Woran denkt ihr beim Wort "Partydroge"? Bestimmt an irgendwelche Pillen, die man illegal in einem Club ober übers Darknet kaufen kann. Seit einiger Zeit boomt aber eine Partydroge, die man ganz legal am Kiosk bekommt: Lachgas.
Experten warnen schon lange vor dieser Droge, die vor allem bei Jugendlichen sehr beliebt ist. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will deswegen den Verkauf strenger regulieren. Am Mittwoch hat er seinen Gesetzesentwurf im Kabinett vorgestellt.
Was ist das für ein Stoff und wie wird er eingenommen? Welche Gefahren sind mit dem Konsum verbunden? Und kann der Bundesgesundheitsminister auch ohne Regierungsmehrheit das Gesetz durchdrücken? Ein Überblick.
Was ist Lachgas?
Das farblose Gas mit dem chemischen Namen Distickstoffmonoxid wird in vielen Bereichen verwendet. Es dient zum Beispiel als Treibgas in Spraydosen und Luftballons sowie in Kartuschen für Sprühsahne - und ist damit problemlos in vielen Supermärkten und Kiosken zu bekommen.
Auch in der Medizin wird Lachgas eingesetzt: zum Beispiel als Narkosemittel beim Zahnarzt oder in der Geburtshilfe. Wegen seiner euphorisierenden Wirkung ist Lachgas schon seit Langem auch als Droge bekannt. Sogenannte Lachgas-Partys wurden in England bereits im 19. Jahrhundert gefeiert.
Wie wirkt Lachgas und wie wird es eingenommen?
Lachgas hat sich mehr und mehr zu einer Partydroge entwickelt, besonders bei Jugendlichen. Die holen sich einen Rausch, indem sie das Gas einatmen, zum Beispiel über Luftballons. Nicht zu verwechseln ist das übrigens mit Helium in Luftballons, von dem man eine fiepsige Stimme bekommt.
Beim Inhalieren von Lachgas kommt es zu einem kurzen, aber intensiven Rausch. Viele Konsumenten berichten über ein angenehmes Kribbeln und verstärkte Sinneseindrücke, die Wirkung hält etwa 30 Sekunden bis maximal einige Minuten an.
Oft bleibt es nicht bei einem Ballon, starke Konsumenten verbrauchen an einem Tag mehrere oder sogar viele davon. Manche inhalieren das Gas auch direkt aus Kartuschen, die es legal und leicht im Internet oder am Kiosk gibt.
Allerdings kann Lachgas unter hohem Druck zu schweren Erfrierungen führen. Daher ist diese Form des Konsums besonders gefährlich. Der Gesundheitsminister will, dass Jugendliche da nicht mehr rankommen, und den Verkauf verbieten.
Was sind die Risiken und Nebenwirkungen?
Was Lachgas in hohen Dosen anrichten kann, konnten Besucher eines Konzerts des Rappers "Haftbefehl" miterleben. Der Musiker taumelte über die Bühne, verlor immer wieder das Gleichgewicht und wirkte maximal verwirrt. Das Konzert wurde abgebrochen.
Vor seinem Entzug habe er manchmal Dutzende Kartuschen am Tag konsumiert. Inzwischen setzt sich der Rapper für ein Verkaufsverbot ein.
Häufige Nebenwirkungen beim Konsum kleiner Mengen sind Schwindel, Benommenheit und Kopfschmerzen. Laut European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction kann es auch zu Übelkeit und Ohnmacht sowie zu einem vorübergehenden Verlust der Orientierung kommen.
Bei der Inhalation kann es passieren, dass das Hirn vorübergehend nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Empfindliche Personen können darauf mit Krämpfen reagieren.
Während die Symptome in den meisten Fällen schnell wieder nachlassen, kann Dauerkonsum zu schweren neurologischen Störungen führen. Laut EMCDDA (Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht) kann zu es chronischem Kribbeln oder Prickeln in Händen, Armen, Beinen oder Füßen kommen.
Der Grund ist eine Schädigung der sensorischen Nerven, die für die Übertragung von Empfindungen verantwortlich sind. Wenn Nerven betroffen sind, die für die Kontrolle der Muskeln verantwortlich sind, können im Extremfall sogar dauerhafte Lähmungen die Folge sein.
Seine Lachgas-Patienten könnten häufig die Beine schlecht bewegen, berichtet Volker Limmroth, Chefarzt der Klinik für Neurologie Köln-Merheim. Das reiche "bis zum kompletten Verlust der Gehfähigkeit". Ein Patient habe von seinen Angehörigen in die Notaufnahme reingetragen werden müssen, erinnert sich Limmroth.
Man müsse dringend mehr über die Risiken von Lachgas aufklären, forderte die Deutsche Gesellschaft für Neurologie im März. Denn:
Je früher eine Therapie begonnen werden kann, desto größer seien die Chancen, dass keine Langzeitschäden bleiben.
Wie verbreitet ist der Konsum in NRW?
Weil der Besitz und der Konsum von Lachgas nicht strafrechtlich verfolgt wird, gibt es kaum aussagekräftige Daten darüber, wie viele Menschen den Stoff konsumieren. Allerdings deuten Zahlen des Landeskriminalamts NRW (LKA) darauf hin, dass der Missbrauch zunimmt. Während im Jahr 2021 nur 68 Fälle polizeibekannt wurden, heißt es im "Lagebild Rauschgiftkriminalität 2022", die Zahl sei ein Jahr später bereits auf 215 Fälle gestiegen.
Die Dunkelziffer dürfte erheblich höher liegen, zumal der Konsum immer beliebter zu werden scheint. Chefarzt Limmroth berichtet, dass seine Klinik in Köln seit September etwa jede Woche einen Patienten oder eine Patientin aufnimmt, der oder die zu viel Lachgas konsumiert hat.
Kann die Bundesregierung trotz Ampel-Aus das Verbot noch durchsetzen?
Das ist noch unklar, sieht aber ganz gut aus. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat seine Vorschläge für das Gesetz am Mittwoch dem Kabinett vorgestellt - und das hat grundsätzlich grünes Licht gegeben. Der Bundestag könnte die Regelung also noch vor der Neuwahl im Februar verabschieden.
Was steht im Gesetzentwurf von Lauterbach?
In dem Entwurf steht, dass Lachgas sowie die Chemikalien Gammabutyrolacton und 1,4-Butandiol (auch bekannt als K.-o.-Tropfen) bezogen auf bestimmte Mengen unter ein gesetzliches "Umgangsverbot" für neue psychoaktive Stoffe fallen. Sie dürften dann nicht mehr über Automaten, den Versandhandel oder am Kiosk verkauft werden.
Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen soll zusätzlich ein Abgabe-, Erwerbs- und Besitzverbot mit Blick auf Minderjährige kommen.
Erlaubt sein soll Lachgas weiter für wissenschaftliche oder auch gewerbliche Zwecke, etwa in Sprühsahne.
Unsere Quellen:
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie
- Volker Limmroth, Chefarzt der Klinik für Neurologie Köln-Merheim
- Informationen des European Monitoring Center for Drugs and Drug Addiction
- Rapper "Haftbefehl" bei RTL
- LKA-NRW: Lagebild Rauschgiftkriminalität 2022
- Nachrichtenagenturen DPA, EPD, KNA