Für das selbsternannte "Gründungsland NRW" ist es sicherlich keine gute Nachricht, was eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young ergeben hat. Die Bereitschaft, in Jungunternehmen zu investieren, nimmt weiter ab - und zwar drastisch. So wurden in NRW im vergangenem Jahr 331 Millionen Euro investiert. Ganze 136 Millionen Euro weniger als im Vorjahr.
Die nüchterne Erkenntnis von Thomas Prüver von EY: Die konkrete Aussicht, dass ein Unternehmen profitabel ist, sei wichtiger geworden. "Um auch in diesen schwierigen Zeiten an frisches Kapital zu kommen, reichen für Start-ups gute Ideen allein nicht mehr aus."
Bundesweit gibt es laut Studie einen Rückgang von 39 Prozent bei den sogenannten Wagniskapitalinvestitionen. Und das im zweiten Jahr in Folge. Ein Einbruch der Investments um zwei Drittel im Vergleich zum Rekordjahr 2021. Was sind die Gründe?
Investoren zurückhaltender
Unternehmensgründungen sind mit Risiken verbunden und Investoren, also die Geldgeber, in von Krisen geprägten Zeiten zurückhaltender. Prof. Christian Schwens vom Lehrstuhl für Entrepreneurship und Management der Uni Köln erläuterte, dass die aktuelle Finanzierungskrise der Start-ups mehrere Faktoren habe: So haben "verschiedene Start-Ups mit verschiedenen Herausforderungen zu kämpfen", aber ein zentraler Grund für die aktuelle Entwicklung läge in der "generellen Abkühlung des Marktes für Wagniskapital".
Start-Ups nicht aus dem Blick verlieren
Das ist schlecht für NRW, denn das Land will als Standort besonders attraktiv für die Gründung von Unternehmen sein. Wer in den aktuellen Koalitionsvertrag der Landesregierung schaut, findet ein selbstbewusstes Versprechen: Die schwarz-grüne Regierung will ein "optimales Gründungsklima" und das Land soll "Aushängeschild" für die Start-up-Szene sein. "Wir werden den Zugang zu Kapital für Start-ups über alle Förderphasen weiter verbessern und erleichtern den Zugang zu öffentlichen Fördermitteln, Zuschüssen und Aufträgen“, so der Wortlaut.
Christian Schwens betont, dass die Landesregierung bereits verschiedene Förderprogramme ins Leben gerufen habe: "Da ist weit mehr passiert als in vielen anderen Bundesländern". Dennoch sei es jetzt in "Zeiten knapper Kassen" wichtig, dass diese positiven Entwicklungen nicht abreißen.
Land und Bund in der Verantwortung
"Maßnahmen zur Konjunkturbelebung, Bürokratieabbau, Investitionen in Infrastruktur, Reduktion von Unsicherheiten und klare Bekenntnisse zur Bedeutung von Start-ups für den Wirtschaftsstandort sind wichtig." Im Bund angekündigte Maßnahmen zur Gründungsförderung dürften nicht aufgrund der aktueller Debatten rund um den Haushalt verzögert oder gestoppt werden. "Das wäre fatal", so Schwens.
Die NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) nennt die Start-ups "wichtige Innovationstreiber" und verweist auf bereits bestehende Stipendien und Förderprogramme des Landes. Weitere Maßnahmen kündigt sie am Dienstag nicht an, verspricht aber, sie werde "die weitere Entwicklung eng beobachten und fortlaufend prüfen, wo wir uns als Land noch stärker einbringen können".