Es ist halb elf Uhr am Freitagabend des zweiten Adventswochenendes. Wir sind unterwegs mit unserem Kamerateam auf den Kölner Ringen, einer der Feier-Hotspots in NRW. Und eine von zwei Waffenverbotszonen. Die Düsseldorfer Altstadt ist die andere - beide gibt es seit Mitte Dezember vergangenen Jahres. Wir wollen sehen: Was haben diese Waffenverbotszonen gebracht? Halten sich die Feiernden tatsächlich daran?
Es ist kalt, um den Gefrierpunkt, und noch zu früh, um stark Betrunkene zu treffen. Es dauert nicht mal anderthalb Minuten, da zieht ein junger Mann direkt vor uns ein in Deutschland verbotenes Springmesser und zeigt es uns. Es gelingt uns, ihn zu einem Interview zu überreden. "Die meisten haben das hier dabei. Man muss sich ja selber schützen", sagt er. Ob er wisse, dass hier eine Waffenverbotszone sei, wollen wir wissen. Das sei ihm egal, er sei noch nicht kontrolliert worden.
"Ich habe immer Pfefferspray dabei"
Das Interview ist noch nicht richtig vorbei, da werden wir von einer Gruppe junger Frauen angesprochen. "Wenn ich hier lang laufe, habe ich immer ein Pfefferspray dabei. Jetzt auch, klar", erzählt uns eine etwa zwanzigjährige Frau. Sie selber sei hier in der Kölner Innenstadt auch schon von einem Mann massiv belästigt worden. Als sie die Polizei rufen wollte, habe der Mann sofort ein Messer gezogen. "Könnte ich hier in Deutschland an 'nen Taser rankommen, dann würde ich mir den auch besorgen", sagt sie und rät jeder jungen Frau, sich ebenfalls zu bewaffnen, bevor sie auf den Ringen feiern gehe.
So geht es während der nächsten Stunde Schlag auf Schlag. Jeder, mit dem wir ins Gespräch kommen, ist hier schon selber in eine gewalttätige Situation geraten. Häufig seien Waffen im Spiel gewesen. Einige haben tastsächlich auch Messer oder CS-Gas dabei. Das ist in der Waffenverbotszone mit einer Ordnungsstrafe von bis zu 10.000 Euro belegt. Auch braucht in diese Zonen die Polizei keinen besonderen Grund, um Menschen durchsuchen zu dürfen.
Polizei zieht positives Zwischenfazit
Und: Untätig war die Polizei im vergangenen Jahr nicht, im Gegenteil. In der Kölner Waffenverbotszone wurden bis Ende Oktober 7.772 Personen kontrolliert. 116 Gegenstände, darunter 48 Messer und 18 andere Objekte wie Reizgas, Schlagstöcke, wurden eingezogen.
In Düsseldorf ein ähnliches Bild: 8000 Kontrollen gab es seit Einrichtung der Waffenverbotszone. 210 Waffen wurden konfisziert. Auffällig ist in beiden Städten: Viele Waffen die konfisziert werden sind nicht nur in den besonderen Zonen verboten, sondern in Deutschland laut Waffengesetz grundsätzlich nicht im öffentlichen Raum erlaubt. Darunter fallen beispielsweise Springmesser oder Schusswaffen.
Innenminister Herbert Reul (CDU) hält die Waffenverbotszonen für einen Erfolg, warnt allerdings vor allzu hohen Erwartungen. Natürlich sei das nur ein Mosaikstein im Vorgehen der Polizei gegen die Gewalt, die nie ganz zu verhindern sei. "Die Leute hören ja auch nicht auf, über rote Ampeln zu fahren, nur weil wir im Straßenverkehr Kontrollen machen", sagt der Innenminister.
Die Gewaltbereitschaft steigt seit Jahren
Zurück nach Köln. Wir kommen mit einem Türsteher einer der Clubs auf den Ringen ins Gespräch. Auch er hält die Einrichtung einer Verbotszone für richtig, ist aber komplett desillusioniert, wie groß der Nutzen ist: "Heute hat jeder ein Messer dabei, die ziehen es auch sehr schnell. Die haben damit keine Probleme". Ob die Waffenverbotszone irgendetwas gebracht hat, wollen wir wissen. "Nee, nicht viel, die verstecken die Dinger jetzt vielleicht was besser."
Das liege auch daran, dass die Verbotszonen nicht bekannt genug seien, sagt Claudia Wecker, Besitzerin des Kölner Studentenclubs "Das Ding": "Die meisten Leute wissen davon nichts. Ich glaube auch, dass ist zu viel erwartet. Junge Leute beschäftigen sich mit sowas nicht, vor allem die Klientel nicht, die es angeht." Für sie ist aber klar: "Es geht darum, der Polizei ein Mittel an die Hand zu geben, schneller anlasslos kontrollieren zu dürfen."
Ein guter Anfang, mehr aber noch nicht
Ihr Eindruck: Die Gewalt steige derzeit geradezu exponentiell. Zwei bis dreimal pro Wochenende müsse die Polizei in ihren Club kommen, weil ein Feiernder, der an der Tür abgewiesen wurde, jemanden attackiert, entweder mit der Faust oder auch mit einer Waffe. Vor der Corona-Pandemie sei das vielleicht ein, zweimal im Monat passiert. Einen typischen Täter gebe es ihrer Wahrnehmung nach nicht. Es sei nicht nur der in seiner Ehre vermeintlich gekränkte junge, männliche Ausländer, wie viele glauben würden, sondern auch der 26-jährige, betrunkene Jura-Student.
Es ist 0 Uhr geworden. Wir beenden den Dreh. Was wir gelernt haben? Niemand hat uns gegenüber gesagt, dass eine Waffenverbotszone nichts bringe. Auch würde die Polizei wirklich viel kontrollieren. Doch was die bei den Kontrollen zu sehen bekämen, dass sei noch nicht mal die Spitze des Eisbergs. Erschreckt hat uns die Selbstverständlichkeit, mit der viele hier Waffen zum Clubbesuch mitnehmen. Und es erscheint nur eine Frage der Zeit, bis es wieder Verletzte gibt – mitten in der Waffenverbotszone.
Über das Thema berichtete der WDR am 04.12.22 in der Sendung Westpol, 19.30 Uhr im WDR Fernsehen.