"Der Staat versagt!", sagt sich immer so leicht. Man hört es natürlich gerne von der AfD, aber auch in der sonstigen Opposition im Bund. Im Bundestag ist es (noch) die CDU, die in Form von Friedrich Merz gerne mal zum "Versagen der Ampel in der Migration" referiert. Hier im Landtag rollen vor allem die Grünen, aber auch viele der CDU die Augen, wenn SPD-Fraktionsführer Jochen Ott vom "nicht funktionierenden Staat" spricht.
Ich muss gestehen, dass ich da auch immer wieder zucke. Aber leider erlebe ich in den letzten Jahren Situationen, in denen ich sagen muss: "So macht mir der Staat den Alltag unmöglich - im Job wie im Privaten."
Fangen wir vielleicht mal beruflich an: Vor bald zwei Wochen erhielt ich ein Papier. Ziemlich brisant, weil es nahelegt, dass die Abschiebung des Solingen-Attentäters eventuell leichter durchzuführen war als gedacht. Flüchtlingsministerin Paul (Grüne) hatte ja bisher immer betont, die bulgarischen Behörden (bei denen der Mann hätte Asyl beantragen müssen) würden eine Überstellung des Syrers blockieren. Liest sich aber in der Überstellungsurkunde nicht so heraus.
Anstatt mir ehrlich Rede und Antwort zu stehen, war es - formulieren wir es diplomatisch - etwas mühsam, mit dem Ministerium zu kommunizieren. Mehr noch: Im Laufe der Zeit fiel mir auf, dass Widersprüche in Dokumenten, welche die Ausländerbehörden bei solchen Dublin-Überführungen auf dem Tisch haben, nicht mehr ausreichend besprochen werden. Wenn zum Beispiel in der bulgarischen Überführungsurkunde steht, dass man montags bis donnerstags zu jeder Regelflugzeit überführen könnte, in deutschen Unterlagen aber andere Zeiträume stehen, könnte man ja mal nachfragen, was denn jetzt stimmt. Aber es wurde scheinbar stumpf nach altem Plan gearbeitet und nichts so wirklich hinterfragt. Es hat eine gewisse Resignation stattgefunden, noch etwas halbwegs Brauchbares aus dem nicht-funktionalen Dublin-System zu machen. An dieser Stelle hat der Staat also schon resigniert und will es dann zunächst nicht mal zugeben. Wie man es so besser machen will? Das bleibt mir schleierhaft.
Warum Dublin (vielleicht doch nicht) so kompliziert ist. 18 Millionen. Der Podcast für Politik in NRW. 14.02.2025. 36:32 Min.. Verfügbar bis 13.02.2030. WDR Online.
Im Privaten merke ich es bei den unscheinbaren Dingen mit großen Auswirkungen. In der Kita ist ständiger Notbetrieb. Verordnungen, die Abhilfe schaffen könnten, werden ignoriert. Sogar gesetzlich setze ich hinter der Umsetzung des Notbetriebs oft Fragezeichen. Aber es läuft ja. Frei nach dem Motto: "Wo kein Kläger, da keine Richterin".
Als in diesen Tagen die Grundsteuerbescheide eintrudeln, wieder so eine Sache: Plötzlich zahlen Leute im Düsseldorfer Speckgürtel weniger als in Zechensiedlungen des Ruhrgebiets. Gerecht ist das nicht, der Staat verweist aber darauf, dass das ja alles - zumindest für ihn - einnahmeneutral sei. Da freuen sich sicher die Betroffenen, die jetzt im Jahr mehrere Hundert Euro mehr bezahlen müssen. Und wenn man so hört, wie der Aufbau des Rechtsanspruches für den Offenen Ganztag läuft, graut es mir davor, wie das hier ab 2026 werden soll. Und jetzt verkneife ich mir besser Ausführungen zur Absicherung von Schlüsselindustrien oder Anmerkungen zu Energie- oder Lebensmittelpreisen oder zum viel zu niedrigen Mindestlohn sowie den immer kleiner werdenden Renten.
Ich merke deshalb nicht nur bei mir und in meinem Umfeld einen gewissen Frust. Der Druck ist bei den Menschen spürbar und die, die zuhören, sind irgendwie nicht mehr greifbar. Zumindest wird der politische Apparat inzwischen so empfunden. Der ist nämlich sehr damit beschäftigt, irgendwie einen gewissen Konsensdruck hochzuhalten und drückt sich dabei um die Antworten. Politik und Gesellschaft driften also auseinander und das ist dann schon eine betrübliche Rückschau auf meine Woche. Aber ich sage auch: Zumindest registriere ich (schon mal ein Anfang), dass die Politik langsam versteht. Mal schauen, wie sie es umsetzt…