Alexej Nawalny ist tot Aktuelle Stunde 16.02.2024 UT Verfügbar bis 16.02.2026 WDR Von Kristina Klusen

Nach Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny große Bestürzung weltweit

Stand: 16.02.2024, 18:07 Uhr

Die Nachricht vom Tod des russischen Regierungskritikers Alexej Nawalny löst auch in NRW Entsetzen aus. Sein Kölner Anwalt sagt, er habe den 47-Jährigen tags zuvor noch "fit und stark" in einer Videokonferenz gesehen.

Alexej Nawalny habe sich nach einem Gang im Freien am Freitag "unwohl gefühlt" und "fast sofort das Bewusstsein verloren", teilte die Gefängnisverwaltung der nördlichen Region Jamalo-Nenez am Freitagmittag mit. Das russische Präsidialamt hat nach eigenen Angaben keine Informationen über die Todesursache. Es sei medizinisches Personal herbeigerufen worden, das jedoch nicht in der Lage gewesen sei, den 47-Jährigen wiederzubeleben. Die Todesursache werde derzeit ermittelt, die Strafvollzugsbehörde unternehme alle Untersuchungen, erklärte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow am Freitag.

Todesursache wird ermittelt

Der Dissident saß seit Januar 2021 in Russland in Haft, zuletzt im berüchtigten Straflager "Polarwolf" im eisigen Norden Russlands. Die Haftanstalt gilt als eine der härtesten in Russland. Verurteilt war Nawalny unter anderem wegen "Extremismus" - er hatte den Vorwurf aber stets bestritten. Seine politische Bewegung wurde verboten, enge Mitarbeiter wurden inhaftiert oder flohen ins Ausland.

Kölner Anwalt: "Gestern noch in einer Videoschalte gesehen"

Dieses Foto von einer Videokonferenz soll am 15.02.24 entstanden sein | Bildquelle: dpa

Sehr überrascht über die Todesnachricht äußerte sich laut "Kölner Stadtanzeiger" Nawalnys Kölner Rechtsanwalt Nikolaos Gazeas: Noch am gestrigen Donnerstag habe sein Mandant per Videoschalte an einer Verhandlung in Russland teilgenommen. Er habe die Bilder der Verhandlung gesehen, sagte Gazeas, "da hatte er wie üblich einen fitten und starken Eindruck gemacht".

Einen Tag zuvor, am Mittwoch, habe ein russischer Anwalt Nawalny besucht. "Da ging es ihm den Umständen entsprechend gut." Einer seiner russischen Kollegen sei aktuell auf dem Weg in das sibirische Gefängnis, um sich vor Ort zu informieren, so der Kölner Anwalt.

Ehefrau: "Putin wird zur Verantwortung gezogen"

Am Freitagmittag sah die Frau des Kremlkritikers, Julija Nawalnaja, den Tod ihres Mannes noch nicht bestätigt. "Ich weiß nicht, ob wir den schrecklichen Nachrichten glauben sollen, die wir ausschließlich aus staatlichen russischen Quellen erhalten", sagte sie in ihrer kurzfristig anberaumten Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz. "Wir können Putin und Putins Regierung nicht glauben."

Julia Nawalnaja am Freitag auf der Münchner Sicherheitskonferenz | Bildquelle: dpa/Sven Hoppe

Sie habe überlegt, ob sie zu ihrer Familie zurückreisen oder in München reden solle, sagte sie, um Fassung ringend. "Dann habe ich überlegt, was Alexej getan hätte." Putin, erklärte sie, werde "für all seine Gräueltaten zur Verantwortung gezogen werden".

Mitarbeiter: "Höchstwahrscheinlich getötet"

Am frühen Freitagabend erklärten Mitarbeiter dann in einer Liveschalte auf Youtube, dass es "höchstwahrscheinlich so passiert ist, dass Alexej Nawalny getötet wurde", sagte der im Exil lebende Direktor von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung, Iwan Schdanow. "Derzeit deutet alles darauf hin, dass sich tatsächlich ein Mord ereignet hat ...Und getötet hat ihn (Wladimir) Putin." An Schdanows Seite saß Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch.

Scholz, Lindner und Merkel würdigen Nawalny

Bundeskanzler Olaf Scholz würdigte den Mut des Regimekritikers. Nun habe er diesen Mut "mit dem Leben bezahlt", sagt Scholz in Berlin. Man wisse jetzt genau, was in Moskau für ein Regime regiere. Russland sei "längst keine Demokratie mehr".

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) postete auf X ein Foto von sich bei einem Treffen mit Nawalny. Der habe für ein demokratisches Russland gekämpft, schreibt Lindner dazu, "Putin hat ihn dafür zu Tode gequält". Das sei "ein neuer, erschütternder Beleg für den verbrecherischen Charakter dieses Regimes. Alexej wird über seinen Tod hinaus allen weiter Hoffnung geben, die für ein anderes Russland kämpfen."

Merkel besuchte Nawalny am Krankenbett

Auch die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) meldete sich am Freitag zum Tod des russischen Oppositionspolitiker: "Er wurde Opfer der repressiven Staatsgewalt Russlands. Es ist furchtbar, dass mit ihm eine mutige, unerschrockene und sich für sein Land einsetzende Stimme mit fürchterlichen Methoden zum Verstummen gebracht wurde."

Merkel hatte Nawalny im Krankenhaus in Berlin besucht, als er dort einige Wochen zur Genesung nach dem Giftanschlag auf ihn verbrachte. Später hatte Nawalny berichtet, die beiden hätten sich lange auf Russisch unterhalten.

Nawalny: Bin bewusst nach Russland zurückgekehrt

Mitte Januar hatte der Dissident noch mitgeteilt, er sei bewusst vor drei Jahren in seine Heimat zurückgekehrt - obwohl er mit seiner Festnahme gerechnet habe. Er werde oft gefragt, warum er nicht im Ausland geblieben sei, ließ Nawalny am dritten Jahrestag der Rückkehr auf der Plattform X (früher Twitter) schreiben. Seine Antwort sei immer: "Ich habe mein Land und meine Überzeugungen."

Missglückter Giftanschlag im Jahr 2020

International wurde der Politiker, der 2020 nur knapp einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok überlebte, als politischer Gefangener eingestuft. Nachdem er in Deutschland von den Folgen des Giftanschlags behandelt worden war, kehrte Nawalny am 17. Januar 2021 nach Russland zurück und wurde noch am Flughafen verhaftet.

Wer in Russland dafür einstehen wolle, müsse notfalls bereit sein, in Einzelhaft zu sitzen. "Natürlich bin ich nicht gerne dort. Aber ich werde weder meine Ideen noch meine Heimat aufgeben."

Forderung nach freien Wahlen

Die Herrschaft von Präsident Wladimir Putin werde vergehen, war Nawalny überzeugt. Seine Forderung nach einer anderen Führung sei nicht exotisch, sektiererisch oder radikal. Wer Macht habe, müsse sie auch wieder abgeben. "Der beste Weg, um einen Anführer zu wählen, sind ehrliche und freie Wahlen."

Quellen

  • Reuters
  • Agence France Presse
  • Deutsche Presse Agentur
  • Social Media-Plattform X