OVG-Besetzung: Hat der Justizminister gelogen?

Stand: 04.02.2025, 17:57 Uhr

Im Untersuchungsausschuss zur umstrittenen Postenvergabe am Oberverwaltungsgericht (OVG) wurden zwei unterlegene Bewerber befragt. Justizminister Limbach musste sich heftige Vorwürfe gefallen lassen.

Von Christoph Ullrich

Carsten Günther wird schon mit seinem Eingangsstatement deutlich. Der Verwaltungsrichter halte es für "äußerst bedauerlich, dass das ganze Verfahren eine öffentliche Dimension angenommen hat, die dem Ansehen der Justiz schadet", so der Jurist. Er hatte sich auf den Posten des OVG-Präsidenten beworben.

Die volle Verantwortung liege dabei bei Justizminister Benjamin Limbach (Grüne), erklärte Günther. Seit fünf Jahren hat das Oberverwaltungsgericht des Landes keinen Präsidenten oder eine Präsidentin. Das Verfahren wurde im Sommer 2022 gestoppt und neu aufgesetzt, nachdem die schwarz-grüne Landesregierung ins Amt kam.

Am Ende sollte die Abteilungsleiterin Katharina Jestaedt aus dem Innenministerium den Job bekommen. Klagen der beiden anderen Mitbewerber verzögerten erst die Besetzung, am Ende musste das Verfahren noch einmal wegen schwerwiegender Formfehler neu aufgesetzt werden.

Der Anruf des CDU-Bundestagsabgeordneten

Der Untersuchungsausschuss im Landtag beschäftigt sich nun schon seit Monaten mit dem Fall, bei dem immer mehr Ungereimtheiten ans Tageslicht kommen.

Günthers Aussage dürfte die Dynamik innerhalb des Falles noch einmal beschleunigen. Für ihn ist die Besetzung nicht nach Recht und Gesetz entstanden, sondern nach politischer Vorfestlegung. Warum er das so sieht, schilderte er im Ausschuss.

So wurde er im September 2022 vom CDU-Bundestagsabgeordneten Ansgar Heveling angerufen, dass er seine Bewerbung zurückziehen solle. Man könne ihm allerdings zunächst keine "Kompensation für den Verzicht" anbieten, hoffe auf seinen guten Willen. Man werde es Günther aber nicht vergessen, wenn er verzichte.

Gespräche mit Limbach und Liminski

Daraufhin kam es zu einem Gespräch mit dem damals neuen Justizminister Limbach. Dieser habe ihm gesagt, dass die am Ende erfolgreiche Bewerberin Katharina Jestaedt einen "Vorsprung" habe. Allerdings, sagt Günther, könne der Minister zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst haben, wie eine Beurteilung aus dem Innenministerium für Jestaedt ausgefallen ist.

Limbach soll zudem - so schildert es Günther - ein Gespräch mit dem Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU), angeboten haben. Limbach selber hatte in einer eidesstattlichen Erklärung angegeben, dass er dieses Gespräch nicht vermittelt habe, sondern Günther es angeregt habe. Dies dementierte Günther im Ausschuss jedoch. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste er nicht, wer "Herr Liminski sei und wäre auch nicht auf die Idee für ein solches Gespräch gekommen."

Es hat dann unmittelbar nach dem Treffen mit Limbach stattgefunden, was bisher alle Beteiligten bestätigt hatten. Dort soll Liminski wiederum erklärt haben, dass er hinter der Entscheidung stehe, da die Grünen eine Frau im Amt haben wollten.

"Limbach müsse an seine Partei liefern"

Der CDU-Politiker soll seinem Parteifreund Günther gesagt haben, dass Limbach jetzt "an seine Partei liefern müsse", da er erst vor ein paar Jahren von der SPD dorthin gewechselt sei. Daher die Präferenz für die weibliche Bewerberin.

Günther dementiert auch, dass er über seine Mitbewerberin habe Einfluss auf die Kabinettsentscheidung für die Personalbesetzung nehmen wollen. So wie "Frau Jestaedt den Sachverhalt dargestellt hat, ist schlicht falsch", sagte Günther im Ausschuss.

Limbach habe "nicht die Wahrheit gesagt"

Die Aussage dürften mehrere weitere Fragen aufwerfen, da hier viele Angaben der beteiligten Personen sich deutlich widersprechen. Für Günther trage der Minister die alleinige Verantwortung. Es habe eine politische Vorfestlegung gegeben, statt eine offene Bestenauswahl.

Indirekt warf Günther auch durch die Verlesung von eidesstattlichen Versicherungen dem Minister eine Lüge vor. "Die Wahrheit haben sie in einigen Punkten nicht gesagt", erklärte Günther auf CDU-Nachfrage über den Justizminister und seine Mitbewerberin und warf ihnen somit Falschaussagen vor.

Auch zweiter Bewerber sieht Einflussnahme

Ebenfalls befragt wurde der eigentlich ausgewählte und später wieder zurückgezogenen Bewerber Andreas Christians. Dem Ministerialdirigenten aus dem Justizministerium wurde ebenfalls von Limbach nahegelegt, seine Bewerbung zugunsten von Frau Jaestedt aufzugeben. Dies sei ihm im September 2022 unmissverständlich deutlich gemacht worden.

Er hatte sich ebenfalls wie Günther gegen die Besetzung juristisch zunächst gewehrt, aber nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht weiter gemacht. Aus finanziellen Gründen wie auch aus Altersgründen.

Er kritisierte außerdem, dass die Stelle am OVG schon jahrelang unbesetzt ist, und machte dafür Limbach verantwortlich: "Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man in der Politik eine jahrelange Vakanz in Kauf nehmen würde, um mit der Brechstange eine gewünschte Kandidatin durchzusetzen."

SPD fordert sofortigen Rücktritt

Der FDP-Politiker Werner Pfeil sagte im Ausschuss, dass die Aussagen eine Menge an "Sprengstoff" beinhalten. "Ein Sumpf von Lügen und Unwahrheiten ist bisher ans Licht gekommen", erklärte der Freidemokrat. Der Minister könne danach nur noch seinen Posten räumen. Dem schloss sich auch die SPD an: "Reihenweise wurden Angaben des Ministers als falsch entlarvt. Jetzt bleibt ihm nur ein letzter Schritt: Er muss seinen Hut nehmen!", erklärte die SPD-Politikerin Nadja Lüders nach dem Ausschuss.

Das Justizministerium reagierte nach den Aussagen umgehend und bezog sich auf die erste Aussage. Ein Sprecher teilte mit, dass "der Zeuge seine sehr subjektiven Wahrnehmungen und Schlussfolgerungen geäußert hat, die zu den Aussagen anderer Zeugen in Widerspruch stehen", so der Sprecher. Justizminister Limbach selber soll am 25. März vor dem Untersuchungsausschus aussagen.

Unsere Quellen:

  • Reporter im Ausschuss
  • Aussage Carsten Günther
  • Aussage Andreas Christians
  • Recherche
  • Pressemitteilung SPD-Landtagsfraktion

Über dieses Thema berichtet der WDR am 04.02.2025 auch im WDR 5 Westblick um 17:05 Uhr.