Zwei kalifornische Unternehmen haben die Erlaubnis bekommen, in den USA kultiviertes Hähnchenfleisch zu verkaufen - zunächst in Luxus-Restaurants. Nach Singapur und Israel geht also nun die größte Volkswirtschaft der Welt einen entscheidenden Schritt in die Richtung eines neuen Fleischkonsums. Die Unternehmen versprechen große Fortschritte für Klimaschutz und Tierwohl. Aber woraus besteht Laborfleisch überhaupt und hilft es wirklich gegen globale Probleme? Fragen und Antworten.
Woraus besteht Laborfleisch?
Die Basis von Laborfleisch sind tierische Stammzellen. Sie werden etwa Hühnern, Schweinen oder Rindern mit einem Eingriff entnommen, man spricht da von einer Muskelbiopsie. Die Tiere überleben das.
In Fabriken werden die Stammzellen dann gezüchtet, sie vermehren sich mithilfe von Nährlösungen. Darin sind zum Beispiel Glukose oder Aminosäuren enthalten. In Bioreaktoren entwickeln sich die Stammzellen dann zu sogenannten Muskelfibrillen, die gesammelt Muskelfasern bilden. Rund 20.000 solcher Muskelfasern braucht man für einen kultivierten Hamburger-Patty.
Wie klimafreundlich ist Laborfleisch?
Es ist noch schwer, solche Fragen zu Laborfleisch klar zu beantworten, weil es noch keine Studien zu großflächiger Produktion gibt. Es sieht aber so aus, dass die Klimabilanz von Laborfleisch - entgegen der Versprechen der Unternehmen - aktuell, also auf kurze Sicht, nicht so gut ist wie erhofft. Sie könnte sogar viel schlechter als bei herkömmlichem Fleisch sein. Das hängt damit zusammen, dass die Produktion von Laborfleisch sehr viel Energie verbraucht, weil es so ein komplexer Herstellungsprozess ist.
Und weil die Energiewende noch nicht geschafft ist und immer noch viel fossile Energie verbraucht wird, sorgt das für entsprechende Treibhausgas-Emissionen. Studien zufolge ist die Herstellung von Laborfleisch klimaschädlicher als die Herstellung von Hähnchen- und Schweinefleisch. Eine aktuelle kalifornische Studie, die allerdings noch nicht abschließend veröffentlicht ist, kommt sogar zu dem Schluss, dass Laborfleisch bis zu 25 Mal klimaschädlicher als herkömmliches Rindfleisch sein könnte. Dabei ist Rindfleisch mit Abstand die klimaschädlichste Fleischsorte.
Langfristig könnte die Klimabilanz von Laborfleisch allerdings besser aussehen. Die Voraussetzung dafür ist, dass bei der Herstellung grüne Energie verwendet wird. Eine niederländische Studie hat Szenarien für 2030 entwickelt und sagt: Dann könnte die Herstellung von Laborfleisch weniger Emissionen als eine ebenfalls nachhaltigere herkömmliche Rind- oder Schweinefleisch-Produktion erzeugen. Und es könnten dabei künftig ähnlich viele Treibhausgase wie bei der Hähnchenfleisch-Produktion entstehen. Hähnchenfleisch ist an sich nicht so klimaschädlich.
Was bedeutet Laborfleisch für den Umweltschutz?
Laborfleisch könnte noch einige andere Vorteile für den Umweltschutz haben. Ein wichtiger Punkt ist, dass die Herstellung viel weniger Fläche für Tierhaltung und Futtermittel verbraucht. Der hohe Flächen-Verbrauch ist nämlich ein großes Problem. Das betonen auch die niederländischen Autorinnen und Autoren in der genannten Studie.
Weniger Flächenverbrauch könnte wiederum dem Artenschutz helfen. Denn frei werdende Flächen könnten als Lebensräume für Pflanzen, Insekten und andere Tiere reserviert werden.
Trägt Laborfleisch zum Tierwohl bei?
Das ist die feste Absicht der Unternehmen. Sie sind darauf aus, dass es nur einen tierischen Eingriff gibt, nämlich die Entnahme der Stammzellen - sodass Tiere also nicht länger geschlachtet werden müssen.
Es gab dabei allerdings länger ein Problem: Für die Nährlösungen, in denen sich die Zellen vermehren, wurde das Blut ungeborener Kälber gebraucht. Die Kälber sterben bei dieser Blut-Entnahme. Dieser Vorgang wird aus ethischen Gründen stark kritisiert und ist nicht mit dem Ziel der Unternehmen vereinbar, einen großen Beitrag zum Tierwohl zu leisten. Es sieht aber so aus, als ob Laborfleisch-Firmen inzwischen nicht mehr auf dieses Kälberblut angewiesen sind, sondern mit pflanzlichen Alternativen arbeiten können. Die niederländische Firma "Mosa Meat" hat dazu etwa eigene Verfahren entwickelt und einen entsprechenden Artikel in der Fachzeitschrift "Nature Food" veröffentlicht.
Kann Laborfleisch helfen den Hunger auf der Welt zu reduzieren? Ist es eine Lösung für den afrikanischen Kontinent?
Auch das ist ein Punkt, der in der Diskussion wichtig ist. Es gibt eine wachsende Weltbevölkerung und schon jetzt globale Hungerkrisen. Die Welternährungsorganisation sagt, dass 2021 bis zu 830 Millionen Menschen weltweit von Hunger betroffen waren. Und durch die Klimakrise werden sich Hungerkrisen voraussichtlich noch verschärfen, etwa weil Flächen zu trocken für landwirtschaftlichen Anbau sind.
Gleichzeitig lässt sich der Fleischkonsum nicht überall so leicht reduzieren wie etwa in Europa, wo es viele Alternativen gibt, in manchen Ländern wächst gar kein Getreide oder Gemüse. Es ist zwar unklar, wie sich die Produktion von Laborfleisch entwickeln und welchen Ländern das Fleisch zur Verfügung stehen wird. Aktuell ist die Produktion außerdem noch sehr teuer. Die weltweite Ernährungssicherheit ist aber trotzdem ein Argument dafür, Laborfleisch als Lösungsansatz im Blick zu behalten und sorgfältig zu prüfen.
Ist Laborfleisch gesünder als herkömmliches Fleisch?
Das kann man bislang kaum einschätzen, weil es auch dafür nur wenige Daten gibt. Auch die deutsche Verbraucherzentrale sagt, dass sich dazu noch keine gesicherten Aussagen treffen lassen. Die US-Arzneimittelbehörde FDA und das US-Landwirtschaftsministerium schätzen das Laborfleisch der beiden kalifornischen Firmen "Upside Foods" und "Good Meat" als sicher für den Verzehr ein.
Klar ist allerdings, dass ein hoher Konsum von herkömmlichem Rind- und Schweinefleisch ungesund ist. Studien zufolge kann das zu unterschiedlichen Krebs-Arten und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Ob Laborfleisch in dieser Hinsicht besser abschneidet, ist noch unklar.
Und schmeckt das wie echtes Fleisch?
Also wenn man auf Erfahrungsberichte schaut, liest man: Viele, die Laborfleisch probiert haben, finden, dass es sehr ähnlich wie herkömmliches Fleisch oder ganz genauso schmeckt. "Der Geschmack war reichhaltiger als eine Hühnerbrust, mehr wie das dunkle Fleisch eines Schenkels", berichtet eine Reporterin der Nachrichtenagentur AP nach einer Probe. "Und die Struktur war zart und zäh zugleich, sowie ein gut zubereitetes Hähnchen schmecken sollte."