Was Abschiebungen nach Afghanistan so schwer macht

Stand: 17.02.2025, 10:38 Uhr

Vor der Bundestagswahl ist die Debatte über Abschiebeflüge nach Afghanistan neu entbrannt. Ein Problem: Die dortige Taliban-Regierung wird von der Bundesregierung nicht anerkannt. Wie können Abschiebungen trotzdem gelingen?

Für die Bundesregierung war es ein großer Coup. Am 30. August des vergangenen Jahres landete eine aus Leipzig kommende Maschine auf dem Flughafen in Kabul. An Bord saßen 28 Straftäter, die aus Afghanistan kamen und dorthin von Deutschland abgeschoben wurden.

"Zeitnahe" Abschiebungen sind ausgeblieben

Es war der erste Abschiebeflug von Deutschland nach Afghanistan seit der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban im Jahr 2021. Im Oktober vergangenen Jahres kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) an, dass es "zeitnah" weitere Abschiebungen nach Afghanistan geben werde. Diese Ankündigung blieb bisher allerdings ohne Folgen.

Olaf Scholz beim "Quadrell" bei RTL und NTV | Bildquelle: Getty Images/Pool

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte am Sonntag im "Kanzler-Quadrell" bei RTL und NTV, weitere Abschiebeflüge nach Afghanistan durchführen zu wollen. Allerdings ließ er ein konkretes Datum offen. In Richtung Moderatoren sagte er: "Das würden wir Ihnen auch erst sagen, wenn das Flugzeug in der Luft ist."

Bayerns Landeschef Söder: "Jede Woche einen Flug"

Nach den tödlichen Anschlägen von Aschaffenburg und München ist die Diskussion nun neu entbrannt. In beiden Fällen kamen die Täter nach jetzigem Ermittlungsstand aus Afghanistan.

Abschiebungen nach Afghanistan WDR Studios NRW 17.02.2025 05:09 Min. Verfügbar bis 17.02.2027 WDR Online

Markus Söder (CSU) fordert Konsequenzen nach dem Anschlag von München. | Bildquelle: ddp/Revierfoto

Wie die "Bild" berichtet, fordert Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nun, dass jede Woche ein Abschiebeflug nach Afghanistan stattfindet.

Bundesregierung erkennt Taliban-Regierung nicht an

Eine Abschiebung kann entweder in den Staat erfolgen, dessen Staatsangehörigkeit die Person besitzt, die abgeschoben werden soll, oder unter Umständen in ein anderes Land, das eine Einreise der Person erlaubt. Dafür sind oft Verhandlungen mit der Regierung des jeweiligen Landes nötig.

Abschiebungen nach Afghanistan sind kompliziert, weil die Bundesregierung die radikalislamische Taliban nicht als legitime Regierung des Landes anerkennt. Seit 2021 führen die Taliban in Afghanistan ein brutales Regime, in dem Frauen massiv unterdrückt werden. Ein erster Abschiebeflug im vergangenen Jahr kam deshalb Vermittlung von Katar zustande.

Für weitere Abschiebungen müsste die Bundesregierung direkt mit den Taliban reden, fordert zum Beispiel Markus Söder. Kritiker warnten in der Vergangenheit vor solchen Gesprächen mit den Islamisten. Die Taliban könnten von Abschiebungen profitieren, indem sie diese als Möglichkeit für eine Zusammenarbeit mit einem westlichen Staat nutzten.

Die Taliban zeigen sich gesprächsbereit. Bereits vor einigen Tagen haben die Taliban eine Zusammenarbeit bei Abschiebungen angeboten, allerdings fordern sie dafür eine konsularische Vertretung in Deutschland.

Propaganda-Erfolg für die Taliban?

Stefan Recker arbeitet in Kabul und kennt die Zusammenarbeit mit den Taliban | Bildquelle: WDR

Stefan Recker von der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe arbeitet in Kabul und kennt Afghanistan bereits seit vielen Jahren. Aus eigener Erfahrung berichtet er, dass Gespräche mit den Taliban "sehr zähflüssig" verliefen. Für die Taliban wären direkte Verhandlungen mit der Bundesregierung ein "Propaganda-Erfolg", sagte Recker dem WDR. "Die lechzen nach diplomatischer Anerkennung."

Der Migrationsforscher Hannes Schammann von der Universität Hildesheim befürchtet, dass die Taliban dadurch aufgewertet werden könnten. Direkte Gespräche betrachtet er deshalb kritisch: "Wir machen uns letztlich erpressbar, wenn wir zu stark mit autoritären Regimen über Migrationspolitik verhandeln", sagte Schammann dem WDR. Die aktuelle und auch die kommende Bundesregierung stehen dadurch vor einem Balanceakt.

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagentur dpa
  • Bundesinnenministerin Faeser im Bundestag am 9. Oktober 2024
  • Bayerns Ministerpräsident Söder bei BILD und Instagram
  • WDR-Interview mit Stefan Recker (Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe)
  • WDR-Interview mit Hannes Schammann (Universität Hildesheim)
  • "Bild"-Bericht zu Söders Forderung zu Abschiebeflügen
  • Bundeskanzler Scholz im "Kanzler-Quadrell" bei RTL und NTV
  • Bundeszentrale für politische Bildung: Wenn das Aufenthaltsrecht endet: Abschiebung – Ausweisung – Dublin-Überstellung