Die Debatte um Rückführungen von Flüchtlingen in andere EU-Länder geht weiter. In einer von der AfD beantragten "Aktuellen Stunde" ging es am Mittwochmorgen im Landtag um einen Abschiebeflug nach Bulgarien, den das Land NRW am 11. Februar durchgeführt hatte.
Es war die erste vom Land selbst organisierte Rückführung dieser Art. Sieben abgelehnte Asylbewerber saßen nach Angaben der Landesregierung an Bord - vier Syrer und drei Afghanen.
AfD: "Inszenierung als Abschiebekönigin"
Zwar fordert die AfD stetig die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern - diese Rückführung aus NRW aber sei nichts als ein "PR-Coup kurz vor der Bundestagswahl", sagte die AfD-Abgeordnete Enxhi Seli-Zacharias. Die Partei will herausgefunden haben, dass es sich bei dem Flugzeug um einen Airbus A 321 gehandelt habe, der für bis zu 220 Passagiere ausgelegt sei.
"Meine Güte, was für eine Leistung", höhnte die AfD-Frau. Integrationsministerin Josefine Paul von den Grünen wolle sich damit jetzt "als Abschiebekönigin inszenieren". An Ministerin Paul richtete sie die Frage, was die Rückführungen pro Person gekostet hätten.
FDP und AfD bei "PR-Aktion"-Vorwurf einig
Die FDP blies in dasselbe Horn und stimmte der AfD in einem Punkt zu: Ihr Abgeordneter Marc Lürbke warf der Ministerin Paul ebenfalls eine "PR-Aktion" vor. "Sieben Personen in einem Flugzeug mit über zweihundert Plätzen, unter ihnen kein einziger Gefährder oder Straftäter", konstatierte Lürbke, dennoch habe sich Paul "proaktiv an die Presse gewandt" und von einem "großen Schritt nach vorn" gesprochen.
Diese Rückführung aus NRW sei "kein Meilenstein, eher ein teures Symbol, ein großes grünes Feigenblatt, das letztlich nur von der monatelangen Untätigkeit dieser Landesregierung ablenken sollte".
Begriff "Abschiebung" ist unzutreffend
Tatsächlich aber geht es in diesen Fällen nicht um eine klassische Abschiebung in das Herkunftsland: Die sieben Männer waren in Bulgarien in die EU eingereist - und hatten in Deutschland gar nicht erst Asyl beantragen können. Nach dem sogenannten Dublin-Verfahren gilt, dass Asylanträge, die innerhalb der EU gestellt werden, nur durch einen Staat geprüft werden dürfen. Ist das schon in einem anderen Land geschehen, kann Deutschland die betreffende Person dorthin abschieben.
Die im Fokus stehende Ministerin Josefine Paul (Grüne) rechtfertigte sich außerdem: Zu den Modalitäten einer solchen Abschiebung nach dem Dublin-Verfahren gehöre die strikte Vorgabe, dass maximal zehn Personen befördert werden dürften. "Man kann sich über geltende Regeln und Modalitäten mit den europäischen Partnern nicht einfach hinwegsetzen", sagte Paul, und wenn die AfD bemängele, dass zu wenige abgewiesene Personen in dem Flugzeug saßen, dann sei das "in der Tat Wahlkampf und hat nichts mit wirklichen Lösungen zu tun".
In den Blickpunkt gerückt sind solche Rücküberstellungen in andere EU-Länder durch den Anschlag von Solingen im August 2024. Der Täter, ein Flüchtling aus Syrien, hätte lange vor der Tat ebenfalls nach Bulgarien zurückgebracht werden sollen. Er war aber in seiner Unterkunft nicht angetroffen worden. Dann verstrich eine Frist, innerhalb derer kein weiterer Versuch seitens der Behörden unternommen wurde. Danach war Deutschland für sein Asylverfahren zuständig.
CDU "froh und dankbar"
Die CDU sei "froh und dankbar", dass die Abschiebungen jetzt per Charterflug nach Bulgarien gelungen seien, sagte in der Landtagsdebatte der CDU-Abgeordnete Gregor Golland. Er wies darauf hin, dass NRW bei der Zahl der Rückführungen und Überstellungen an andere EU-Länder mit 4.440 Fällen im vergangenen Jahr ein "Rekordhoch" erreicht habe - eine Steigerung um 21,2 Prozent zum Jahr davor.
Die AfD wolle das Land und die Gesellschaft spalten, so Golland, sie wolle "Menschen aufhetzen und verunsichern". Es gehe der Partei nicht um die Lösung von Problemen, sondern darum, aus Problemen "Honig zu saugen".
Über die Bezeichnung der Integrationsministerin als vermeintliche "Abschiebekönigin" empörte sich Lisa Kapteinat von der SPD. "Was ist das denn für ein Begriff", rief sie "wir reden hier immer noch von Menschen". Als könne man sich die Abschiebung von Menschen "wie Orden an die Jacke heften". Und an Seli-Zacharias gerichtet: "Sie sollten sich schämen!"
Ministerin Paul: "Es ging ums Gelingen"
Ministerin Paul wies die Vorwürfe der AfD zurück, mit dem Abschiebeflug einen "PR-Coup" im Sinn gehabt zu haben. Sie wiederholte ihre schon zuvor gemachte Aussage, dass die Bundesländer erst seit November die Möglichkeit hätten, eigene Charterflüge für Rücküberstellungen nach Bulgarien durchzuführen. Die Zentralstelle für Flugabschiebungen in NRW habe daraufhin sofort mit der Organisation begonnen - und dabei vermutlich "nicht die Bundestagswahl am 23. Februar im Blick gehabt, sondern das Gelingen".
Auf die Frage der AfD, was der Flug tatsächlich gekostet habe, antwortete Paul nicht.
Untersuchungsausschuss will mögliche Fehler prüfen
Um Regelungen und Modalitäten geht es auch im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA), in dem es zurzeit die möglichen Versäumnisse rund um den tödlichen Messeranschlags von Solingen geht. Ministerin Paul, die hier im Zentrum der Kritik steht, bekräftigte am Mittwoch ihre Haltung, dass es "keinen Widerspruch und kein Missverständis" mit bulgarischen Behörden gegeben habe. Der PUA werde das feststellen.
Quelle:
- Debatte im NRW-Landtag am 19.02.2025
- Homepage des BAMF zum Dublin-Verfahren