Plattformgedöns: Musk das weg?

Stand: 24.01.2025, 14:00 Uhr

Nehmen wir an: Social Media ist wie die Arena im alten Rom. Plötzlich gibt es die Empfehlung für einen Gladiator - vom Kaiser persönlich.

Von Nicolas Vordonarakis

Das Musk – äh, muss – jetzt alles weg: Facebook, X und Tiktok! Nieder mit diesen öffentlichen Arenen der Schande! Nieder! Ups. Im Ton vergriffen, sorry. Nein, das geht natürlich nicht und wäre naiv. Die Plattformen sind da, Menschen sind dort, auch da spielt Gesellschaft.

Stattdessen brauchen wir hier einen anderen – einen europäisch(er)en – Umgang. Am besten gestern und jetzt erst recht, wo Trumps Politik große Tech-Konzerne im Rücken hat. Oder andersherum. Jetzt, wo Facebook Faktenchecks in den USA abschafft, wird noch deutlicher: Diese Plattformen werden immer mehr zum Instrument ihrer Besitzer. Kann man da – hier aus Düsseldorf – überhaupt was ausrichten? Medienhafen gegen Silicon Valley?

Dinnerdate im Flugmodus

Dienstagabend. Der Raum gefüllt, um mich herum Sakkos und Blazer. Weiß gedeckte, runde Tische, 13 Stück – jeder für ein Mitglied der Landesregierung. Drumherum Pressesprecher und Journalisten, der NRW-Ministerpräsident geht zum Rednerpult. Traditionelles Neujahrsessen der Landespressekonferenz mit dem Kabinett.

Ich starre noch kurz auf mein Handy, es liegt auf dem Stuhl neben mir – Flugmodus. Die Distanz zu dem Gerät passt zu meiner Stimmung. Die letzten Tage haben mich noch skeptischer gemacht, wenn ich Instagram oder X öffne.

Im Flugmodus kommt die Welt gerade aber nicht rein. Keine Hitlergrüße aus den Staaten und keine ideologischen Deutungskämpfe um den Nahen Osten. Kein Habeck, der Zuversicht von mir will – zynisch. Kein Scholz, der für sich wirbt, als hätte er schon wieder was vergessen – die letzten drei Jahre. Keine Weidel, die – jenseits von Verstand – alle „Windmühlen“ niederreißen will. Kein Hass, keine Ausgrenzung, keine Kompromisslosigkeit. Kein Empfang. Flugmodus.

Der Ministerpräsident fängt an zu sprechen. Über das, was uns – ich würde mal behaupten fast alle – in Medien und Politik gerade bewegt. Dinge, die man nicht im Flugmodus ausblenden kann und sollte. Die Substanz unserer Demokratie.

Arenen der Öffentlichkeit

Wie verhindern wir Desinformation und Hass? Ein Punkt von Wüst bleibt bei mir hängen: Deutschland kennt eigentlich eine Politik von Maß und Mitte, und das ist das Gegenteil von dem, was auf Social Media passiert, sagt er. Gut, dass Maß und Mitte auch bei der Union im Wahlkampf gerade etwas flöten gehen, hätte er vielleicht noch ergänzen können, denke ich. Sonst stimme ich ihm aber zu – ich will mehr Maß und Mitte. Dafür braucht es aber eben Regeln – und zwar nicht die, die sich Tech-Konzerne selbst geben.

Gedankenspiel: Betrachtet man Social-Media-Plattformen klassisch als Arenen der Öffentlichkeit, dann wäre das, was gerade passiert, in etwa so, als hätte den Besuchern des römischen Kolosseums – welches dem Kaiser gehörte – schon am Eingang jemand eine Empfehlung gegeben, auf welchen Gladiator man setzten sollte („Only the AfD can save Germany“). Sicherheitspersonal, das in der aufgeheizten Stimmung für Ordnung gesorgt hat, hätte man – beziehungsweise Meta – gefeuert.

Mehr "Freiheit" sich zu kloppen. Geil!

Dieser Text erscheint auch als Editorial in "18 Millionen - Der Newsletter für Politik in NRW". Jeden Freitag verschicken wir die Themen, die NRW bewegen - an politisch Interessierte, Aktive, Gewählte, und Politik-Nerds. Hier können Sie den Newsletter kostenlos abonnieren: