindesentführungen: Taten werden meist durch ein Elternteil begangen
Der absolute Großteil dieser Fälle dürfte allerdings nicht der klassischen Angstvorstellung von wegen "Ein Fremder nimmt mein Kind mit" entsprechen. Vielmehr sind es meist Sorgerechtstreitigkeiten zwischen getrennten Paaren, die eskalieren. Ein prominenter Fall dieser Art ereignete sich Anfang des Jahres in der Gastronomie-Familie Block. Die Mehrheit der Tatverdächtigen ist in solchen Fällen weiblich: Laut Kriminalstatistik liegt ihr Anteil bei 56,6 Prozent.
Nicht selten werden Kinder dabei von einem Elternteil ins Ausland gebracht. Laut Bundesjustizamt gab es im vergangenen Jahr mindestens 236 solcher Kindesentziehungen aus Deutschland in ein anderes Land.
Was können Eltern vorbeugend tun
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind von einem Fremden entführt wird, ist zwar äußerst gering. Aber der Schreck, wenn ein Kind auf einmal verschwindet, ist groß genug. Hier können Eltern Vorsichtsmaßnahmen treffen, gerade in unübersichtlichen Situationen wie auf Jahrmärkten oder in belebten Parks. Es wird empfohlen, mit dem Kind zu proben, wie es sich im Ernstfall am Besten verhält.
Lassen Sie Ihre Kinder Ihre Handynummer auswendig lernen. Wenn die Kinder noch zu klein dafür sind, schreiben Sie ihnen Ihre Handynummer auf den Arm. Sollte Ihr Kind verloren gehen, soll es nach Möglichkeit zu einer anderen Mutter oder einem Vater - erkennbar beispielsweise am Kinderwagen - gehen und bitten, Sie anzurufen. Als Alternative funktionieren auch "Notfallarmbänder" mit Ihren Kontaktdaten.
Kinder auf Notsituationen vorbereiten
"Man kann kleinen Kinder auch schon beibringen, wie sie sich verhalten sollen, in solchen außergewöhnlichen Situationen", so der Kriminalpsychologe Christian Lüdke. Machen Sie Ihrem Kind klar, dass es möglichst dort bleibt, wo es Sie zuletzt gesehen hat. Ihr Kind sollte laut nach Ihnen rufen - am besten den vollen Namen und nicht "Mama" oder "Papa". Alternativ können Sie auch einen prägnanten Ort auf dem Gelände ausmachen, an dem sie sich im Fall der Fälle treffen. Machen Sie ein Foto Ihres Kindes, damit Sie wissen, welche Kleidung es gerade trägt. Dass man Fremden gegenüber zurückhaltend sein sollte und mit niemandem mitgeht, den man nicht kennt, wissen wohl die meisten Kinder. Dennoch: Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig darauf hinweisen
Als Eltern sollten Sie schnell die Polizei verständigen und eine Vermisstenanzeige erstatten. Denn während Erwachsene ihren Aufenthaltsort frei wählen können und die Polizei nur bei einer akuten Gefahrenlage fahndet, gehen die Behörden bei verschwundenen Kindern grundsätzlich von einer Gefahr für Leib und Leben aus. "Bei einem vermissten Kind zählt im Grunde genommen jede Minute, denn Kinder sind total hilflos und auch wehrlos. Und es gibt sehr viele Gefahren und Risiken, denen ein Kind ausgesetzt ist, von daher ist es natürlich wichtig, ein Kind möglichst schnell zu finden", so Lüdke weiter.
Polizei: Aussagen von Kindern immer ernst nehmen
Noch ist nicht klar, ob sich der 70-Jährige aus Köln-Kalk und die dreijährige Helin kannten; laut Polizeiaussagen besteht kein familiäres Verhältnis. Auch ist derzeit noch nicht sicher, ob und welche Straftaten begangen wurden. Hinweise auf einen "körperlichen Übergriff" gebe es nicht, so die Polizei am Sonntag.
Allgemein empfiehlt die Polizei in derart gelagerten Fällen, genau hinzusehen. Bei Verdacht auf etwaige Kindesmisshandlung solle man rasch eingreifen und die Polizei einschalten - notfalls geht das auch anonym. Wenn ein Kind von Gewalt an sich oder anderen berichtet, solle man das grundsätzlich ernst nehmen: "Bewahren Sie Ruhe und hören Sie zu", so der Rat der Polizei.