Die von der Landesregierung angekündigte Bezahlkarte für Asylbewerber kommt möglicherweise doch nicht flächendeckend in ganz NRW. Grund dafür ist, dass jede einzelne Kommune selbst entscheiden kann, ob sie die Karte einführen will.
Umfrage: Viele Kommunen skeptisch
Die Staatskanzlei in Düsseldorf teilte auf WDR-Anfrage mit, es gebe keinen "Anschlusszwang" für die Kommunen. Außerdem müssten die Städte und Gemeinden die Kosten für die Bezahlkarte selbst übernehmen. Damit ist völlig unklar, in wieviel Kommunen die Karte tatsächlich kommt. Denn die Einführung ist nicht unumstritten: Bei einer WDR-Umfrage unter elf Städten und Gemeinden erwartete nur eine Stadt uneingeschränkt Erleichterungen, andere, wie zum Beispiel Krefeld, befürchteten sogar eine Zunahme des Verwaltungsaufwands.
Opposition fordert Landesregierung zum Handeln auf
Das Vorgehen der Landesregierung stößt auf Kritik bei der Opposition im Landtag. FDP-Fraktionschef Henning Höne sagte am Montag: "In Berlin hat er es vollmundig gefordert, in NRW kommt es nicht flächendeckend – Ministerpräsident Hendrik Wüst fährt einen riskanten Schlingerkurs bei der Bezahlkarte für Flüchtlinge." Statt den Kommunen zu helfen, überlasse Wüst ihnen die Entscheidung und finanzielle Last. Die Bezahlkarte für Flüchtlinge müsse flächendeckend in Nordrhein-Westfalen eingeführt werden, forderte Höne.
SPD-Fraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat sagte: "Die Bezahlkarte ist immer wieder vehement von Ministerpräsidenten Hendrik Wüst gefordert worden. Mit der konkreten Umsetzung will seine schwarz-grüne Landesregierung nun offensichtlich nichts zu tun haben." Das Land sei aber in der Verantwortung. Zugleich dürfe die Ausgestaltung der Bezahlkarte "nicht zur Folge haben, dass Schutzsuchenden die Geltendmachung ihrer Rechte verwehrt wird".
Erwachsene Asylbewerber in staatlichen Unterkünften erhalten gegenwärtig monatlich 204 Euro für den persönlichen Bedarf. Die Landesregierung will mit der Bezahlkarte Verwaltungsaufwand mindern und verhindern, dass Asylbewerber einen Teil dieses Geldes in die Heimat überweisen.
Allerdings hatten sich Kabinettsmitglieder wie Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) und Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) zuvor ablehnend über Pläne zur Einführung einer Karte geäußert. Kritik kam auch von Flüchtlingshilfe-Organisationen.
Bundesländer nicht mit einheitlichem Modell
14 der 16 Länder streben ein gemeinsames Vergabeverfahren für die Karte an. Die Einführung ist im Sommer oder spätestens im Herbst geplant. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wollen die Bezahlkarte ebenfalls einführen, gehen bei der Vergabe aber eigene Wege.
Im Westpol-Interview bezweifelte der Sozialwissenschaftler Özgür Özvatan von der Humboldt-Universität Berlin, dass staatliche Sozialleistungen ein "Pullfaktor" für Asylbewerber seien, nach Deutschland zu kommen. Entscheidend seien vielmehr "Pushfaktoren" wie staatliche Verfolgung und Krieg. Zudem würden größere Summen von Geflüchteten erst nach Hause überwiesen, wenn die Menschen selbst Geld hier verdienten.