Treffpunkt Theke: Rettet die Kneipen!
Westpol. 02.02.2025. 06:04 Min.. UT. DGS. Verfügbar bis 02.02.2030. WDR.
Rückgang um 42 Prozent: Die Gründe für das Kneipensterben in NRW
Stand: 08.02.2025, 10:07 Uhr
In NRW gibt es immer weniger Kneipen. Die Gründe für das großen Schließen - und was den Gaststätten helfen könnte.
"Hilfe, wir sterben aus" - es ist etwa 1,5 Jahre her, dass Kölner Gastwirte an die Bundesregierung schrieben. Immer mehr Kneipen müssten schließen, heißt es in dem Brandbrief, den die Kölner IG Gastro verfasste. Was die Kölner Gastwirte damals schon sagten und Menschen erahnen, die durch ihr Stadtviertel laufen und immer öfter Kneipen mit verschlossene Türen sehen, belegen jetzt aktuelle Zahlen, die das Statistische Landesamt IT.NRW auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa herausgegeben hat: In NRW machen immer mehr Kneipen dicht.
Demnach ist die Zahl der Kneipen in Nordrhein-Westfalen zwischen den Jahren 2006 und 2023 um fast 42 Prozent gesunken. Während 2006 noch etwa 14.000 Kneipen gezählt wurden, seien es bei der letzten Zählung 2023 nur noch gut 8.000 gewesen.
Erst Corona, dann Ukraine-Krieg
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband spricht von einem seit Jahren laufenden Prozess des Kneipensterbens. Die Pandemie habe das Kneipensterben aber noch einmal verstärkt, sagt Thorsten Hellwig, Pressesprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in NRW.
Dehoga-Sprecher Thorsten Hellwig
"Die Rahmenbedingungen in der Gastronomie insgesamt waren in den letzten Jahren besonders herausfordernd. Die wirtschaftliche Lage war und ist angespannt", erklärt Hellwig. Auch nach der Corona-Pandemie habe sich die Lage nicht wirklich verbessert. Die Umsätze in der Gastronomie lägen immer noch unter denen vor der Pandemie. Man habe Fachkräfte verloren und müsse zum Teil immer noch Hilfen und Kredite zurückzahlen.
Dem erhofften "Befreiungsschlag" nach Corona folgte 2022 der Ukraine-Krieg. Hohe Kosten, der Arbeits- und Fachkräftemangel und die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen belasteten die Branche, sagt der Dehoga-Sprecher. Eine große Herausforderung bleibe auch die "Bürokratie, die vor allen Dingen bei kleineren Betrieben immer schwerer zu stemmen ist, weil gleichzeitig andere Themenfelder im Bereich Digitalisierung und Nachhaltigkeit ebenfalls bearbeitet werden müssen".
Bürokratie sei aber zum Beispiel auch ein Problem beim Renovieren. In ihrem Brandbrief schrieben die Gastwirte 2023: "Wenn jemand in Köln eine Kneipe übernimmt und eine Wand baulich verändern möchte, dann benötigt man einen Bauantrag. Dauer momentan zwischen 9 Monaten und 3 Jahren. Das kann nicht funktionieren in dieser Zeit ohne Einnahmen zu leben."
Wie geht es mit dem Gastgewerbe weiter?
Hellwig ist sicher, dass die Gastronomiebetriebe auch in Zukunft eine wichtige Rolle haben werden, sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich als eine Art "zweites Wohnzimmer" für die Menschen in Städten und auf dem Land.
Wie genau es weitergeht und welche Preise angeboten werden können, hänge aber von politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. "Technische Veränderungen und digitale Prozesse werden helfen können."
Cafés stehen besser da als traditionelle Kneipen
Die Kneipen haben es nach Einschätzung des Dehoga-Verbands aber auch deshalb schwer, weil sich das Freizeitverhalten verändert habe. Viele gingen lieber ins Café als in die Kneipe, sagt Hellwig.
Was könnte den Kneipen helfen?
Wenn man eine abwechslungsreiche, zukunftsfähige und flächendeckende Gastronomie in Deutschland erhalten wolle, sei eine Wiedereinführung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf Speisen sowie eine Wochen- statt einer Tageshöchstarbeitszeit nötig. Es brauche außerdem: Bürokratieabbau, eine Begrenzung der Sozialversicherungsbeiträge, einen von der Mindestlohnkommission statt der Politik festgelegten Mindestlohn und mehr Fachkräfteeinwanderung.
Wirte: "gesellschaftliche Bedeutung"
Die Kölner Gastwirte wiesen in ihrem Brief von 2023 derweil auch auf die gesellschaftliche Bedeutung von Kneipen hin. Bei Kneipen und Bars gehe es nicht nur um den wirtschaftlichen Aspekt.
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa
- Brandbrief der Kölner IG Gastro
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 8.2.2025 auch im Hörfunk: WDR 5 Nachrichten, 10 Uhr.