Gutachten: Einschränkungen bei Beamtenbesoldung verfassungswidrig
Stand: 09.12.2024, 16:30 Uhr
Im Oktober hat der Landtag Einschränkungen bei der Beamtenbesoldung beschlossen. Der Beamtenbund hält die für verfassungswidrig.
Von Klaus Scheffer
Eigentlich hatte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst seinen Beamten versprochen, den Tarifabschluss des Öffentlichen Dienstes eins zu eins umzusetzen. Aber im neuen Gesetz gibt es jetzt eine Einschränkung, die den Beamtenbund aufregt.
Es geht um das sogenannte Abstandsgebot. Das besagt, dass eine Beamtenfamilie mit zwei Kindern mindestens 15 Prozent mehr Nettoeinkommen haben muss als eine vergleichbare Familie in der sozialen Grundsicherung. Weil aber Sozialleistungen wie Bürger- und Wohngeld zuletzt deutlich stärker gestiegen sind als die Beamtenentlohnung, ist dieser Abstand jetzt nicht mehr garantiert.
Partnereinkommen wird angenommen - auch wenn es keines gibt
Beamte, gerade in den unteren Besoldungsstufen, müssten also mehr Geld bekommen, als ihnen laut Tarifvertrag eigentlich zusteht, um den Abstand wieder einzuhalten. Das aber möchte die Landesregierung gerne vermeiden. Und deshalb hat sie für solche Familien ein sogenanntes "fiktives Partnereinkommen" erdacht, dass dem Beamtengehalt automatisch zugerechnet wird - egal ob der Partner tatsächlich ein Einkommen hat oder nicht.
Es entspreche der "Lebensrealität", sagt Finanzminister Optendrenk, dass in einer Familie beide Partner eigene Einkommen erzielen. Das fiktive Einkommen wird in Höhe der Bezahlung eines Minijobs angenommen, derzeit sind das 538 Euro im Monate. Andere Bundesländer verfahren ähnlich. In Bayern zum Beispiel sind die fiktiven Einkommen aber noch deutlich höher angesetzt.
Beamtenbund: Gesetz ist verfassungswidrig
Der Beamtenbund DBB hält das Vorgehen dagegen für verfassungswidrig. Er präsentierte auf einer Pressekonferenz im Landtag am Montag ein Gutachten des ehemaligen Richters am Bundesverfassungsgericht Udo di Fabio. Demnach verstößt das Land mit seinem Gesetz gegen Grundsätze des Berufsbeamtenbundes, die in Artikel 33 des Grundgesetzes niedergelegt sind. Das werde auch nicht besser dadurch, dass das Gesetz den Beamten die Möglichkeit einräumt, aktiv gegen eine etwaige Benachteiligung vorzugehen.
Wenn Beamte tatsächlich weniger verdienen, als ihnen im Vergleich zur Grundsicherung zusteht, können sie einen Antrag stellen und das prüfen lassen. Auch das verstoße gegen die Verfassung, sagt Di Fabio: "Die Besoldung eines Beamten, die das Mindestabstandsgebot zur Grundsicherung wahrt, darf nicht von einem Antragserfordernis abhängig gemacht werden."
Vorerst keine Klage des Beamtenbundes
Trotz der Kritik will der Beamtenbund vorerst aber keine Klage vor das Verfassungsgericht bringen. Ein Grund ist, dass bereits Verfahren gegen Gesetze in anderen Bundesländern anhängig sind, die erst einmal abgewartet werden sollen. Zahlen über die genauen Auswirkungen des Gesetzes in NRW werden auch erst 2026 vorliegen, sagte Beamtenbund-Chef Roland Staude.
Gutachter Di Fabio appellierte an die Landesregierung, bei allem Verständnis für Sparbemühungen in Zeiten enger Haushalte, an die Motivation der Beamtenschaft zu denken. Man dürfe nicht, "wenn die Decke zu kurz wird, einfach an der bequemsten Stelle ziehen".
Unsere Quellen:
- Presselkonferenz Beamtenbund
- Gutachten Di Fabio
- eigene WDR-Recherchen