Jennifer Meuren

Kommunalpolitik ist weiterhin eine Männerdomäne

Stand: 27.08.2020, 20:48 Uhr

24 Prozent: Der Anteil an Frauen in der Kommunalpolitik ist erschreckend niedrig. Jennifer Meuren (parteilos) will das ändern - und Bürgermeisterin in Blankenheim werden.

"Corona-konforme Zaungespräche" – so umschreibt Jennifer Meuren ihren Haustür-Wahlkampf in Blankenheim. Die 33-Jährige möchte Bürgermeisterin der Gemeinde im Kreis Euskirchen werden. 8.000 Menschen leben hier. Bei diesen Gesprächen, die sie auf Abstand führt, ist ihr Geschlecht immer wieder ein Thema, berichtet sie dem WDR.

Und zwar durchaus positiv: "Man hört sogar in einigen Gesprächen Sensationscharakter: 'Das wäre ja klasse, wenn sie es schaffen!'" Die Diplom-Verwaltungswirtin, die für die Gemeinde Blankenheim arbeitet, findet es wichtig, dass "mehr junge Frauen in die Kommunalpolitik gehen".

Frauen sind stark unterrepräsentiert

Das ist wohl auch dringend nötig, denn von Aachen bis Zülpich, also in allen 396 Gemeinden in NRW, sind die Frauen, gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil, in der Kommunalpolitik deutlich unterrepräsentiert: Auf den 23 OB-Sesseln sitzt nur eine Frau: Henriette Reker (parteilos) in Köln. Den 31 Kreisen in NRW steht nur eine Landrätin vor: Eva Irrgang (CDU) in Soest. Und dem Stadtrat von Sassenberg (Kreis Warendorf) gehört noch nicht mal eine einzige Frau an!

Das Recherchenetzwerk Correctiv hat die letzten Kommunalwahlen in den Jahren 2014 und 2015 ausgewertet und errechnet: In die Parlamente auf Kommunal- und Kreis-Ebene wurden nur 24 Prozent Frauen gewählt. Der Politikwissenschaftler Stefan Marschall von der Uni Düsseldorf, stellt fest: Der typische Kommunalpolitiker ist männlich, "um die 55 Jahre alt und mit einem akademischen Abschluss."

Und 2020? Unter den 1.510 Kandidat*innen, die Oberbürgermeister*in, Bürgermeister*in oder Landrat/Landrätin werden wollen, sind nach Erkenntnissen des WDR-Kandidatenchecks nur 286 Frauen. Das sind gerade einmal 18,9 Prozent!

Die Selbstüberschätzung der Männer

Woran liegt es, dass so wenige Frauen in der Kommunalpolitik aktiv sind, es so wenige bis in Spitzenämter schaffen? Der Politikwissenschaftler Stefan Marschall sagt, Frauen seien auch in den Parteien unterrepräsentiert, wo ihr Anteil teilweise unter 30 Prozent liege. Hinzu komme, dass "Frauen sich selbst als politisch uninteressiert einschätzen, obwohl sie es gar nicht sind." Während "Männer sich überschätzen, sowohl was ihr Interesse als auch ihre Kompetenzen angeht." Frauen seien realistischer oder bescheidener und zögerten darum, politisch tätig zu werden. Ein weiterer Punkt sei die Vereinbarkeit von Familie und Amt.

Auch Jennifer Meuren wird immer wieder darauf angesprochen, "obwohl ich noch gar keine Kinder habe". Als hingegen im letzten Wahlkampf in Schleiden (Kreis Euskirchen) ein ähnlich junger Kandidat angetreten war, der wenige Monate später Vater wurde, sei das kein Thema gewesen, hat Meuren beobachtet.

Old-Boys-Netzwerke und Zoom-Konferenzen

Kommunalpolitik ist nach wie vor eine Männerdomäne, stellt der Politikwissenschaftler Marschall fest. Es seien "Old-Boys-Netzwerke" aktiv, die auf Frauen abschreckend wirkten. Und diese Seilschaften werden gerne, so berichten es viele Kommunalpolitikerinnen, in Bierrunden nach Rats- und Parteisitzungen fester gezurrt.

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Jennifer Meuren hingegen setzt auf ein ganz anderes Netzwerk. Sie hat frühzeitig Kontakt zu jungen Kandidatinnen und Bürgermeisterinnen aus ähnlich großen Orten im ländlichen Raum aufgenommen. Mit ihnen tauscht sie sich regelmäßig über den Wahlkampf und die Erfahrungen per Zoom-Konferenzen aus. Das bringt "Unterstützung und Motivation", freut sich die Kandidatin.

Meuren wäre die erste Frau im Blankenheimer Spitzenamt

Die Chancen von Jennifer Meuren, die erste Bürgermeisterin in Blankenheim zu werden, stehen übrigens nicht schlecht. Denn der langjährige Amtsinhaber Rolf Hartmann (parteilos) tritt nicht wieder an. Und Meuren wird von einem breiten Bündnis aus UWV, SPD, Grünen und FDP bei ihrer Kandidatur unterstützt.

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