Die Band "Die Sterne" ist im vergangenen September im Krefelder Schlachthof aufgetreten und stellte dabei in einem ihrer bekannteren Songs unter anderem die Frage "Was hat dich bloß so ruiniert?". Die Hamburger Indie-Pop-Band, deren Tickets im Vorverkauf für 25 Euro zu haben waren, kann es kaum gewesen sein. Anders sieht es aus, wenn man Konzerte von Taylor Swift, Adele oder Bruce Springsteen besucht - da kommt man dem finanziellen Ruin in den USA mit in der Spitze vierstelligen Ticketpreisen deutlich näher.
Britische Regierung will Zweitmarkt eindämmen
Das Sterne-Ticket gab es allerdings auch direkt beim Veranstalter aus erster Hand, während Fans die überteuerten Eintrittskarten für die begehrten internationalen Stars oft nur aus zweiter oder gar dritter Hand bekommen. Und diese "Hände" wollen mit dem Weiterverkauf der Tickets Geld verdienen. Die britische Regierung will nun gegen überhöhte Zweitmarktpreise für Konzerte vorgehen.
Nachdem die Preise für Konzertkarten der für 2025 angekündigten Comeback-Tour von Oasis auf der Insel oft das Sechsfache des Originalpreises überstiegen, sollen sie gemäß den Plänen der Regierung künftig nur noch mit einem Aufschlag von maximal 30 Prozent weitergereicht werden dürfen.
99 Prozent aller Künstler, deren Songs man beim Streamingdienst Spotify streamen kann, verdienen damit weniger als 5.000 Euro im Jahr, hat das ARD-Magazin Plusminus für einen Podcast mit Anna Planken und David Ahlf im vergangenen Jahr recherchiert. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass Künstler ihren Lebensunterhalt anders bestreiten müssen - mit Auftritten bei Festivals und Konzerten. Das liegt laut Johannes Everke, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, auch daran, dass sich wegen der Streamingdienste deutlich weniger Einnahmen durch CDs und Schallplatten erzielen ließen.
Swift streicht Millionen ein - "Sterne" teilen sich vierstellige Gage
Everke sieht mehrere Gründe dafür, dass die Preise für Konzerte gestiegen seien: Die Energiekosten hätten sich zwar "beruhigt", aber neben den Honoraren wirkten auch Personal, Technik und Versicherungen kostentreibend: "Beim Personal bis zu 100 Prozent, beim Honorar bis zu 300 Prozent im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit", sagte Everke am Donnerstag auf WDR-Anfrage. Hinzu käme noch die Inflation, die alle treffe.
Die durchschnittlichen Preise für Tickets sind von 2017 bis 2024 (siehe Grafik) rasant gestiegen und werden nach einem großen Sprung nach der Corona-Pandemie - von 110,30 auf 131 Euro - Prognosen zufolge weiter steigen. Bei den Erlösen der Tickets in den Corona-Jahren 2020 und 2021 muss man jedoch berücksichtigen, dass der Branchenumsatz insgesamt auf unter 300 Millionen einbrach, weil viele Veranstaltungen wegen der Corona-Auflagen ausfielen. Trotz steigender Kosten erwartet Everke für 2025 erstmal keine großen Preissprünge bei den Tickets: "Ich glaube, dass sich die Preise einpendeln."
Was die Künstlerhonorare betrifft, rechnet Everke mit einer Fortsetzung des Trends, dass die Topverdiener immer mehr einnehmen. Während etwa Taylor Swift für Konzertabende in großen Stadien mit zehntausenden Fans Millionen-Gagen einstreicht, blieb die Gage für fünf Bandmitglieder der Sterne in Krefeld vor rund 250 Gästen im unteren vierstelligen Bereich - Essen und Hotel inklusive. Das ist die Spanne, die sich aus Angebot und Nachfrage ergibt.
Das Konzert wird als "Inszenierung" immer teurer
Darüber hinaus macht es einen Unterschied, ob eine Bühne mit dem Equipment für fünf Musiker bestückt wird oder ob wie im Fall von Adele in München eine eigene Konzertarena hochgezogen wird und die Fans am Ende mit einem Feuerwerk nach Hause geschickt werden. Man verkaufe nicht mehr die Musik, die es kostenlos woanders gäbe, sondern das Erlebnis. Das führe dazu, dass die Inszenierung immer teurer werde, erklärte Everke.
Künstler wie Adele und Swift seien bezüglich der Honorare gegenüber Veranstaltern in einer stärkeren Verhandlungsposition als kleinere Bands. Gerade bei den großen Bands und Künstlern ist das Geschäft und der Kreis jener, die daran verdienen wollen, auch viel größer. Plusminus verweist auf den US-Veranstalter Live Nation, der die Touren von Adele, Coldplay und Justin Timberlake nicht nur organisiert, sondern über die Firma Ticketmaster auch die Eintrittskarten unters Volk bringt. 2023 hat der Konzern fast 23 Milliarden Dollar umgesetzt. Vergleich: Der geschätzte Umsatz im Markt für "Live music ticket sales" in ganz Deutschland wird laut Statista 2025 etwa 2,06 Milliarden Euro betragen und laut Prognosen weiter steigen.
Everke: Keine dynamische Preisgestaltung in Deutschland
Umsätze seien jedoch keine Gewinne, und da seien die Margen seit Corona - aber nicht nur wegen Corona - geringer geworden, so Everke. Wie sich der Erlös aus einem einzelnem Ticketverkauf verteile, lasse sich in Durchschnittswerten nicht beziffern. Da müsse man jede Veranstaltung für sich bewerten. Die Umsätze des Weltmarktführers Live Nation lassen indes erahnen, dass es um viel Geld geht und eine maximale Abschöpfung des Potenzials. Das hat etwa Live-Nation-Chef Michael Rapino sehr genau im Blick, wenn er von dynamischen Preisen spricht. Das sei die Möglichkeit, die Preise für Konzerte bei entsprechender Nachfrage ähnlich wie bei Flügen und Hotels zu erhöhen.
Künstleragent Andreas "Bär" Läsker, der unter anderem die Fantastischen Vier managt, hatte es bereits 2023 als "Abzocke" bezeichnet, wenn ein Bruce-Springsteen-Ticket in den USA so auf einmal 3.000 Dollar kosten würde. Auch Everke sieht das kritisch, verweist aber auch darauf, dass es in Deutschland im Gegensatz zu den USA keine durch einen Algorithmus gesteuerte dynamische Preisgestaltung gebe. Ob sie komme, sei spekulativ, doch Everke glaubt, "dass der Kunde dies ablehnen würde".
Was die britische Regierung gerade plant, beobachte man aber sehr genau. Everke befürwortet grundsätzlich die Möglichkeit eines Weiterverkaufs von Tickets, weil die Konzertbesucher selbst daran ein berechtigtes Interesse hätten - etwa wenn sie ein Konzert aus privaten Gründen nicht besuchen können. Eine Deckelung von Preisaufschlägen sei durchaus im Sinne seines Verbandes, in einem freien Markt jedoch nur schwer durchzusetzen, fürchtet Everke.
Unsere Quellen:
- Gespräch mit Johannes Everke, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft
- Plusminus-Podcast "Konzert als Luxus: Warum sind die Tickets so teuer?"
- DLF-Beitrag "Oasis, Taylor Swift und Co. - Britische Regierung will Preise für Konzert-Tickets deckeln"
- NDR-Beitrag "Hohe Ticketpreise für Konzerte - was sind die Ursachen?"