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Migration: Schwarze Kicker, syrische Ärzte und die erhitzte Volksseele
Stand: 07.02.2025, 13:33 Uhr
Warum heizt das Thema "Zuwanderung" die Gemüter immmer weiter auf? Gibt es nicht genug andere weitere wichtige Themen?
Von Thilko Gläßgen
Erinnern Sie sich noch an Ihren allerersten Gedanken zum Thema "Ausländer" oder "Zuwanderung"? Bei mir – als Mensch ohne Migrationsgeschichte – war das als jugendlicher Fußballer in den 2000er Jahren. Damals bekamen wir einen neuen Mitspieler – William aus Ghana. Mein zugegebenermaßen naiver Gedanke: positive Aufregung und Neugierde: "Ein neuer Mitspieler aus Ghana? Wo liegt das überhaupt und warum kommt er zum Kicken hierher?"
Heute sind die Gedanken bei vielen Menschen andere. Begriffe kreisen durch den Kopf: Einwanderung ins Sozialsystem, Messerkriminalität, Zustrombegrenzung. Begriffe, die per se negativ besetzt sind, die erstmal gar nicht erkennen lassen, dass es um Menschen geht, die vor Verfolgung fliehen. Das Thema "Zuwanderung" hat rasant an Bedeutung gewonnen.
Für 31 Prozent der Menschen in NRW ist es das wichtigste Problem. Und das obwohl hierzulande fast ein Drittel der Menschen selbst Migrationshintergrund hat. Hinzu kommen über drei Millionen Menschen ohne deutschen Pass: vom Fußballer aus Burkina Faso bis zum bulgarischen Professor.
Die größte Gruppe ausländischer Ärzte stammt aus Syrien, sollten sie Deutschland verlassen, warnt die Deutsche Krankenhausgesellschaft vor "spürbaren" Folgen für Patientinnen und Patienten. Und dennoch: Die angesprochenen Gedanken in den Köpfen sitzen tief: Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg. Alle mutmaßlichen Täter hatten keinen deutschen Pass.
Schon 2014 stellte der ARD-DeutschlandTrend fest, dass 76 Prozent der Befragten überzeugt sind, dass sich die Politik nicht genügend kümmert, "um die Probleme, die durch Zuwanderung entstehen". Elf Jahre später hat sich der Trend verfestigt. Längst wird "Zuwanderung" kaum noch unter humanitären Gesichtspunkten betrachtet.
Andere Themen hat es in den Hintergrund gedrängt: Klimaschutz, Rente, Frieden beispielsweise. Und spätestens seit vergangener Woche geht’s in der öffentlichen Debatte, im Wahlkampf kaum noch um was anderes als "Zuwanderung". Elf Jahre nach dem angesprochenen ARD-DeutschlandTrend ringt die viel zitierte demokratische Mitte immer noch um Antworten und Lösungen.
Dabei überlässt sie das Thema dem Verdachtsfall Rechtsextremismus, der AfD. Eine zunehmende Zahl von Menschen schreibt der AfD in Sachen Migration sogar hohe Kompetenz zu. Völkische Ideologie als Antwort auf reale Probleme? Anstatt eigene Akzente zu setzen, – migrationspolitisch und sicherheitspolitisch – kämpft die demokratische Parteienlandschaft untereinander. Getrieben von der AfD.
Richtig wäre es, mehr Effizienz, mehr Tempo, mehr Transparenz in das Thema "Zuwanderung" zu bringen. Menschen, die in Deutschland leben, müssen wissen, wer da überhaupt zu ihnen kommt. Umgekehrt müssen Menschen, die nach Deutschland kommen, schneller wissen, ob sie hier bleiben dürfen, statt sie mitunter monatelang auf eine Asylentscheidung warten zu lassen – mit anschließenden Gerichtsverfahren summiert sich das oft auf Jahre.
Die neue Bundesregierung und auch die hiesige Landesregierung müssen dieses Thema zwangsläufig anpacken, um Vertrauen wiederzugewinnen, sodass die Gedanken an Migration künftig wieder positiver werden. Nehmen wir die Politik beim Wort, ob sie ihre Versprechen halten kann: Denn Politik kann und muss Probleme lösen.
Mein alter Mitspieler William aus Ghana kickt übrigens immer noch – in der Landesliga. Und auch beruflich hat er in Deutschland Fuß gefasst.
Dieser Text erscheint auch als Editorial in "18 Millionen - Der Newsletter für Politik in NRW". Jeden Freitag verschicken wir die Themen, die NRW bewegen - an politisch Interessierte, Aktive, Gewählte, und Politik-Nerds. Hier können Sie den Newsletter kostenlos abonnieren: